Kreis Segeberg. Im Abendblatt-Interview spricht Kreishandwerksmeister Lars Krückmann über Corona, den Nachwuchsmangel und steigende Preise.

Der Norderstedter Lars Krückmann wurde vor wenigen Wochen zum Kreishandwerksmeister gewählt. Der 55-jährige Gas- und Wasserinstallateurmeister vertritt die Interessen der Kreishandwerkerschaft Mittelholstein mit ihren rund 850 Betrieben im Kreis Segeberg und Neumünster. Das Abendblatt hat mit ihm über die großen Herausforderungen fürs Handwerk und seine Motivation gesprochen.

Die Führung des eigenen Betriebs, aktiver Feuerwehrmann, Lions-Mitglied und jetzt auch noch Kreishandwerksmeister – warum tun Sie sich so viele Aufgaben an?

Lars Krückmann: Meine Leidenschaft ist das Netzwerken. Ich habe großen Spaß daran zu gestalten und Menschen zu treffen. Dabei kann ich helfen und Neues bewegen. Das erfüllt mich!

Vor welchen Herausforderungen steht das Handwerk?

Fachkräftebedarf, Betriebsnachfolge und aktuell die Corona-Pandemie – das sind große Herausforderungen für unsere Betriebe. Insgesamt haben wir die Situation jetzt gut im Griff. Zu schaffen machen einigen Gewerken jedoch Materialknappheit und starke Preissteigerungen. Erfreulich ist, dass die Friseure und Kosmetiker wieder arbeiten können, wenn auch unter den strikteren Hygienebedingungen, was natürlich Zeit und Geld kostet. Im Bau- und Ausbaugewerbe hat Corona sogar für einen Aufschwung gesorgt. Die Menschen sind im Homeoffice oder im Urlaub hier geblieben und haben sich ihr Zuhause neu gestalten und renovieren lassen.

Gleichzeitig werden die Rohstoffe knapp.

Das ist richtig. Das merke ich sogar in meiner Branche. Für manche Heizkessel gibt es Wartelisten. Die Lieferschwierigkeiten betreffen viele Produkte aus Kupfer, Stahl oder Holz. Vor der Pandemie konnte ich das Material notfalls von einem Tag auf den anderen besorgen. Diese Flexibilität ist mir genommen. Heute muss ich weit im Voraus planen. Lieferzeiten von sechs bis acht Wochen sind zum Teil die Regel, wie zum Beispiel im Badmodernisierungsbereich. Noch viel härter betrifft der Mangel die Kollegen, die mit Holz arbeiten. Der riesige Bedarf in China und den USA hat zu einem deutlichen Preisanstieg geführt. Dachlatten kosten inzwischen mehr als das Fünffache, und auch hier ist das Material knapp.

Was heißt das für den Kunden und die Betriebe?

Die Auswirkungen sind für die Betriebe immens. Durch die Preissteigerungen und Materialknappheiten verteuern sich bestehende Aufträge, und Bauzeiten verlängern sich. Diese Mehrkosten können die Betriebe bei bestehenden Aufträgen, je nach Vertragsgestaltung, nicht an die Kunden weitergeben. Im Klartext heißt das, dass die seinerzeit erstellten Kalkulationen für diese Aufträge hinfällig geworden sind. Je nach Auftragslage kann dies für einzelne Unternehmen sogar existenzgefährdend sein. Hier bitte ich Auftraggeber und Auftragnehmer, aufeinander zuzugehen und gemeinsame Lösungen zu finden.

Was heißt das für Zukunft?

In der Zukunft werden sich die Unternehmen auf diese neue Situation einstellen. Zudem gehe ich davon aus, dass die Materialkosten zwar wieder sinken werden, aber nicht auf das alte Preisniveau. Auch die Abwicklung der Aufträge können im Einzelfall etwas länger dauern. Unsere Kunden werden sich wohl auf höhere Preise und gegebenenfalls längere Wartezeiten einstellen müssen. Insgesamt ist es eine knifflige Situation, die das Handwerk nicht zu verantworten hat, aber lösen wird.

Schon vor 20 Jahren hat das Handwerk geklagt, dass sich zu wenige junge Leute in den Betrieben ausbilden lassen wollen. Warum hat sich daran bis heute nichts geändert?

