Norderstedt. Kai Hädicke-Schories, der über 20 Jahre das Unfallgeschehen in der Stadt analysierte und beruhigte, geht in den Ruhestand.
Geboren und aufgewachsen ist er mitten in Lübeck. Aber längst ist Kai Hädicke-Schories in Norderstedt heimisch geworden. „Ich fühle mich hier pudelwohl“, sagt er. „Es ist richtig schön hier. Ich kann mir gar nicht vorstellen, aus Norderstedt irgendwann mal wieder wegzuziehen.“ Im Mai geht der 63 Jahre alte Polizei-Oberkommissar nach 47 Jahren Dienstzeit bei der Landespolizei in den Ruhestand. Zwei Jahrzehnte lang war er der oberste Verkehrswächter der Stadt Norderstedt.
Durch seine akribischen Unfall-Analysen von wohl 30.000 Verkehrsunfällen in diesem Zeitraum sind zahlreiche Straßen und Kreuzungen sicherer geworden. Kai Hädicke-Schories hat mit seiner Arbeit und seinen Vorschlägen maßgeblich dazu beigetragen, dass einstige Unfallschwerpunkte entschärft werden konnten.
Dabei hatte Hädicke-Schories anfangs nichts mit Straßenverkehr am Hut: Seine Polizeikarriere begann er anno 1974 als junger Grenzpolizist an der innerdeutschen Grenze bei Lübeck. Im April 1982 wurde Hädicke-Schories nach Norderstedt versetzt – 24 Jahre war er da alt. „Da war hier noch alles grüne Wiese. Es wirkte sehr provinziell auf mich. Links und rechts der Ulzburger Straße grasten auf den Feldern noch Kühe“, erinnert er sich. Die AKN fuhr noch mit ihren Triebwagen bis zum Herold-Center.
Von einer pulsierenden Stadt mit heute mehr als 80.000 Einwohnern, der größten Kommune in der Metropolregion Hamburg, war Norderstedt damals weit entfernt. Der U-Bahn-Anschluss bis Norderstedt-Mitte kam auch erst 1996, erinnert sich der 63-Jährige. „Damals wäre ein Verkehrsunfall mit Kühen sehr realistisch gewesen“, sagt Hädicke-Schories und muss selbst schmunzeln über die rasante Entwicklung der inzwischen fünftgrößten Stadt des Landes Schleswig-Holstein.
Oft kam es hier zu schweren Unfällen, zum Teil mit tödlichen Folgen. Die Fahrzeuge verfügten nicht über die heutigen Sicherheitsstandards mit Airbags und straffer Karosserie und den elektronischen Abstands- und Bremshilfen. Die Ecke Stettiner Straße/Friedrichsgaber Weg hatte den zweifelhaften Ruf, als „Fahrrad-Friedhof“ zu gelten, weil es dort so oft zu Unfällen zwischen Auto- und Zweiradfahrern gekommen war, erinnert sich Hädicke-Schories. Auch an der Poppenbütteler Straße krachte es häufig, weiß er noch von seiner Anfangszeit im Polizeistreifendienst. Da sei es aber eher um Trunkenheitsfahrten, Führerscheinkontrollen, Diebstahl, Einbruch und Kleinkriminelle gegangen. Für Verkehrssicherheitsfragen war Hädicke-Schories am Anfang nämlich noch nicht zuständig.
Das änderte sich erst mit dem großen Schau- und Aktionstag der Landespolizei, der im September 2000 gut 30.000 Besucher und Schaulustige nach Norderstedt-Mitte lockte. Kai Hädicke-Schories durfte dieses Spektakel organisieren, das mit einer Motorradstaffel, Artisten in Uniform und Prominenten wie dem „Stahlnetz“-Regisseur Jürgen Roland und „Großstadtrevier“-Star Jan Fedder überregionale Aufmerksamkeit erreichte. „Ich war dafür ein Jahr lang freigestellt“, sagt er. Rund ums Rathaus reihten sich Dutzende Aussteller, Info-Stände und Mitmachaktionen auf zwei Hektar Fläche. Es gab Crash-Tests, Hubschrauber-Rundflüge, und Wasserwerfer kamen zum (friedlichen) Einsatz. Innenminister Klaus Buß hatte die Schirmherrschaft. Sogar Polizeikollegen aus Paris und Mailand waren angereist. Der Aktionstag war ein voller Erfolg, auch für Hädicke-Schories persönlich. Denn nun übernahm er die polizeiliche Verkehrssicherheitsarbeit für das Stadtgebiet.
