Norderstedt. Der ADFC hat seine Mitglieder zum Fahrrad-Klima 2020 in ihrer Stadt befragt. Norderstedt bekam die Note 3,6.
Wenn es ums Radfahren geht, ist Norderstedt neben Kiel der Leuchtturm im Norden. So jedenfalls bewertet Joachim Brunkhorst die Ergebnisse des ADFC-Fahrrad-Klimatests. „Das bedeutet aber nicht, dass es nicht noch besser geht“, sagt der Radverkehrsbeauftragte des Kreises Segeberg, der durchaus Luft nach oben sieht und sich darin einig ist mit der Ortsgruppe des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs.
Jedes Jahr fragt der Club bei den Radlern in den Städten und Gemeinden Deutschlands nach dem „Fahrrad-Klima“. 230.000 haben sich dieses Jahr vom Sattel geschwungen und geantwortet, 60.000 mehr als 2018. Sie haben 1024 Städte und Gemeinden bewertet (2018: 683) Fazit für Deutschland: Die Fahrradfreundlichkeit liegt, wie 2018, bei 3,9. Unverändert ausreichend. Den Radlern im Land fehlt es an Spaß und Sicherheitsgefühl im Verkehr, es mangelt ihnen an Breite und Oberflächenbeschaffenheit bei den Radwegen und sie sehen sich laufend im Konflikt mit den Autofahrerinnen und -fahrern.
Infrastruktur ist gut, doch es gibt viele Konflikte mit Autos
Die gute Nachricht: Norderstedt steht besser da als der Durchschnitt der deutschen Kommunen. Für die selbst ernannte Fahrradstadt sprang in der Kategorie der Städte zwischen 50.000 und 100.000 Einwohnern unter 110 Teilnehmern Platz 15 mit einer Gesamtnote von 3,6 heraus. Immerhin – eine Verbesserung zu 2018 als es noch Platz 17 und Note 3,7 waren. Kiel, die Landeshauptstadt schaffte es mit einer Note von 3,54 sogar auf Platz vier unter den Städten mit 200.000 bis 500.000 Einwohnern.
Und was genau wurde bewertet? Eine 2,5 vergaben Norderstedts Radler für die Infrastruktur und das Radverkehrsnetz. Dort wurde gefragt, ob man seine Ziele zügig und direkt erreichen kann oder ob Einbahnstraßen in Gegenrichtung für den Radverkehr freigegeben sind. Gepunktet hat die Stadt hier auch mit dem Leihrad-System Nextbike.
Als besonders negativ kritisieren die Radler, dass die Stadt zu wenig kontrolliert, wenn Autos auf Radwegen abgestellt werden. Die Ampeln seien schlecht für den Radverkehr geschaltet, und auch Konflikte mit den Autos machen den Radfahrern in Norderstedt zu schaffen. Mit 4,4 und 4,6 gab es in beiden Kategorien überdurchschnittlich schlechte Noten für Norderstedt. Als der „Meilenstein“ entlang der Ulzburger Straße eingeweiht wurde, sahen sich die Radlerinnen und Radler gezwungen, zwischen Langenharmer und Glashütter Weg auf die Straße zu fahren. Viele widersetzten sich aus Angst vor den Fahrzeugen, die sich dicht an ihnen vorbei drängten. „Inzwischen scheinen sich beide Seiten an die Vorschrift gewöhnt zu haben“, sagt Joachim Brunkhorst. Er fordert mehr Selbstbewusstsein von den Radlern auf der Straße. Sie sollen ausreichend Abstand zum Bordstein halten, schon, um nicht immer über Sieldeckel rumpeln zu müssen. Die Autofahrer wären so gezwungen, die gesetzlich vorgeschriebenen 1,50 Meter Abstand zu halten und sie müssten zum Überholen auf die Gegenfahrbahn ausweichen. „Wir werden auf das Abstandsgebot demnächst mit Plakaten in der Stadt hinweisen“, sagt Brunkhorst.
Was muss sonst noch besser werden? Insgesamt sieht Brunkhorst nur die „Politik der kleinen Schritte“ in Norderstedt. Die Stadt mit ihren vier Ortszentren und den schmalen Straßen habe nicht die Möglichkeiten großer Städte, breite Radfahrautobahnen anzulegen oder den Radverkehr von Auto- und Lastwagenverkehr zu trennen.
Die Veloroute 1 entlang der Bahn biete eine gute Alternative zum Auto. „Noch mehr Tempo wäre möglich, wenn die Radler an der Heidbergstraße und am Buchenweg Vorfahrt hätten und die Autos warten müssten“, sagt Brunkhorst – eine Forderung, die der ADFC Norderstedt teilt. Tempo 20 beispielsweise auf der Rathausallee oder auf dem südlichen Teil der Ochsenzoller Straße könne dazu beitragen, dass sich mehr Radler auf die Straße trauen. Wichtig für einen attraktiven Radverkehr seien zudem geschützte Abstellmöglichkeiten. „Auch die Ladeninhaber und der Einzelhandel können ihren Teil beitragen, indem sie ausreichend Fahrradbügel installieren“, sagt der Radverkehrsbeauftragte. Vorbildlich sei da Famila an der Stormarnstraße.
ADFC fordert mehr Wille zur Verkehrswende
„Norderstedt steht nicht schlecht da, aber es geht noch besser, wenn der politische Wille für Verbesserungen vorhanden wäre“, sagt Rolf Jungbluth vom ADFC Norderstedt. Er plädiert für Flächengerechtigkeit zwischen Fußgängern, Rad- und Autofahrern. In Norderstedt habe aber noch immer das Auto Vorrang.
Noch immer halte die Stadt an Parkplätzen am Straßenrand fest und verenge dadurch den Platz für Radfahrer und Fußgänger. An der Ochsenzoller Straße stünden die Autos nach wie vor an der Straße, Fußgänger und Radfahrer gerieten auf Kollisionskurs. Die Straße sollte zur Einbahnstraße gemacht werden, mit Radstreifen auf der Fahrbahn, sagt Jungbluth. Die Pläne für den Umbau der Rathausallee böten die Chance, die Mobilitätswende weg vom Auto hin zu Rad, Bus und Bahn zu beschleunigen. Nur noch Busse und Lieferanten sollten auf die Fahrbahn dürfen, wobei die Zufahrt zu den Parkhäusern möglich bleiben müsse.
„Bettelampeln“ seien ein Hindernis. „Wenn wir von der Harckesheyde die Schleswig-Holstein-Straße überqueren wollen, müssen wir immer warten.“ Die Ampel müsse für Rad- wie für Autofahrer gleich geschaltet werden. Aufstellflächen an den Kreuzungen – auch das will der ADFC. Die Radler sollen sich vor den Autos einreihen und bei Grün als Erste starten. „Dann müssen die Autofahrer eben warten“, sagt Jungbluth.