Es gibt sicherlich mehrere Gründe, warum wir uns diese Frage heute wie vor 20 Jahren immer wieder stellen. Vielleicht ist es das „alte“ Image, welches sich in den letzten 20 Jahren gänzlich gewandelt hat, oder die zunehmende Akademisierung. Immer mehr junge Menschen machen Abitur und wollen danach nicht ins Handwerk. Das ist für manche ein Stigma. Als leidenschaftlicher Handwerker kann ich das jedoch nicht verstehen. Als Handwerker sehe ich am Ende des Tages, was ich erschaffen habe. Ich komme mit unterschiedlichen „Charakteren“ zusammen und arbeite vorwiegend in einem familiären Umfeld. Im Handwerk zählt nicht, wo man herkommt, sondern wo man hinwill!

Was hat das Handwerk zu bieten?

Das Handwerk bietet mit mehr als 130 Ausbildungsberufen eine Vielfalt wie sonst keine andere Branche. Die Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten sind sehr gut. Der Meisterbrief ist mit dem Bachelorabschluss gleichgestellt, und auch ein duales Studium ist im Handwerk möglich.

Wie sind die Zukunftsaussichten für Handwerker?

Die Karrierechancen für unsere künftigen Fachkräfte sind besser denn je. Wir stehen beziehungsweise befinden uns in einem Generationswechsel auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite. Die Möglichkeiten, seinen Weg im Handwerk zu finden und zu gehen, waren nie besser als heute und dass mit einem auskömmlichen Einkommen.

Liegt es an der Bezahlung, dass wenige Menschen den Weg ins Handwerk finden?

Nein, das glaube ich nicht. Das Handwerk braucht sich mit seiner Vielfalt vor keiner Branche verstecken. Natürlich können wir nicht mit der Industrie mithalten, aber gut ausgebildete Handwerker verdienen deutlich mehr als so manche Akademiker. Am Geld kann es meines Erachtens nicht liegen.

Vielleicht hat es das Handwerk nicht geschafft, sein Image zu modernisieren.

Das Handwerk hat sich in den vergangenen Jahren so gewandelt und modernisiert. Der technische Fortschritt und die Digitalisierung sind im Handwerk ein laufender Prozess. Dennoch ist es uns offenbar immer noch nicht gelungen, alte Vorurteile zu widerlegen. Nehmen wir ein Beispiel aus meiner Branche: Viele Menschen denken, dass wir täglich dreckige Arbeit machen und nur mit Toiletten beschäftigt sind. Dabei ist das die Ausnahme. Heutzutage stehen uns bei den Arbeiten viele technische Hilfsmittel zur Verfügung. Schmutzig machen wir uns nur selten. Die Imagekampagne des Handwerks „Das Handwerk. Die Wirtschaftsmacht von nebenan.“ unterstützt uns, das Image des Handwerks richtig darzustellen. Auch meine Kreishandwerkerschaft geht moderne Wege, um junge Menschen für das Handwerk zu gewinnen.

Was muss das Handwerk tun, um den Nachwuchs zu gewinnen?

Zunächst ist jeder Handwerksunternehmer selbst gefordert, aktiv zu werden, indem er zum Beispiel Kontakt zu den örtlichen Schulen sucht oder auf seiner Website jungen Menschen Praktika- und Ausbildungsplätze anbietet. Er kann natürlich auch das Netzwerk seiner Innung und Kreishandwerkerschaft nutzen. Die Kreishandwerkerschaft Mittelholstein beteiligt sich vielerorts an Ausbildungsmessen, um junge Leute anzusprechen. Gemeinsam mit den Innungen bieten wir Azubi-Workshops in Schulen an, um bei der Berufswahl zu unterstützen. Hier sind wir im engen Austausch mit den Schulen. Auch müssen wir mehr in die Digitalisierung investieren, zum Beispiel in digitale Berichtshefte für die Auszubildenden. Das spricht junge Menschen an. Ich habe mir auf die Fahne geschrieben, diese Projekte umzusetzen. Denn: Nur wenn genug Nachwuchs vorhanden ist, stehen später auch genügend Fachkräfte bereit.