Henstedt-Ulzburg. Die Arbeiten für den Logistik- und Verwaltungsstandort von Rewe in Henstedt-Ulzburg liegen im Zeitplan.
Jochen Vogel hält kurz inne, während hinter ihm auf der größten Baustelle im Kreis Segeberg auf 25 Hektar Menschen und Maschinen unablässig arbeiten. „Wir sind bei der Halbzeit“, sagt der Vorsitzende Geschäftsführer von Rewe Region Nord. Eine Pause wird deswegen keinesfalls eingelegt. Unter Hochdruck entsteht zwischen Rudolf-Diesel-Straße und Autobahnzubringer der neue Logistik- und Verwaltungsstandort des Einzelhandelsriesen für Norddeutschland. Das Unternehmen, das seinen Sitz in Köln hat, investiert rund 350 Millionen Euro. Der bisherige Verwaltungssitz in Norderstedt wird dann aufgelöst.
Es gibt je 100 Tore für den Wareneingang und -ausgang
16 Monate nach dem Spatenstich sind die Dimensionen längst erkennbar, es gibt in der Region nichts Vergleichbares. „Mit dem Standort in Henstedt-Ulzburg setzt Rewe ganz neue Standards im Verwaltungs- und Logistikwesen, besonders im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Fläche“, so Vogel.
Der 250 Meter lange, aus sieben Trakten (genannt „Finger“) bestehende Bürobereich wird sich im Obergeschoss befinden. Direkt darunter werden an je 100 Toren Waren angeliefert und wieder ausgefahren. Das Hochteillager ist in der Spitze über 30 Meter hoch, alles ruht auf Pfeilern, die 20 Meter tief in den Untergrund gehen. „Wir haben in den ersten Monaten extrem viel Erde bewegt, Zigtausende Tonnen. Das Grundstück musste über eine Höhe von sieben Metern ausgeglichen werden“, sagt der Geschäftsführer.
Rückblickend betrachtet, war der Zeitpunkt des Baubeginns optimal. Zwar schon während der Pandemie, aber deren Auswirkungen auf Rohstoff-Kreisläufe waren da noch nicht zu spüren. „Wir sind froh, dass wir im letzten Jahr angefangen haben. Bei dem Baumaterial wäre es zeitlich und von den Kosten her eine ganz andere Geschichte gewesen“, so Vogel. „Die Nachfrage aus allen Branchen ist gestiegen. Aber unser Stahl kommt aus Italien, da hatten wir bis jetzt keine Probleme.“
Corona-Pandemie sorgte für Materialengpässe
Er vertraut da ganz dem Generalunternehmer, der Firma Max Bögl, und dessen weltweitem Netzwerk. Nur einmal sorgte Corona für Engpässe: „Fälle am Bau hier hatten wir keine“, sagt Projektleiter Christoph Borchert, „aber ein Fertigteilwerk für Beton war betroffen.“ Weil sich dort zu viele Personen infiziert hatten, wurde die Produktion im Winter für drei Wochen unterbrochen. „Im Schnitt arbeiten hier auf der Baustelle 200 Personen, wir haben eine Schicht. Aber wenn der Innenausbau startet, sind noch einmal deutlich mehr Gewerke hier“, so Borchert.
Im Trockensortiment wird die Logistik voll automatisiert sein. „Automatisch heißt aber nicht, dass hier niemand arbeitet“, betont Jochen Vogel. Es geht um Effizienz. „Die Maschinen werden so programmiert sein für die Paletten, wie es jeder individuelle Rewe-Markt braucht.“ Tiefkühlprodukte, Obst, Gemüse und Frisches werden konventionell kommissioniert. Und dafür benötigt man viel Personal.
Es wird in allen Bereichen noch Personal gesucht
„Unser Lager in Kiel hat 250 Mitarbeiter. Henstedt-Ulzburg wird fast 500 haben." Darunter möglichst viele aus der Landeshauptstadt, wo der Logistikstandort Ende 2022 und der Verwaltungsbereich 2023 geschlossen werden. „Wir nehmen alle mit aus Kiel“, sagt der Geschäftsführer. „Wir haben jedem ein Angebot gemacht, das sozialverträglich ist. 50 würden jetzt schon umsiedeln, wenn es Wohnraum gäbe.“ Henstedt-Ulzburgs Wirtschaftsförderer Sebastian Döll sagt, er höre das nicht zum ersten Mal. „Unternehmen, die strategisch aufgestellt sind, fragen an, wo sie Wohnraum für Mitarbeiter anmieten oder sogar schaffen können.“
Rewe ist also mittendrin im Wettbewerb um Fachkräfte. „Henstedt-Ulzburg wird für viele auch eine private Heimat sein. Der Lebens- und Arbeitskomfort ist immer wichtiger. Bei den Fahrern gibt es eine regelrechte Schlacht um die Arbeitsressourcen“, sagt Vogel. 300 bis 400 Jobs seien noch offen. „Eigentlich kann sich hier jeder bewerben. Es wird 30 Azubis geben, duale Studenten, wir suchen Ingenieure und Techniker.“ Vom Lager ganz abgesehen. Dass in direkter Nachbarschaft das US-Unternehmen Caterpillar seinen Logistikstandort schließt, hat Jochen Vogel natürlich mitbekommen. „Die Caterpillar-Mitarbeiter können sich hier gerne bewerben.“
Zum Großprojekt gehört auch ein eigener Rewe-Markt
In der Verwaltung sollen zunächst nach der Eröffnung, die für Frühsommer 2022 angepeilt ist, 400 Personen tätig sein, das werde sich bis 2025 auf 450 erhöhen. „Es werden alle Büroräume belegt sein, aber die Quadratmeterzahl pro Person ist extrem hoch. In Norderstedt sitzen sie zu viert in einem Büro, wo wir maximal zwei haben dürften.“ Für das Lager ist vorgesehen, dass hier bis 2025 etwa 550 Menschen tätig sind. Für diese gibt es 1000 Pkw-Parkplätze, dazu auch Fahrrad-Abstellflächen inklusive E-Ladesäulen. Und sollte deren Bedarf steigen, könne man auch erweitern.
Zum Großprojekt gehört auch ein eigener Rewe-Markt auf dem Gelände, „mit einer Bistro-Einheit, wo wir Marktchefs und Kaufleute gastronomisch schulen wollen“. Ob hier auch die Bevölkerung oder Beschäftigte anderer Firmen aus dem Gewerbegebiet einkaufen können? „Das muss man dann gucken.“ Auch ein Schulungszentrum sowie Sportmöglichkeiten für die Belegschaft werden geschaffen.
Weitere Ideen, die umgesetzt werden, sind eine Wildblumenwiese sowie Photovoltaik auf dem Dach, dessen Grünfläche weitestgehend als Erholungsraum begehbar sein wird. Ein 1,2 Hektar großes Areal könnte zudem im Rahmen eines Schul- oder Kitaprojektes bewirtschaftet werden. „Überall, wo wir etwas pflanzen können, werden wir pflanzen.“