Norderstedt. Auch in der Corona-Krise sammelt das DRK Blut – und viele Norderstedter machen mit, unter anderem Abendblatt-Volontärin Catharina Jäckel.
Aus einer Box, die auf einem der Tische im großen Saal im Haus Kielort in Norderstedt steht, schallt die Stimme von Aretha Franklin. Monique Zandereit tänzelt zwischen zwei Liegen hin und her. „Na, schon fertig mit Leben retten?“, fragt sie. Ich wage es nicht an meinem Arm hinunter zu blicken, in dem seit genau sieben Minuten und 15 Sekunden eine dicke Nadel steckt. Noch etwas dicker als die, die man momentan fast jeden Abend in den Nachrichten in den Armen der Über-80-Jährigen verschwinden sieht. 500 Milliliter Blut sind in dieser Zeit durch die Nadel in die damit verbundene Konserve geflossen.
Etwa 100 Konserven haben die spendenwilligen Norderstedter an diesem Tag gefüllt. Laut Susanne von Rabenau, Sprecherin des Blutspendedienstes des Deutschen Roten Kreuzes für Schleswig-Holstein und Hamburg, sind die Norderstedter in der Corona-Krise sogar erstaunlich spendenwillig.
„Zu Pandemiebeginn im Frühjahr sind wir von Spendern fast überrannt worden“, sagt von Rabenau. Viele hätten die Krise zum Anlass genommen, Gutes zu tun oder hatten einfach mehr Zeit. Lag der Anteil der Erstspender in den vergangenen Jahren durchschnittlich bei etwa fünf bis sieben Prozent, kletterte er im Frühjahr 2020 auf etwa 20 Prozent.
Zwar haben im vergangenen Jahr nur 1099 Personen und damit knapp 80 Personen weniger als im Vorjahr beim Deutschen Roten Kreuz in Norderstedt Blut gespendet. Das hänge jedoch auch damit zusammen, dass Firmentermine ausgefallen sind, sagt die Sprecherin. Zudem konnte das DRK-Haus an der Ochsenzoller Straße nicht mehr genutzt werden, da die Abstandsregeln dort nicht eingehalten werden konnten. „Diese Termine finden nun alle im Haus Kielort statt“, so von Rabenau.
Das Risiko, sich dort mit dem Coronavirus zu infizieren, sei verschwindend gering. Der Ortsverein des Deutschen Roten Kreuzes und der Blutspendedienst Nord-Ost hätten dazu verschiedene Schutzmaßnahmen getroffen, erklärt von Rabenau.
Bis die Nadel im Arm steckt, gilt es, mehrere Stationen zu passieren: Bereits im Eingangsbereich muss ich vor den Augen eines Mitarbeiters meine Hände desinfizieren und bestätigen, dass ich keine Symptome einer Corona-Infektion zeige. Zur Sicherheit stehen diese in dicken Lettern auf einem etwa zwei Meter hohen Banner. Der Mitarbeiter misst anschließend meine Temperatur und drückt mir eine eingepackte FFP2-Maske in die Hand, die ich direkt aufsetze. „Diese Einlasskontrolle ist ein ganz wichtiges Werkzeug“, sagt von Rabenau. Erst danach darf ich den langen Flur betreten und mich anmelden. Es gilt das Einbahnstraßenprinzip. Dazu wurden dicke Pfeile auf den Boden geklebt.
Online-Anmeldungen ersparen den Spendern viel Wartezeit
Etwa neun Stühle stehen im Abstand von zwei Metern an der Wand. Lange warten muss ich nicht. Ich habe mich schließlich online für meinen Termin angemeldet. „Auch das ist neu“, sagt Susanne von Rabenau. „Für den ein oder anderen Spontanspender soll auch noch Platz sein, aber prinzipiell gilt, sich vorher anzumelden“, so die Sprecherin. Das sei für einige Spender gewöhnungsbedürftig, die meisten begrüßten das neue System aber, es spare schließlich Zeit. Nachdem ich den umfangreichen Fragebogen zu Vorerkrankungen, Medikamenten und (nicht) zurückgelegten Reisen ausgefüllt habe, werde ich in den nächsten Raum geschickt: Noch einmal wird meine Temperatur gemessen und mein Eisenwert bestimmt. Mein Wert liegt bei 14, „prima“. Ich muss weiterziehen zum Arztgespräch. Die Ärztin fragt mich erneut nach Corona-Symptomen und misst meinen Blutdruck: 135 zu 95 – alles in Ordnung.
Dann darf ich endlich den großen Raum mit den neun blauen Liegen betreten. Etwa die Hälfte der Liegen ist belegt, ausnahmslos alle Spender blicken entspannt an die Decke, plaudern mit den Schwestern oder wippen mit dem Kopf zur Musik – fast schon Party-Stimmung. Isabel Exposito ist bereits zum zehnten Mal hier. „Mein Vater hat mich als Jugendliche motiviert, Blut zu spenden“, sagt die 26-Jährige. Bedenken, sich dabei mit dem Coronavirus anzustecken, hat sie nicht. Auch Sven Duve fürchtet sich nicht vor einer Infektion. Der Norderstedter ist mit seiner Frau und seinen zwei Kindern angereist, alles Spender. Begleitpersonen müssen in Pandemie-Zeiten draußen warten. „Beim Blutspenden kann man ganz einfach was Gutes tun“, sagt er. Und das tut gut.
Nach dem Spenden gibt es einen Imbissbeutel
Ich jedenfalls fühle mich hier auf der Liege so nützlich wie lange nicht. Ich lasse mir den Arm verbinden und setze mich langsam auf. Am Ausgang drückt mir eine Mitarbeiterin des DRK-Ortsvereins noch eine riesige Brotdose und einen Imbissbeutel in die Hand – Kekse, Müsliriegel, Wasser und eine große Tafel Schokolade liegen darin. Vor der Pandemie gab es Brötchen, Kaffee und Getränke vor Ort. „Das vermissen viele Spender, aber alle haben Verständnis dafür“, sagt von Rabenau. Auch ich fühle mich bestens versorgt. Zufrieden verlasse ich das Haus und nehme mir fest vor, in drei Monaten – früher darf ich als Frau nicht erneut spenden – wieder zu kommen.
Für alle, die schon vorher spenden dürfen: In Norderstedt findet der nächste Termin am 15. Februar in der GrundschuleFriedrichsgabe statt. Anmeldung unter:www.drk-blutspende.de/blutspendetermine