Kreis Segeberg. „Vanlife“ wird immer beliebter – Neele ist nach dem Abitur mit ihrem Bus ein Jahr lang alleine durch Europa gereist.


Aufwachen mit
Blick auf das Meer
, in der Wildnis frühstücken oder es sich mit Buch und Kissen unter Bäumen gemütlich machen – und immer mit dabei: Küche, Bett sowie das gesamte Hab und Gut samt Haustier. So sieht das Leben eines
„Vanlifer“
aus. Vanlifer sind Menschen, die ihren gesamten Besitz in einem Van verstauen und
mit ihrem Gefährt durch die Welt reisen
.

Für die Vanlifer bedeutet dieses Leben Abenteuer, Nähe zur Natur, Freiheit, Unabhängigkeit, Entschleunigung und vor allem Abstand vom stressigen Alltag. Unter dem gleichnamigen Hashtag lassen sich auf Instagram mittlerweile mehr als acht Millionen Beiträge finden. Sie zeigen meist fröhliche Reisende in alten, oft schäbigen VW-Bussen, an sommerlichen Stränden, in verschneiten Berglandschaften oder in tiefen Wäldern. Kurzum: Vanlife ist so etwas wie modernes Camping. Übernachtet wird allerdings nicht auf (oft überfüllten) Campingplätzen, sondern fern von Verkehr und Zivilisation in der freien Natur.

Neele führt auch Interviews mit anderen „Vanlifern“

Den Traum vom Vanlife hat sich auch Neele erfüllt. Nach ihrem Abitur im Jahr 2018 ist die damals 19-Jährige mit ihrem Van ein Jahr lang durch Europa gereist. Während und nach ihrer Reise hat sie regelmäßig auf ihrem Instagram-Kanal this_is_vantastic Bilder gepostet und über ihre Erfahrungen geschrieben. Neele hat zudem den Podcast The VANtastic Podcast gestartet, den Interessierte unter anderem bei Spotify oder auf apple podcast hören können. Dort lädt sie regelmäßig Beiträge hoch, in denen sie über ihren Campervan, mit dem sie auf Reisen war, berichtet, Tipps gibt, wie man eine Reise im Van plant. Sie spricht über ihre weiteren Pläne als Vanliferin, unter anderem auch über die Auswirkungen von Corona auf das Reisen. Und Neele führt Interviews mit anderen jungen Leuten, die im Van gereist sind.

Doch zurück zu Neeles erster Reise: Begleitet wurde sie nur von ihrer Belgischen Schäferhündin, die vor der Reise noch eine Teilausbildung zum Schutzhund absolvierte. Mit ihr habe sie sich immer sehr sicher gefühlt, sagt Neele. „Schon vier Jahre vor meinem Abi hatte ich mich dazu entschieden, nach der Schule zu verreisen“, erzählt die heute 21-Jährige. Sie wohnt in der Region nördlich von Hamburg, ihren genauen Wohnort und ihren Nachnamen möchte sie in der Zeitung allerdings nicht preisgeben.

Anfang August 2018 machte sich Neele auf den Weg

„Viele gehen nach Australien, ich habe mir gedacht, dass ich lieber meinen eigenen Kontinent und die europäischen Kulturen kennenlernen möchte“. Daraufhin kaufte sie sich einen ausgebauten Van, den sie passend für sich und ihre Hündin herrichtete. Unter anderem installierte sie eine Außendusche mit Kaltwasser am Bus.

Neele als Surferin am Haukland Beach auf den Lofoten in Norwegen.
Neele als Surferin am Haukland Beach auf den Lofoten in Norwegen. © Privat | Privat



Anfang August 2018 ging es dann los. Nach acht Monaten in Südeuropa und einem kurzen Zwischenstopp in der Heimat ging es noch einmal für dreieinhalb Monate nach Skandinavien, im Oktober 2019 kehrte sie pünktlich zum Semesterbeginn ihres Lehramtsstudiums zurück. Für sie sei unterwegs vor allem das Gefühl von Freiheit ausschlaggebend gewesen: „Der Van ist Küche, Unterkunft und Auto in einem. Wenn es dir irgendwo nicht gefällt, dann fährst du halt weiter zum nächsten Ort“, sagt sie. Das Reizvolle sei das minimalistische Leben und demzufolge der Umgang mit Eigentum gewesen: „Man lebt mehr im Hier und Jetzt, und man geht bewusster mit den Ressourcen um“, erzählt sie.

