Bad Segeberg. Weil die Karl-May-Spiele in diesem Jahr nicht stattfinden können, gibt es Hörspielaufführungen im Indian Village.

Wenn das weite Rund der Kalkberg-Arena gefüllt ist, kommt genau in diesem Moment das Gänsehautgefühl auf: Die berühmte Melodie erklingt, Winnetou reitet ein, die Köpfe der Zuschauer fliegen hin und her, um den ersten Auftritt des Apachenhäuptlings zu verfolgen.

Einen ähnlicher Moment gibt es auch im Indian Village, wenn sieben Schauspieler und zwei Geräuschemacher den Wilden Westen bei einem Live-Hörspiel lebendig werden lassen: Old Shatterhand (Joshy Peters) kündigt Winnetou an, die Melodie erklingt, das Tor geht auf – und herein tritt Winnetou. Ganz unspektakulär steht der Schauspieler Sascha Hödl am hölzernen Tor und marschiert zur Bühne, wo er seinen Blutsbrüder begrüßt.

Hörspiele statt Aufführungen in der Kalkberg-Arena

Keine spektakulären Szenen auf der Bühne, aber die Zuschauer und -hörer erleben erstklassiges Kopfkino. Wenn Old Shatterhand vor den Angreifern aus dem Hintergrund warnt, drehen alle völlig automatisch ihre Köpfe und starren – ins Nichts. Da kommt niemand, aber die Bedrohung ist trotzdem greifbar. Nur mit Worten und ausgeklügelten Toneffekten erzeugen alle Beteiligten Spannung. Das ist großes Theater, dargeboten von Könnern ihres Fachs.

Patrick L. Schmitz agiert als Schauspieler und Geräuschemacher.
Patrick L. Schmitz agiert als Schauspieler und Geräuschemacher. © Frank Knittermeier | Frank Knittermeier

Während die Karl-May-Spiele wegen der Corona-Pandemie erneut pausieren müssen, erleben die Blutsbrüder im Indian Village ein Abenteuer, dass es auf einer Bühne bisher noch nicht gegeben hat. Der Segeberger Karl-May-Bühnenautor Michael Stamp hat aus dem Buch „Weihnacht“ die Geschichte „Winnetou – Das Gold der Rocky Mountains“ herausgefiltert und daraus ein Live-Hörspiel gemacht.

In der Westernkulisse des Indian Village neben der Kalkberg-Arena steht die kleine Bühne. Davor sind 600 Plastikstühle aufgebaut, von denen pro Vorstellung 300 im Stil eines Schabrettmusters belegt werden dürfen. Ein kleiner, aber sehr interessanter Ersatz für die „großen“ Karl-May-Spiele, die erst im nächsten Jahr wieder mit dem Stück „Der Ölprinz“ auf die große Bühne kommen.

Die Geräuschemacher haben besonders viel zu tun

Die sieben Schauspieler und Sprecher des Hörspiels stammen alle aus der großen Karl-May-Familie. Jeder hat schon irgendwann am Kalkberg oder anderswo einen Cowboy oder Indianer gespielt. Hier verkörpert jeder mehrere Charaktere, nur Sascha Hödl ist und bleibt während der Aufführung Winnetou.

Joshy Peters ist Old Shatterhand und gleichzeitig der Erzähler, Jogi Kaiser mimt Sam Hawkens und ist im nächsten Moment der Gangsterboss Corner oder Baron von Hiller – krassere Gegensätze gibt es kaum. Nebenbei steht er auch noch singend auf der Bühne. Melanie Böhm, Fabian Monasterios und Jan Stapelfeldt vervielfältigen sich während des Stücks.

Aber niemand muss so schuften wie Patrick L. Schmitz. Als Heinz-Egon Winzigmann parodiert er Heinz Erhardt, er ist der alte Lachner und Avaht-Niah. Und oft springt er auf die Seitenbühne, um Marc Francisco beim Geräuschemachen zu unterstützen. Mit einem alten Koffer, einer Holztröte, Bürsten und sogar einem Autoheber werden Töne erzeugt, die haargenau zum Stück passen.

140 Einspielungen müssen die beiden Geräuschemacher auf’s Stichwort abliefern. Schleichen sich die Blutsbruder durch hohes Gras, wird in eine Schüssel mit Bandsalat alter Audio- und Videokassetten gegriffen, für das Nachladen der Gewehre wird der Wagenheber effektvoll eingesetzt. 200 Toneffekte werden zusätzlich digital eingespielt. Das Know-how und die Utensilien stammen vom bekannten hessischen RadioLive-Theater.

Premiere der Winnetou-Hörspiele ist am 1. Juli

Marc Francisco macht passende Soundeffekte mit einem Wagenheber.
Marc Francisco macht passende Soundeffekte mit einem Wagenheber. © Frank Knittermeier | Frank Knittermeier

Die 90 Minuten mit Musik, Soundeffekten und Live-Geräuschemachern – denen übrigens bei der Arbeit zugesehen werden kann – vergehen wie im Flug. Wer sich auf das ungewöhnliche Abenteuer einlässt, erlebt selbst ein kleines Abenteuer.

Auf der Bühne wird erzählt, getanzt, gesungen, gelacht und in Maßen geschauspielert; es schadet aber nichts, hin und wieder die Augen zu schließen und sich ganz dem akustischen Geschehen hinzugeben. Das ist eine wie kleine Zeitreise in die Zeiten ohne Fernsehen, als die Hörspiele noch zu den abendlichen Highlights gehörten.

Premiere ist am morgigen Donnerstag, 1. Juli, 19 Uhr. Bis zum 18. Juli finden weitere Vorstellungen jeweils donnerstags bis sonnabends um 15 und 19 Uhr statt. Danach sind weitere Aufführungen in unregelmäßigen Abständen geplant. Alle Daten werden auf der Website der Karl-May-Spiele (www.karl-may-spiele) veröffentlicht. Über diese Adresse können auch die Tickets zum Preis von 30 Euro gebucht werden. Jeweils zwei Gäste können zusammensitzen, daneben bleiben jeweils zwei Plätze frei.