Norderstedt. Bis Sommer 2023 sollen neue Strukturen für bürgerschaftliches Ehrenamt geschaffen werden. Ehrenamtsbeauftragter sucht Mitstreiter.
Die Mail kam ganz leise. Ohne ein Geräusch, das sie ankündigte. Plötzlich war sie einfach im Postfach. Um 14.17 Uhr. Jené Halabi saß gerade an seinem Schreibtisch in Zimmer 368 des Rathauses und telefonierte. Mehr zufällig fiel sein Blick dabei auf seinen Bildschirm und das Mailfach – und auf die ungeöffnete Nachricht. Eine Nachricht, auf die er wochenlang gewartet hat, auf die er monatelang hingearbeitet hat. Die Nachricht, ob Norderstedts Bewerbung als „Engagierte Stadt“ erfolgreich war. Ob die Stadt Teil eines bundesweiten Programms wird und beim Ausbau nachhaltiger Strukturen und Netzwerke für bürgerliches Engagement unterstützt wird.
Die Bewerbung war eine der ersten Amtshandlungen von Jené Halabi, dem neuen Ehrenamtsbeauftragten der Stadt Norderstedt. Erst im Dezember 2020 hatte er die neu geschaffene Stelle angetreten – fünf Monaten später hat er es bereits geschafft, dass Norderstedt als einer von 29 neuen Regionalpartnern in das Bundesprogramm aufgenommen wird. „Die Freude war überwältigend“, sagt Jené Halabi, der bis zuletzt selbst nicht wusste, wann die Entscheidung fällt. „Es hieß lediglich: in der ersten Maiwoche“, so der 39-Jährige. „Doch wenn man auf etwas wartet, kann so eine Woche ganz schön lang sein.“
Das Warten hat jetzt ein Ende, die Arbeit beginnt jedoch erst. Das Ziel: Bis Sommer 2023 sollen vor Ort gute Rahmenbedingungen für bürgerschaftliches Engagement und Beteiligung geschaffen werden. „Dadurch entwickeln sich solidarische Gemeinschaften, arbeiten Menschen und Organisationen aus verschiedenen Bereichen des städtischen Lebens zusammen und nicht nebeneinanderher. Gemeinsam werden Lösungen für die Herausforderungen vor Ort gefunden“, so die Leitidee des bundesweiten Programmes, das 2015 gestartet ist und unter anderem vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und weiteren Stiftungen finanziert wird. Gefördert werden keine bestimmten Programme oder Organisationen, sondern lokale Kooperationen unterschiedlicher Akteure.
43 Prozent der Norddeutschen engagieren sich ehrenamtlich
Schon jetzt ist das Engagement in Norderstedt groß, so Halabi. Nach Angaben des Sozialministeriums engagieren sich 43 Prozent der Schleswig-Holsteiner ehrenamtlich – bundesweit liegt die Quote etwa bei 39,7 Prozent. Die Zahl der Ehrenamtlichen nimmt seit Jahren zu. 1999 engagierten sich laut Freiwilligensurvey nur 30 Prozent der Personen ab 14 Jahren. „Die Entwicklung ist großartig und zeigt aber auch, wie wichtig es ist, gute Strukturen zu schaffen“, so Halabi. Eine Sache ist ihm ganz wichtig: „Auch wenn wir als Engagierte Stadt in den nächsten Monaten Strukturen für bürgerschaftliches Engagement in der Stadt schaffen werden – ist dieses in erster Linie Mittel zum Zweck“, so die Ansage. Das heißt: „Das Netzwerk soll nicht nur dazu dienen, gemeinsam ins Gespräch zu kommen – sondern gemeinsam Aktionen zu planen und durchzuführen.“
Einfach nur reden, das wäre dem Ehrenamtsbeauftragten zu wenig. Schließlich engagiert sich der ehemalige Schulsozialarbeiter seit Jahren selbst ehrenamtlich. Daher weiß er aus eigener Erfahrung, wie wichtig der Austausch und die Zusammenarbeit mit anderen ist. „Ich war schon immer ein guter Netzwerker und habe lieber über den Tellerrand geschaut, als nur mein eigenes Süppchen zu kochen“, sagt Jené Halabi.
Städteübergreifende Partnerschaften
Er hat unter anderem Hamburgs erstes Kicker-Turnier (Hakitu) initiiert und 2019 den Rekord für das größte Schulkicker-Turnier der Welt aufgestellt. Seit 2016 gibt es auch die Norderstedter Version der Kickerturniere: Nokitu. „Ich finde gerade die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen so spannend, weil man so ehrliches und positives Feedback bekommt“, so Halabi, der als Jugendlicher selbst viel in Jugendeinrichtungen war.
Die Auswahl als „Engagierte Stadt“ ist für ihn ein „Hauptgewinn“ – auch wenn damit keine finanzielle Unterstützung verbunden ist. „Uns geht es nicht um Zuschüsse, sondern um die Zusammenarbeit von Menschen aus verschiedenen Bereichen, die das Engagement in Norderstedt vorantreiben wollen sowie die Zusammenarbeit mit anderen Städten, von deren Wissen wir profitieren können“, so Halabi Denn die dritte Phase des bundesweiten Programms, die noch bis Juni 2023 läuft, steht ganz im Zeichen von städteübergreifenden Partnerschaften. „Das heißt, man lernt von und miteinander und wird bei der Arbeit vor Ort von professionellen Prozessberatern unterstützt“, sagt Halabi, der es kaum erwarten kann loszulegen.
Steuerungsgruppe wird sich einmal im Monat treffen
In den vergangenen Monaten hat er bereits Mitglieder für die sogenannte Steuerungsgruppe zusammengetrommelt, die sich künftig einmal im Monat trifft, um Norderstedt als „Engagierte Stadt“ voranzubringen. „Unsere Aufgabe ist es, Strukturen zu schaffen, damit sich jeder Mensch ehrenamtlich betätigen kann – auch wenn es zum Beispiel nur einmal im Jahr ist“, sagt Halabi. Die Steuerungsgruppe setzt sich aus drei Einrichtungen der Stadt, drei freien Trägern, einem Vertreter der Wirtschaft – und Bürgern zusammen. „Jeder hat das gleiche Stimmrecht!“, betont Halabi. Zu den Teilnehmern gehören das Netzwerk Norderstedt (NeNo), das Deutsche Rote Kreuzt, die Inklusionsagentur der Lebenshilfe, Norderstedt Marketing, die Stabsstelle Chancengleichheit und Vielfalt, die Gleichstellungsstelle sowie die Stabsstelle Ehrenamt. Die Bürgervertreter werden derzeit noch gesucht.
Geplant ist, dass es zwei bis drei Bürgersprecher beziehungsweise -sprecherinnen geben wird, die im Vorfeld von anderen Bürgern gewählt werden. „Daher rufen wir alle Interessierten auf, sich bei uns zu melden. Wir sorgen für die entsprechende Struktur und organisieren die Wahl der Bürgersprecher“, so Halabi. Gesucht werden Menschen, die für das Ehrenamt brennen und bereit sind, sich einmal im Monat (dritter Dienstag im Monat von 17 bis 19 Uhr) mit der Steuerungsgruppe zu treffen, um Norderstedt als „Engagierte Stadt“ voranzubringen. Interessenten können sich bei Jené Halabi per Mail melden: ehrenamt@norderstedt.de.
Das Abendblatt begleitet Norderstedt auf dem Weg zur „Engagierten Stadt“ und wird regelmäßig über den Prozess berichten und Ehrenamtliche vorstellen.