Das Vanlife ist nicht immer nur Romantik

Insgesamt bereiste sie mit ihrem Van 17 Länder, sie legte rund 27.000 Kilometer zurück. Dabei hat sie viel erlebt: „In Nordspanien hämmerte plötzlich jemand um Mitternacht an meine Wagentür. Ich saß ganz still in meinem Van und habe mich zunächst gar nicht getraut, die Tür zu öffnen“, erinnert sie sich. Mit der Hündin an ihrer Seite habe sie dann aber schließlich doch die Tür aufgeschlossen – davor standen Polizisten, die offensichtlich auf der Suche nach einem Flüchtigen waren.

Neele und ihre Hündin am Farol da Ponta da Piedade in Lagos, Portugal.
Neele und ihre Hündin am Farol da Ponta da Piedade in Lagos, Portugal. © Privat | Privat



Neele sagt, dass auf Instagram oft ein falsches Bild vom Vanlife gezeichnet werde. In der Realität gehe es nicht immer so romantisch zu, wie in den sozialen Medien zu sehen sei. Man stehe mit dem Van auch mal auf nicht so schönen Parkplätzen, suche nach Wasser zum Duschen und einer Toilette oder wird morgens von der Müllabfuhr oder eben nachts von der Polizei geweckt.

Auch sei ihr Van nicht besonders gut isoliert gewesen, sodass sie in einigen Winternächten ganz schön gefroren habe. Die Außendusche konnte sie dann auch nicht benutzen – um warm zu duschen, nutzte sie deshalb manchmal Strandduschen, oder sie ging in ein Schwimmbad.

Das Wildcampen ist nicht überall in Europa erlaubt

Den richtigen Stellplatz zum Übernachten zu finden, stelle, so Neele, generell eine Herausforderung dar, denn ganz so einfach wie es unter #vanlife geschildert wird, ist das Wildcampen nicht. In manchen Regionen muss man mit hohen Strafen rechnen, sollte man in seinem Fahrzeug in der Wildnis übernachten und erwischt werden. „Man fühlt sich manchmal ein bisschen wie auf der Flucht – man fragt sich: Bin ich hier sicher? Kann ich hier stehen bleiben?“, betont die 21-Jährige.

Wo man in seinem Fahrzeug wie lange übernachten und parken darf? Nun: Laut Straßenverkehrsordnung ist das einmalige Übernachten im Van erlaubt, wenn die Fahrtüchtigkeit wiederhergestellt werden muss (zum Beispiel bei Müdigkeit). Stehen darf man dabei dort, wo das Parken nicht ausdrücklich verboten ist oder Flächen nicht beispielsweise als Naturschutzgebiet gekennzeichnet sind. Das gilt auch für Spanien.

Irgendwann möchte Neele „Fulltime-Vanliferin“ werden

Ein Blick aus dem Van auf Saint-Raphaël in der Region Provence-Alpes-Côte d'Azur in Frankreich.
Ein Blick aus dem Van auf Saint-Raphaël in der Region Provence-Alpes-Côte d'Azur in Frankreich. © Privat | Privat



In Frankreich, Österreich, Kroatien, Italien und Portugal darf in der Regel nicht außerhalb von Camping- oder offiziellen Stellplätzen übernachtet werden, wohingegen Wildcampen in Schweden, Norwegen und Finnland für eine Nacht erlaubt ist. In allen Ländern gibt es allerdings regionale Abweichungen. Beim Camping – wenn man also zusätzlich Möbeln rausstellt – gibt es nochmals andere Regeln. Besonders die eigenen Verhaltensweisen seien ausschlaggebend dafür, ob man – vor allem in der Nähe von Anwohnern – verweilen kann, sagt Neele.

Zurück in Deutschland kam es für Neele nicht mehr infrage, dauerhaft in einer eigenen Wohnung zu leben, lieber nutzte sie für die erste Zeit ihres Studiums weiterhin ihren Van: „Das Studieren aus dem Van heraus hat gut funktioniert, geduscht habe ich manchmal bei meinen Kommilitonen“, sagt sie. Mittlerweile hat sie ihr Studium allerdings abgebrochen, eine Ausbildung zur Ergotherapeutin begonnen und ihren alten Van verkauft. Sie lebt deshalb nun doch vorübergehend in einer Wohnung, ist allerdings auf der Suche nach einem gut isolierten Van. Denn Neele hat einen Traum: Sie möchte künftig als „Fulltime-Vanliferin“ leben.