Norderstedt. Brachliegendes Gelände mit Bauruine am Flensburger Hagen wird trotz Umzäunung immer weiter zerstört – ein Ärgernis für Anwohner.

Eigentlich sollte auf diesem unansehnlichen Schandfleck ein Wohngebiet stehen. 50 moderne neue Einzel- und Doppelhäuser mit Solardächern hätten hier gebaut werden sollen. Doch Investor und Stadt ließen vor fünf Jahren die Pläne für ein zweites Solardorf am Flensburger Hagen in Norderstedt fallen – weil im Untergrund des Bodens zu viele Schadstoffe auf dem Gelände eines längst stillgelegten Asphaltmischwerks schlummern.

Bauruine am Flensburger Hagen ein „Schandfleck“

Die Bauruine ist offenbar auch bei Graffiti-Sprayern beliebt.
Die Bauruine ist offenbar auch bei Graffiti-Sprayern beliebt. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Und weil nun hier gar nichts mehr geschieht, hat sich die brachliegende Fläche zwischen Flensburger Hagen und dem Güterbahngleis zum beliebten Abenteuerspielplatz für Menschen mit Zerstörungsdrang entwickelt: Der mannshohe Maschendrahtzaun ist an mehreren Stellen aufgerissen und kaputt. Die Gebäude sind mit Graffiti beschmiert. Die alte Lagerhalle zerfällt zu einer Ruine, deren Einzelteile weit umher zerstreut liegen, was darauf schließen lässt, dass auch Menschenhand an dem Verfall beteiligt ist. An einer Stelle hinterm Zaun türmt sich ein großer Müllhaufen.

„Das ist viel zu gefährlich“, warnt Klaus-Otto Cordua, der hier regelmäßig mit seinem Hund spazieren geht. Der frühere Diplomingenieur, der heute in Rente ist, nennt dieses Gebiet den „Schandfleck“ von Friedrichsgabe. „Das Abbruchunternehmen ‚Wind und Wetter‘ leistet verlässliche Arbeit beim weiteren Abriss der Hallen-Ruine“, beobachtet Cordua auf seinen Spaziergängen. „Während sich das örtliche Bauamt zurücklehnt und sagt: Da brauchen wir nicht einzugreifen, schließlich ist das Betreten des Grundstücks verboten. Wer dort einen Unfall erleidet durch herumliegende Dach- oder Fassadenteile, hat selber Schuld.“

Gelände gehört nicht der Stadt, ist in Privatbesitz

In mehreren Schreiben habe Cordua die Stadtverwaltung auf dieses Problem aufmerksam gemacht. „Wie kann ein Bauamt und eine Stadtverwaltung verantworten, dass in ihrem Verwaltungsgebiet eine weithin sichtbare Bauruine völlig ungesichert herumsteht, die seit Jahren bei jedem Windstoß weiter verfällt?“, fragte er. „In der Jugendliche spielen, Wände bemalen, Feuer legen und von fallenden Fassadenteilen aus Blech oder Eternit lebensgefährlich verletzt werden könnten?“

Müll türmt sich hinter dem Zaun auf dem Grundstück.
Müll türmt sich hinter dem Zaun auf dem Grundstück. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Immerhin wurde der Zaun im Frühjahr repariert und an einigen Stellen erhöht. Doch das halte die ungebetenen Besucher nicht davon ab, diesen Abenteuerspielplatz zu betreten. Genügend Bäume und Sträucher stehen direkt am Zaun und würden als Kletterhilfen genutzt, so Anwohner Cordua. „Die Herren im Bauamt erinnern sich wohl nicht mehr, dass diese Maßnahme einen besonderen Anreiz für Jugendliche bietet, den Zaun trotzdem zu überwinden, um an ihren Abenteuerspielplatz heranzukommen.“