Dazu registrierte er nicht nur das Unfallgeschehen. Er entwickelte ein Farb-Diagramm mit bunten Stecknadeln, die auf der Karte die Häufigkeit und Ursache der Unfälle markierten. Rot stand für Vorfahrtsmissachtung, gelb für falsches Abbiegen, orange für Auffahr- und grün für Fahrunfälle. Wenn es mehr als sechsmal im Jahr an einer Stelle Unfälle mit verletzten Personen gab, wurde die Kreuzung als Unfallschwerpunkt eingeordnet, der dringend entschärft werden musste.
Und dabei ist dem Verkehrsexperten im Laufe der zwei Jahrzehnte einiges gelungen. Der von ihm befürwortete Kreisverkehr am Buchenweg/Friedrichsgaber Weg sorgt seit 15 Jahren für Entspannung. Es gibt dort praktisch keine Unfälle mehr. Die Mega-Kreuzung Ulzburger Straße/Schleswig-Holstein/Kohtla-Järve-Straße ganz im Norden der Stadt konnte durch eine andere Ampelschaltung, die das Linksabbiegen ohne Gegenverkehr ermöglichte, beruhigt werden.
Manchmal mussten feste Blitzer installiert werden, um das Tempo der Fahrzeuge zu reduzieren, wie an der Flughafen-Tangente (Zeppelinstraße) oder hinter dem Ochsenzoll-Tunnel auf der Schleswig-Holstein-Straße.
An der Ecke Waldstraße/Ulzburger Straße konnte Hädicke-Schories dazu beitragen, dass dort mit einer Ampel ein jahrelanger Unfallschwerpunkt beseitigt wurde. Denn nun müssen Autofahrer und Radfahrer jeweils aufeinander warten und achtgeben, die sich zuvor allzu oft übersahen, wenn der Autofahrer von der Waldstraße nach rechts abbog und der Radfahrer aber für den Autofahrer unerwartet von rechts, von der falschen Seite kam.
Viele kennen den Polizisten auch als Schauspieler
Dabei half ihm, dass in Verwaltung und Politik Leute in verantwortlicher Position saßen, die er mit seinen Analysen und Argumenten von seinen Vorschlägen meist überzeugen konnte, sagt Hädicke-Schories. „Vom ersten Tag an bin ich hier in Norderstedt immer auf offene Ohren gestoßen.“ So habe man mit vereinten Kräften im Laufe der Zeit die Verkehrsprobleme immer besser in den Griff gekriegt.
Doch nun ist es bald vorbei für ihn mit dieser Aufgabe. „Ich habe immer Spaß an meinem Beruf gehabt. Er wird mir fehlen – auf jeden Fall“, bekennt Hädicke-Schories schon jetzt. An Freizeitaktivitäten mangelt es ihm aber nicht. Er ist seit zehn Jahren im Vorstand des Tennisclubs Garstedt und inzwischen dessen Erster Vorsitzender und seit mehr als 20 Jahren Geschäftsführer des Vereins Norderstedter Verkehrswacht, der Schüler für aufmerksames Radfahren und Autofahrer für unfallfreies Fahren belohnt.
Und Hädicke-Schories macht gerne Theater. So hat er vor einigen Jahren den Direktor im Kulturzirkus und den Postboten im Musical „Das weiße Rössl“ gegeben. „Wenn wieder mal ein Musical in Norderstedt aufgeführt werden sollte, wäre ich sofort dabei“, sagt der scheidende Polizei-Oberkommissar.
Aber so ganz ohne Polizei wird sein Ruhestand noch nicht sein. Seit dem Tag der Landespolizei vor mehr als 20 Jahren ist Hädicke-Schories in der Organisation der International Police Association (IPA) engagiert, der 360.000 Polizeibeamte aus aller Welt angehören und deren Landesvorsitzender er ist.
Da tauschen sich die Polizeibeamten untereinander aus, beraten und informieren sich über neue ermittlungstaktische Vorgehensweisen wie zum Beispiel Profiling und Präventionsarbeit. „Das mache ich weiter“, sagt Kai Hädicke-Schories.
Privat lebt er mit seiner seiner Lebensgefährtin auf einem kleinen Bauernhof mit Schafen und Hühnern. Hädicke-Schories: „Der gesellige Teil kommt da auch nicht zu kurz.“