Henstedt-Ulzburg. Nach über 35 Jahren im Dienst der Henstedt-Ulzburger Verwaltung geht der Büroleiter in den Ruhestand. Noch gibt es keinen Nachfolger.

Die Stunden von Jens Richter im Henstedt-Ulzburger Rathaus sind gezählt. Die Aktenstapel auf seinem Schreibtisch? Kaum noch zu sehen. Am 11. Februar wird offiziell der letzte Arbeitstag des büroleitenden Beamten in der Verwaltung sein, seit Jahresbeginn hat der 61-Jährige nach und nach Resturlaub und Überstunden abgebummelt. „Ich freue mich auf den Ruhestand. Die Luft ist raus“, sagt Richter, der beim Gespräch einen gelösten Eindruck macht.

Der gebürtige Kaltenkirchener hat noch nie an einem anderen Ort als der Gemeinde gelebt, nur als Soldat hatte er zeitweise eine andere Adresse – allerdings auch nicht weit entfernt bei der Luftwaffe in Pinneberg. Das war Anfang der 1980er-Jahre. Damals konnte Richter noch nicht absehen, dass er wenig später eine Laufbahn im öffentlichen Dienst beginnen würde, die über 40 Jahre umfasst – darunter mehr als 35 Jahre in Henstedt-Ulzburg. „Meine Eltern hatten ein Textilgeschäft. Ursprünglich war angedacht, dass ich dort einsteige.“ Doch in den Verkauf wollte er nicht, ihn reizte die Büroarbeit. „20 bis 30 Bewerbungen“ habe er dann geschrieben. Keineswegs nur an Verwaltungen. Denn einen Tag nach der Zusage aus dem Norderstedter Rathaus kam eine zweite – für eine Lehre zum Groß- und Außenhandelskaufmann.

Volker Schmidt war seinerzeit Bürgermeister in Norderstedt. Hier durchlief Richter den Vorbereitungsdienst für die gehobene Verwaltung. Nach drei Jahren war das geschafft. Und der junge Beamte verließ die Nachbarstadt. Denn sein alter Kumpel Jörn Mohr hatte ihm verraten, dass in Henstedt-Ulzburg eine Stelle frei werden würde. Mohr ist heute noch Chef des Bauamtes, er ist einer der engsten Weggefährten. „Jörn und ich sind in der selben Straße aufgewachsen, wir waren Spielkameraden. Auch heute noch – beim Skat.“ Der Wechsel wurde amtlich. „Ich dachte mir, es wäre schön, im Heimatort zu arbeiten. Das war damals alles wesentlich kleiner und familiärer. Das Telefonbuch war im Din-A-5-Format.“ Auch mit der Politik war das Verhältnis lockerer, da gab es schon mal ein Bier und einen Klaren nach einer Sitzung bei Scheelke. Heute läuft vieles förmlicher ab.

Volker Dornquast vertraute ihm den Rathaus-Neubau an

Die Richters sind seit Generationen verwurzelt in Henstedt-Ulzburg. „Meine Oma hatte 13 Geschwister. Und mein Urgroßvater soll einmal Bürgermeister von Ulzburg gewesen sein.“ Er ist einer der wenigen Gemeindemitarbeiter, die sämtliche Bürgermeister kennengelernt haben, der Anfang seiner Zeit im Rathaus war noch unter Heinz Glück. Dann kam 1988 Volker Dornquast. „Er war ein gestandener Mann, er war verlässlich. Und er hatte eine politische Mehrheit.“ Es war der Christdemokrat, der Richter das wichtigste Projekt anvertraute: den Rathaus-Neubau. 1992 startete dieser mit einem Architektenwettbewerb, vier Jahre später war Eröffnung.

Manchmal, gibt er zu, habe ihn das Tagesgeschäft „aufgefressen“, auch wenn er die Vielfalt des Jobs zu schätzen wusste. Denn wieder war es Dornquast, der ihn dazu brachte, sich fortzubilden. „Hätten Sie Lust?“, und zwar auf den höheren Verwaltungsdienst. Natürlich, hat Jens Richter geantwortet. Er besuchte Lehrgänge, machte ein Kolloquium, bestand die Prüfung – und erhielt 2004 den Posten als Leiter des Fachbereichs 1 (Verwaltungssteuerung und -service), war damit Büroleiter und Verwaltungsrat. Übrigens: „Die Stelle wurde damals nicht ausgeschrieben, sondern intern besetzt.“

Die Verantwortung war groß. Erst recht nach der Suspendierung von Torsten Thormählen. Von Februar 2012 bis Juli 2014 sei die „schwerste Zeit“ gewesen. Elisabeth von Bressensdorf, ehrenamtlich die stellvertretende Bürgermeisterin, führte die Verwaltung kommissarisch, bis der neu gewählte Stefan Bauer Chef im Rathaus wurde. „Auch mit Stefan Bauer kam ich gut klar“, sagt Jens Richter. Als Bauer nicht wieder antritt und Ulrike Schmidt zur neuen Bürgermeisterin gewählt wurde, war es Richters Aufgabe, sie einzuarbeiten. „Es bringt Spaß, mit ihr zusammenzuarbeiten, sie ist sympathisch.“ Schmidt wird die Stelle neu besetzen müssen. Das ist nicht einfach. Die erste Bewerbungsrunde verlief unbefriedigend, keine Person wusste ausreichend zu überzeugen. „Ich bedaure sehr, dass wir noch keinen Nachfolger haben, ich hätte gerne einen neuen Kollegen eingearbeitet“, sagt Richter. „Ich biete mich auf jeden Fall an, den Übergang zu machen. Das Feld ist bestellt.“

Jetzt will sich Richter um seine drei Enkelkinder kümmern

Demnächst wird die Position erneut ausgeschrieben. Letztlich entscheidet der Hauptausschuss auf Vorschlag der Bürgermeisterin. Das dürfte aber eher im Frühsommer der Fall sein. „Ich war sehr froh, dass Jens Richter hier war und mich unterstützt hat“, sagt Ulrike Schmidt. „Ich war auch sehr darauf angewiesen. Ich weiß seine angenehme Art zu schätzen. Wir müssen sehen, wie wir die Stelle auch in Zukunft so gut besetzen können. Ich möchte die Nachfolge nicht über das Knie brechen.“

Und Richter? Er wird ein überzeugter Henstedt-Ulzburger bleiben. „Ich hatte nie das Bedürfnis, hier herauszukommen.“ Langeweile werde nicht aufkommen. „Ich kümmere mich um meine drei Enkelkinder. Oder mache Radtouren.“ Wenn es Corona wieder erlaubt, ist er zudem Stammgast beim Fußball-Regionalligisten Eintracht Norderstedt. Auch ein ehrenamtliches Engagement in der Großgemeinde kann er sich gut vorstellen, „bei der Tafel, bei Bürger-Aktiv oder in einem Sportverein“. Dass der übliche gesellige Umtrunk nun wegfällt, stört ihn nicht. „Ich bin nicht so der Ehrungs-Typ.“ Und überhaupt: „Ich bin ja nicht aus der Welt.“