Norderstedt. Stromnetzbetreiber informiert: Im Luftraum über Norderstedt könnte es bis zum 21. Mai phasenweise lauter werden.

Wer sich in den kommenden Tagen wundert, dass ein blauer Hubschrauber mit einer großen Kamera seine Kreise am Himmel über Norderstedt zieht, der muss nicht fürchten, unberechtigterweise fotografiert zu werden. Der Hubschrauber hat es auf Stromleitungen abgesehen, nicht auf Menschen oder Grundstücke.

Der Stromnetzbetreiber Schleswig-Holstein Netz (SH Netz) muss regelmäßig seine Stromleitungen von oben überprüfen. Die Vogelperspektive ist dabei sehr effektiv. Perspektivisch will der Netzbetreiber dabei das für die Menschen und auch die Tierwelt störende Hubschrauber-Geknatter abschaffen – und lieber umweltfreundlichere und deutlich leisere Großdrohnen zum Einsatz kommen lassen.

Dafür werden nun die Voraussetzungen geschaffen. Zukünftig soll eine Künstliche Intelligenz (KI) den Leitungszustand überwachen, ihr Auge soll die Kameratechnik sein. Bis die Drohnenflüge möglich sind, wird sie nun zunächst bis zum 21. Mai auf Hubschrauberflügen im ganzen Land eingesetzt, um die Kameras im Praxiseinsatz weiter zu erproben. Im vergangenen Jahr startete der Netzbetreiber dazu bereits eine erste Testflugreihe, die nun fortgesetzt wird. Für den Herbst 2021 planen Siemens Energy und SH Netz erste Testflüge mit einer Großdrohne im deutschen Luftraum.

Blitzeinschläge und Vogelnester werden erkannt

Jedes Jahr fliegen die Freileitungsexperten von SH Netz derzeit mehrere Hundert Kilometer ihrer Hochspannungsleitungen in Schleswig-Holstein mit dem Hubschrauber ab. Die Techniker können von oben auf die Masten und Leitungen sehen und in kürzester Zeit weite Strecken sichten. Flurschäden in der Natur durch Kranaufbauten werden vermieden. Neben dem Piloten sind zwei Leitungsexperten von SH Netz bei jedem Kontrollflug mit dabei. Ihr geschultes Auge erfasst, ob sich Vogelnester in den Masten befinden oder ein Leitungsstück beispielsweise durch Blitzeinschläge beschädigt wurde. Genau diese Aufgaben soll in Zukunft die Kameratechnik gepaart mit Künstlicher Intelligenz (KI) übernehmen.

Die Herausforderung liegt dabei besonders im Anlernen der KI: Was ist eine Abweichung von der Norm, was gegebenenfalls nur eine andere Bauart? Mehrere Hundert Variablen müssen demnach in das Erkennungssystem eingespeist und als Sollzustand definiert werden. Dies ist ein Prozess, in dem die KI durch manuelle Qualitätschecks kontinuierlich verbessert wird.

Um die neue Technik an Großdrohnen zu hängen, die automatisiert und GPS-gesteuert die Leitungen abfliegen, reicht der Gesetzesrahmen noch nicht aus. Bis dahin kommt weiter der Hubschrauber zum Einsatz.

„Der Einsatz einer Drohne und einer Künstlichen Intelligenz zur Leitungskontrolle ist ein weiterer großer Schritt Richtung Digitalisierungsoffensive“, sagt Steffen Kupke, Projektleiter bei SH Netz. „Diese Innovation hilft uns dabei, unsere Instandhaltungsmaßnahmen effektiver, bedarfsgerechter und effizienter zu gestalten. Und unsere Kunden freuen sich über eine erhöhte Versorgungssicherheit sowie einen Beitrag zum Tier- und Umweltschutz.“

Die Routen für die in den nächsten Tagen geplante Befliegung der Hochspannungsleitungen werden erst kurzfristig ausgewählt. Insgesamt sollen rund 532 Freileitungskilometer in den Kreisen Segeberg, Dithmarschen, Nordfriesland, Pinneberg, Rendsburg-Eckernförde, Schleswig-Flensburg und Steinburg beflogen werden.