Die Stadtverwaltung teilt über Pressesprecher Bernd-Olaf Struppek mit, dass das Gelände nicht komplett der Stadt gehöre, sondern in Privatbesitz sei. „Generell sind die jeweiligen Eigentümerinnen und Eigentümer dafür verantwortlich, dafür zu sorgen, dass von ihrem Besitz keine Gefahr für die Öffentlichkeit ausgeht.“ Tatsächlich sind die Besitzverhältnisse kompliziert. Wie das Gebäudemanagement des Landes Schleswig-Holstein (GMSH) mitteilt, handelt es sich bei der Fläche um sechs Teilgrundstücke. Nur eines davon gehört der Stadt, zwei gehören dem Land und drei sind in privatem Besitz.

100 Tonnen belasteter Boden wurden schon abtransportiert

Die GMSH habe auf ihren Teilflächen für Ordnung gesorgt. „Einsturzgefährdete Gebäude und andere Baulichkeiten wie eine Trafostation, eine Klärgrube und nicht abgedeckte Hohlräume wurden entsprechend beseitigt. Alle einsturzgefährdeten Gebäude wurden abgerissen“, teilt die Gesellschaft mit. Des Weiteren sei der Boden saniert worden. Im Bereich der ehemaligen Trafostation war Trafoöl ausgelaufen und hatte für eine Mineralölkohlenwasserstoff-Bodenbelastung gesorgt.

100 Tonnen an belastetem Boden seien im Mai 2017 abgefahren worden. „Weitere Bodenbelastungen infolge der Nutzung durch das Asphaltwerk können nicht ausgeschlossen werden. Eine erfolgte Gefährdung des Grundwassers wurde jedoch nicht festgestellt“, teilt die GMSH mit. Sie strebe den Verkauf ihrer Flächen weiterhin an, aktuell gebe es aber keine Investorenanfragen.

Stadtsprecher Struppek betont, dass mögliche Hinweise auf eine akute Gefahrenlage direkt an die Stadtverwaltung gerichtet werden sollen. Anwohner Cordua ist damit nicht zufrieden. Er fragt sich, ob es für das verfallene Bauwerk auf dem Grundstück überhaupt eine Baugenehmigung und eine geprüfte statische Berechnung gab. Denn es bestünde nur aus Stahlrohren wie bei einem Gerüstbau, der aber nur für befristete Zeit gedacht ist.

Sanierung des Areals würde sechs Millionen Euro kosten

Für Cordua ist das ein klarer Fall für die Bauaufsicht der Stadt, auch wenn es sich um ein privates Bauwerk handele. „Die Stadt sollte mal ihre Verantwortung ernst nehmen und zwischen dem Grundbesitzer und dem Bauamt ein Gespräch initiieren, in dem überlegt wird, welche Neubauvorhaben für das Grundstück vielleicht in Frage kommen, Wohnungsbau oder Gewerbebau, um es auf dem Immobilienmarkt sinnvoll anzubieten, mindestens zu den Kosten, die eine Sanierung oder den Abbruch der Ruine ausmachen würden.“ Diesen Vorschlag habe Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder in einem Antwortschreiben sogar begrüßt, sagt Cordua. Passiert sei aber bislang nichts. Phantasie und guter Wille seien hier gefragt.

Im Juli 2016 beerdigte der Stadtentwicklungsausschuss die Baupläne für das Gelände zwischen Flensburger Hagen, Industriegleis und Ulzburger Straße. Der Boden sei dort mit umweltgefährdenden Stoffen belastet, hieß es seinerzeit in der Beschlussvorlage. Unter einer mehrere Meter dicken Bauschuttdecke schlummere Methan im Untergrund, der aus einer früheren Auskiesung des Geländes stamme, sagte der Investor damals. Eine Sanierung würde sechs Millionen Euro kosten und sich nicht rechnen. Daran hat sich bis heute nichts geändert. „Es gibt für diesen Bereich keine neuen und konkreten Pläne von möglichen Investoren“, teilt Stadtsprecher Struppek mit.