Norderstedt. Mit Bohrungen im Rantzauer Forst reagieren die Stadtwerke auch auf die Folgen des Klimawandels.

Im Rantzauer Forst ragt er in den Himmel, ein Bohrturm, der beständig lange Stahlröhren ins Erdreich unter dem Wald schraubt. Die Spaziergänger mit Hund und die Jogger wundern sich, was es mit dem Gerät direkt an der Kreuzung Pilzhagen und Waldbühnenweg auf sich hat.

„Die häufigste, teils aber nicht ernst gemeinte Frage ist, ob wir nach Öl suchen“, sagt Frank Heckmann. Tatsächlich gab es mal eine Zeit, als in Garstedt Ölsucher am Werke waren. Doch bei der Baustelle im Rantzauer Forst geht es um eine zukünftig viel wichtigere und wertvollere Ressource: Wasser.

Frank Heckmann ist der Wassermeister der Stadtwerke Norderstedt. Der Herr über ein derzeit 16 Brunnen im Stadtgebiet umfassendes System, über das die Wasserversorgung der mehr als 80.000 Einwohnerinnen und Einwohner Norderstedts gewährleistet wird. Im Rantzauer Forst bohren die Stadtwerke jetzt zwei neue Brunnen. Sie ersetzen einen 47 Jahre alten, wenig leistungsfähigen Brunnen, der verschlossen wird und erhöhen das Brunnensystem auf dann
17 Entnahmestellen.

Mit der Bohrung nach neuen Trinkwasserquellen reagieren die Stadtwerke auf den Klimawandel und seine Folgen. Hydrogeologen haben laut den Stadtwerken nach den heißen Sommern seit 2018 eine minimale Absenkung des Grundwasserspiegels unter der Stadt ermittelt. Ob das Absinken ein dauerhafter Trend ist, müssten zukünftige Beobachtungen zeigen. Die beiden neuen Brunnen seien eher Teil einer langfristigen Versorgungsstrategie der Stadtwerke und keine direkte Reaktion auf die heißen Sommer, betont Nico Schellmann, Werkleiter Netze und Technik. „Wäre der Bau neuer Brunnen eine Reaktion darauf, wären wir viel zu spät.“

Die Norderstedter Trinkwasserversorgung sei mit den drei Wasserwerken in Garstedt, Harksheide und Friedrichsgabe für viele Jahre sichergestellt. „Bei der strategischen Planung unserer Infrastrukturen denken wir in Zeithorizonten von 10, 20, 30 Jahren. Klimaveränderungen treten ja auch nicht plötzlich auf. Aber wir beobachten mögliche Veränderungen sehr genau, um uns bei Bedarf darauf vorzubereiten, nicht nur bei der Trinkwasserversorgung“, so Schellmann. Mehr Brunnen bedeuten auch mehr Flexibilität bei der Versorgung der Bürger.

Denn die brauchen immer mehr Wasser. Waren es 2017 noch 4,3 Millionen Kubikmeter im Jahr, die die Menschen in Norderstedt beanspruchten, so sind es jetzt laut den Stadtwerken schon jedes Jahr etwa 4,5 Millionen Kubikmeter Wasser, die über die 21.600 Hausanschlüsse verbraucht werden; gespeist aus einem Netz mit mehr als 300 Kilometern an Wasserleitungen.

Manche Brunnenrohre reichen 200 Meter in die Tiefe

Allzu tief muss das Gerät im Rantzauer Forst nicht ins Erdreich vordringen, um auf Wasser in guter Qualität zu stoßen. Mit etwa 40 Meter Tiefe wird der neue Brunnen zu den flacheren der 17 Brunnen in Norderstedt zählen. Die anderen reichen bis zu 200 Meter in die Tiefe.

Die Stelle im Forst wurde nach diversen Probebohrungen ausgesucht. Das Grundwasservorkommen unter der Stadt darf man sich nicht als ein riesiges Reservoir vorstellen. Vielmehr seien es punktuelle, auf Flächen begrenzte Vorkommen, die nicht alle in Qualität und Quantität für die Trinkwasserförderung in Betracht kommen. Gespeist werden die Vorkommen aus Regenwasser.

Bis dieses von der Oberfläche durch die Erdschichten bis in die Fördertiefe vordringt, können 30 bis 50 Jahre vergehen. Auf diesem Weg filtern die Erdschichten das Wasser so weit, dass es bereits genießbar ist, aber noch nicht allen Ansprüchen an das Trinkwasser genügt. Wenn das Wasser, aufbereitet in den Wasserwerken, aus den Hähnen der Bürger strömt, ist es in der Qualität weich bis mittelhart (1,42 bis 2,07 MMOL/L), mit einem PH-Wert von 7,6 neutral bis leicht alkalisch und hat eine Temperatur von 8 Grad Celsius.

„Nachdem der neue Brunnen fertiggestellt ist, nehmen wir ihn für ein Jahr in den Testbetrieb. Erst wenn die Trinkwassermenge und -qualität dann stimmt, wird der Brunnen in unser Netz eingebunden“, sagt Wassermeister Frank Heckmann. Die Förderleistung des Brunnens wird dann bei etwa 30 bis 40 Kubikmeter pro Stunde liegen.

Der alte Brunnen aus dem Jahr 1973, der ebenfalls im Forst liegt, wird dann verschlossen. Er förderte zuletzt nur noch stark eisenhaltiges Wasser zutage, das uneffizient in der Aufbereitung wurde. Damit über das ungenutzte Brunnenrohr keine störenden Elemente ins Grundwasser eingetragen werden, perforieren die Stadtwerke das Rohr mit kleinen Sprengungen und versiegen das Bohrloch danach fachgerecht.

Egal wie sich der Klimawandel in den kommenden Jahrzehnten in Norddeutschland auswirken wird – die Stadtwerke rechnen nicht mit einem dramatischen Absinken des Grundwasserspiegels. Regenwasser fließt kontinuierlich nach, auch wenn heiße Sommer für Schwankungen sorgen. Derzeit sei die Menge so groß, dass die Stadtwerke jährlich weniger entnehmen würden als nachfließe.