Norderstedt. SPD fordert Neubau in Friedrichsgabe, der Lehrschwimmbecken und Stadtbücherei vereinen soll. Populismus, kritisiert die CDU.
Von Nägeln, die endlich Köpfe brauchen, spricht die Norderstedter SPD-Chefin Katrin Fedrowitz. Und von einem Stadtteil, der gefühlt jetzt einfach mal dran ist, wenn es um identitätsstiftende Treffpunkte für die Bürgerinnen und Bürger geht: Friedrichsgabe. Passend zu den Feierlichkeiten rund um das 200-jährige Bestehen der ehemaligen Armenkolonie im Norden der jungen Stadt Norderstedt haben Fedrowitz und ihre SPD nun ein dickes Geburtstagspaket geschnürt: An der Pestalozzistraße soll eine moderne Begegnungsstätte entstehen, ein Treffpunkt für alle Bürgerinnen und Bürger und gleichsam ein Ort für Schwimmsport und Kultur. Denn der Neubau soll das aufnehmen, was derzeit seit Jahrzehnten an der Pestalozzistraße steht: Das Lehrschwimmbecken und auch die Räumlichkeiten der Stadtbüchereifiliale.
„Als SPD favorisieren wir im Sinne einer nachhaltigen und standortgerechten Planung einen Neubau des Schwimmbades und der Stadtteilbücherei in einem gesamtheitlichen Konzept, um den Stadtteil zu beleben und für die Menschen als dezentralen und attraktiven Serviceanlaufpunkt und Begegnungsstätte auszubauen“, sagt Fedrowitz. Damit machen die Sozialdemokraten ein politisches Fass auf, das zuletzt 2013 nach etlichen politischen Kontroversen in der Stadtvertretung nur mit Mühe geschlossen wurde.
Damals stand die mögliche Schließung des sanierungsbedürftigen Lehrschwimmbeckens im Raum. Wogegen die Bürger aus Friedrichsgabe auf die Barrikaden gingen, mit Unterschriftensammlungen und Protesten in den politischen Gremien. Schließlich gelang es einer Mehrheit aus SPD, Die Linke, den Grünen und der WiN, den Erhalt des Beckens zu beschließen.
Was aber auch dazu führte, dass die Stadt das betagte Bad mit all seinen baulichen und technischen Mängeln als laufenden Kostenfaktor in den Büchern stehen hat. Allein zwischen 2015 und 2018, so zeigt es eine Übersicht des Amtes für Gebäudewirtschaft von 2015, hätten im Lehrschwimmbecken notwendige Sanierungsarbeiten mit einem Kostenvolumen von über 726.000 Euro angestanden. Schadhafte Fliesen, undichte Fenster, Türen und Decken, abgängige Toiletten, veraltete und marode Heizungs- und Schwimmbadtechnik. Zuletzt, 2020, war auch noch ein gefährlicher Legionellenbefall in den Wasserleitungen hinzugekommen. Was genau an Sanierungen im Laufe der Jahre tatsächlich umgesetzt wurde, ist Fedrowitz nicht bekannt. „Ich weiß aber, dass die Umkleiden derzeit immer noch nicht gut sind. Es wird eben immer weiter rumgekleckert mit der Sanierung und an die 200.000 bis 300.000 Euro wurden sicherlich investiert.“
Für Vereine und Verbände ist das Becken unverzichtbar
An der Alternativlosigkeit des Bades für den Standort habe sich hingegen nichts verändert, sagt Fedrowitz. Noch nicht mal mehr die CDU – in früheren Jahren ein Verfechter für die Schließung des Bades – würde sich heute noch trauen, Friedrichsgabe das Schwimmbecken wegzunehmen, glaubt Fedrowitz. Nach wie vor sei das Becken unerlässlich für die Schwimmausbildung der Kleinen, für Vereine und Verbände und deren Schwimm- oder Wassergymnastikangebote und für Schwimmzeiten für muslimische Frauen. „Das Bad ist ein wichtiger Standortfaktor für die Grundschule Friedrichsgabe, die einen hohen Migrantenanteil hat. Das darf man denen nicht wegnehmen“, sagt Fedrowitz. „Außerdem sind die Fahrtwege für die Friedrichsgaber Schüler bis ins Arriba im Süden nun wirklich zu lang.“ Kaum ein Steinwurf hingegen trennt das Lehrschwimmbecken und die Filiale der Stadtbücherei. „Auch diese Räume sind veraltet. Deswegen streben wir an, einen Neubau zu schaffen, eine offene Überplanung der gesamten Flächen an der Pestalozzistraße“, sagt die SPD-Chefin. Bei „rappelvollen“ Bürgerveranstaltungen hätten die Friedrichsgaber Bürgerinnen und Bürger klargemacht, wie wichtig ihnen die Angebote an der Pestalozzistraße sind. „Man identifiziert sich in diesem Stadtteil sehr mit diesem gefühlten Zentrum.“
Der Neubau sei keine Idee der SPD, moniert die CDU
Entsprechend habe die SPD nun in den Hauptausschuss der Stadtvertretung einen Antrag eingebracht. Darin wird die Stadtverwaltung aufgefordert, erste Projektüberlegungen zu ergreifen und das Vorhaben zu konzeptionieren. Was das neue Begegnungszentrum kosten könnte und ob sich die Stadt das leisten kann, steht also noch in den Sternen. Doch wie Fedrowitz sagt, gibt es im Rathaus schon seit einigen Jahren Überlegungen und auch erste Konzepte für ein derartiges Zentrum. „Das ist bisher nur noch nicht in den öffentlichen Ausschüssen aufgetaucht als Thema“, sagt Fedrowitz. „Mit dem Antrag machen wir das jetzt mal offiziell, und dann kann die Planung losgehen.“ Vorbehaltlich der Zustimmung durch die anderen Parteien der Stadtvertretung, versteht sich. Doch wird sich wirklich jemand finden, der einem Stadtteil zum 200. Geburtstag ein so schönes Geschenk verwehren will?
„Wir haben uns ja nie gegen die Existenz und Notwendigkeit des Beckens in Friedrichsgabe ausgesprochen“, sagt Peter Holle, Fraktionsvorsitzender der CDU. „Aber wir halten den sehr teuren Hubboden in dem Becken für unnötig.“ Dieser Boden, mit dem sich die Wassertiefe beliebig verändern lässt, ist einerseits das Alleinstellungsmerkmal des Friedrichsgaber Beckens und andererseits seine technische Achillesferse. Über den Antrag der SPD wundert sich Holle. „Der Antrag ist Populismus. Das ist ja eine Planung, die schon vor der Amtszeit von Oberbürgermeisterin Roeder bestand und eben keine originäre Idee der SPD ist.“ Der ehemalige Bauamtsleiter Thomas Bosse habe die Pläne für eine Neubebauung in mehreren nichtöffentlichen Ausschüssen präsentiert. „Bisher besteht noch keine Klarheit über die Höhe der Bebauung und was schließlich alles einziehen soll – das Lehrschwimmbecken, die Bücherei, eine Begegnungsstätte und Wohnbebauung.“ Die CDU ist der Auffassung, dass das Thema nichts im Hauptausschuss zu suchen hat. „Wir werden das an den Stadtentwicklungsausschuss verweisen“, sagt Holle.
Klingt so, als müsste Friedrichsgabe noch ein paar Jahre älter als 200 Jahre werden, ehe aus dem Neubau was werden könnte.