Norderstedt. Der Norderstedter Chorleiter Martin Ziemsky will jetzt digitale Studien in Musiktheorie und Praxis anbieten.

Musik ist sein Leben. Er hat es studiert, bildet zurzeit 40 Musikschüler aus und leitet zwei Chöre. Doch die Corona-Krise hat auch das Leben und Arbeiten von Martin Ziemsky (60) in Norderstedt durcheinandergeschüttelt. Durch den Lockdown konnte er monatelang nicht mit dem Norderstedter Popchor Chorus Mind proben. 180 Stücke hat er in 20 Jahren mit diesem wohl vielseitigsten Chor Norderstedts und seinen 60 Mitgliedern einstudiert. Der gemischte Chor Bönningstedt hat sich wegen des betagten Alters seiner Sänger seit Februar nicht mehr getroffen. So blieben Ziemsky nur noch seine Musikschüler in Norderstedt und Poppenbüttel, die er zurzeit über Video und Einzelunterricht erreicht.

Doch das ist dem Multi-Musiktalent zu wenig. „Ich fühle mich wie ein Rettungsschwimmer, der nur noch mit Kindern im Planschbecken spielt“, sagt er über seine aktuelle berufliche Situation. Dabei könnte er ohne Weiteres Erwachsenen das Schwimmen beibringen und sie zur Not auch vor dem Ertrinken retten. Soll heißen: Ziemsky ist dabei, sich ein neues Standbein aufzubauen, sodass er weitgehend unabhängig von wirtschaftlichen Krisen zurechtkommen kann. „Ich sehe Corona auch als Chance für mich, etwas Neues anzufangen, und will jetzt Anfängern, Studenten und Musiklehrern das Songschreiben und Komponieren beibringen“, sagt Ziemsky.

Da gehöre neben Talent sehr viel Wissen, Handwerkszeug und Persönlichkeit dazu. Weshalb er seinen künftigen Studenten mit praxisnahen Lehrvideos und Podcasts auf YouTube und einem Online-Shop das nötige Rüstzeug in verschiedenen Stufen von Anfängern bis Könnern „Schritt für Schritt“ in Theorie und Praxis vermitteln wolle. Für die absoluten Experten werde er Meisterkurse anbieten, die dann entsprechend honoriert werden sollen.

Rund 120 Songs hat er bereits für Chorus Mind arrangiert

Ziemsky ist auf dem Konservatorium in klassischer Gitarre und Klavierspielen ausgebildet worden, hat Musik und Philosophie auf Lehramt studiert. Und er verfügt über ein Diplom in Komposition und Musiktheorie. Ziemsky beherrscht Musiktheorie aus dem Effeff, hat unter anderem einen erfolgreichen Werbe-Jingle für einen Baumarkt komponiert und gut 120 Songs seines Lieblings-Chores Chorus Mind selbst arrangiert. Ob „Life on Mars“ von David Bowie, „Aquarius“ aus dem Musical „Hair“ oder „I‘m a Train“ von Albert Hammond – in bis zu sechs Tonlagen hat er diese Evergreens für seinen Chor neu arrangiert.

Dieses Know-how will er jetzt als digitaler Komponisten- und Songschreiber-Dozent über das Internet im deutschsprachigen Raum nutzen. Dafür hat Ziemsky kräftig investiert, sich für rund 10.000 Euro einen neuen Computer mit mehreren Bildschirmen, Mikro, teurer Kamera und großen Scheinwerfern angeschafft. Erste Erklär-Videos sind fertig. Da doziert Ziemsky ganz locker vor der Kamera über die sechs Stufen des Hörens. Angefangen von der Berieselung in den Supermärkten, die er als „akustische Folter“ empfindet, über das Mitsingen und Mitklatschen im Takt und die emotionale Verbindung, die Musik bei jedem durch frühe Erfahrungen und Erinnerungen anders hervorrufe. Bis hin zu der Kunst des Heraushörens von Harmonie-Strukturen und Klangwelten, die absolute Musikkenner wie er von der Pike auf gelernt haben und beherrschen.

So werde er in seinen Studienangeboten seinen künftigen Schülern „Schritt für Schritt“ das gesamte Handwerkszeug von Rhythmus, Melodie, Harmonie und Klangfarben der Musik näherbringen. Als eine Art „Klänge-Jäger“ versteht er sich, weshalb er diesen Namen als ersten Arbeitstitel seinem Komponistenstudium für jedermann gegeben habe. Der endgültige Titel steht noch nicht fest. „Das Projekt ist noch im Werden“, sagt der Norderstedter.

Besonders wichtig ist Ziemsky dabei, dass seine Erklär-Videos, die er mit Literatur und zahlreichen Beispielen zum Mit- und Nachmachen anreichern will, auch richtig verstanden werden. Deshalb lockert er sie auf mit kleinen Anekdoten und lustigen Hinweisen aus der Musikgeschichte und dem Alltagsleben, um die Aufmerksamkeit bei seinen zukünftigen Hörern zu erhöhen. Wer schon einmal ein Konzert mit Chorus Mind erlebt hat, weiß, dass Ziemsky das kann. Wie ein erfahrener Entertainer erzählt er da dem Publikum humorvolle und immer passende Geschichten über die Stücke und ihre Zeit zwischen den einstudierten Liedern, die das Publikum unterhalten und oft sogar begeistern und zum Lachen bringen.

Denn auch die Persönlichkeit gehört für Ziemsky zum richtigen und erfolgreichen Musikmachen immer dazu. So seien Musiker wie Udo Lindenberg oder Herbert Grönemeyer, die er beide hervorragend imitieren kann, ja weniger wegen ihrer tollen Stimme so beliebt bei ihren Fans. „Es sind die Typen, ihre Texte und ihre Haltung, die die Menschen begeistert.“ Das würden die vielen Möchtegern-Popstars, die heute oft im Radio geduldet oder im Fernsehen zu Contests gezwungen werden, nicht begreifen.

Die Zielgruppe: Songschreiber Studenten und Musiklehrer

So reicht das Repertoire seines Musikstudium-Angebots von der gesamten Bandbreite der Musiktheorie – wie ein Song aufgebaut, zusammengesetzt und komponiert werden soll, welche Wechselwirkung es zwischen Musik und Text gibt, wie der Rhythmus übereinstimmt und der Sound sein sollte – bis hin zum richtigen Verständnis zu erkennen, welche Musik mit welchem Anspruch zu mir passt, umreißt Ziemsky die ganze Bandbreite seines Projekts.

Wie er seine Zielgruppe – Musikstudenten, Songschreiber, Musiklehrer – am ehesten erreichen und sein neues Geschäftsfeld am besten vermarkten kann, dafür lässt er sich zurzeit von einer Agentur in Düsseldorf eingehend beraten. Wenn das alles steht, will er loslegen. Mal sehen, wann der erste große Hit oder eine schöne Komposition demnächst unter seinen Fittichen im Netz entsteht.