Itzstedt. Mit kreativen Ideen aus der Krise: Bettina Laabs und Ulf Trübel setzen jetzt auf Tiny Houses statt auf Messebau.
Seinen Transporter hatte Ulf Trübel bereits vollgepackt. Tische, Stühle und Vitrinen hatte der selbstständige Messebauer mühsam in seinen Mercedes-Sprinter eingeladen. In zwei Tagen wollte er zur Internationalen Eisenwarenmesse nach Köln aufbrechen und die Stände der Kunden aufbauen. Doch dann wurde die Veranstaltung wegen Corona kurz vorher abgesagt . Das war Ende Februar. Seitdem finden Messen, wenn überhaupt, nur noch virtuell statt. Plötzlich saß der gelernte Tischler, der im Messebau gut im Geschäft war und sich auf diesen Bereich konzentrierte, ohne Aufträge zu Hause im niedersächsischen Benefeld. Ab und zu baute er zwar mal einen Wintergarten oder ein Vordach für Freunde. Aber davon konnte der 52-Jährige nicht leben. Es musste eine andere Lösung her.
Bettina Laabs erging es ähnlich. Die 53-Jährige ist im Vertrieb einer Hamburger Messebauagentur tätig, die regelmäßig Aufträge an Ulf Trübel vergibt. Die Agentur zeichnet, konzipiert und kalkuliert Messestände – Trübel setzt die Pläne handwerklich um. Seit April befindet sich Bettina Laabs in Kurzarbeit. Nur wenige Stunden darf sie in der Woche arbeiten. Untätig zu Hause sitzen und Däumchen drehen, ist aber nicht ihr Ding. Sie wollte aktiv werden. Corona-Krise hin oder her. Oder: Jetzt erst recht.
Seit vier Jahren sind Laabs und Trübel nun befreundet. Sie haben sich durch ihre Jobs kennengelernt und auf Anhieb harmoniert. Die Idee, mal ein gemeinsames Projekt aufzuziehen, schlummerte schon länger in den Freunden. Mobilhäuser wollten sie bauen und verkaufen. Keine Tiny-Häuser, sondern ein bisschen größer. Für Trübel als Handwerker kein Problem. Doch das letzte Quäntchen Mut fehlte. Sie brauchten einen Anstoß. Am Ende hat die Corona-Zwangspause sie dazu gebracht, ihren Traum umzusetzen. Bettina Laabs erinnert sich: „Im Mai habe ich zu Ulf gesagt: Ich habe noch ein bisschen Geld übrig. Wie sieht es bei dir aus? Wollen wir jetzt starten?“
Tiny- und Mobilhäuser sollen ökologisch nachhaltig sein
Und sie starteten. Laabs und Trübel bestellten von ihrem Ersparten zwei Trailer, auf dem die Mobilhäuser entstehen sollten. Von Juli bis Oktober baute Trübel das erste Mobilheim. „Das Haus hat uns durch die Zeit gerettet. Es hat uns total motiviert. Wir haben gemerkt, wie viel Freude es macht, gemeinsam an einem Strang zu ziehen“, sagt Laabs. Ihr erstes fertiges Exemplar steht nun auf dem Campingplatz Seerögen am Itzstedter See. Hier soll eine ganze Siedlung mit rund 60 Tiny- und mobilen Häusern entstehen. Diese Vision verfolgt Stephan Diehn. Der Henstedt-Ulzburger hat den 2,5 Hektar großen Campingplatz im Februar gekauft und will nun ein völlig neues Wohnkonzept etablieren.
„Hier sollen nur Mobilheime mit ökologisch nachhaltiger Bauweise stehen“, sagt Diehn. Momentan ist der 49-Jährige noch mit den Aufräumarbeiten beschäftigt. „200 Stellplätze gab es hier vorher. Auf jedem Platz standen zwei Blechschuppen, umgeben von 50 Quadratmetern Betonplatten.“ Die Gehwegplatten mussten alle rausgerissen werden, sie stapeln sich nun meterhoch. Eine mühsame Arbeit. Alte Campingwagen mussten ebenfalls entsorgt werden. Erst vor zwei Wochen haben die letzten Camper ihre Flächen geräumt. Mitte des nächsten Jahres will Stephan Diehn die Tiny-House-Siedlung am Itzstedter See eröffnen. „Dann sind Zäune verboten.“ Der Campingplatzbesitzer träumt von einer großen, harmonischen Gemeinschaft. 17 Reservierungen gibt es bereits. „Dafür, dass ich keine Werbung gemacht habe, ist das super“, sagt er.
Noch verdienen die Neuunternehmer nichts mit ihrer Idee
Derzeit stellen zwei Anbieter Musterhäuser auf der Fläche am See aus. Eines davon gehört Laabs und Trübel, die ihr Projekt „Mobiltraumhaus“ getauft, aber bisher nur mit einem Handschlag besiegelt haben. „Unsere Zusammenarbeit basiert auf Vertrauen. Bis jetzt haben wir keine Gesellschaft gegründet“, sagt Laabs. Jeden Sonnabend zwischen 11 und 14 Uhr können Interessierte vorbeikommen und sich das 34 Quadratmeter kleine Mobilheim mit den Maßen vier mal zehn Metern anschauen. Das Holzhaus besteht aus einem größeren Wohnraum, einem kleineren Schlafzimmer sowie einem modernen Badezimmer mit Dusche. Gebaut ist es ökologisch nachhaltig aus heimischer Lerche. Der Kaufpreis liegt bei 80.000 Euro. Eine Küche ist noch nicht im Preis inbegriffen, kann aber auf Wunsch nachträglich eingebaut werden. „Wir konstruieren das Haus nach Vorstellungen des Kunden. Mit uns kann man immer sprechen. Wir lieben es unkompliziert.“
Noch verdienen die Neuunternehmer nichts mit ihrer Idee. Interessenten gibt es, aber noch keine Käufer. Ulf Trübel baut gerade das zweite Haus in einer angemieteten Halle in Walsrode. „Wir hoffen, dass wir den Nerv der Zeit mit dem Mobilheim treffen“, sagt Laabs, die sich vor allem um die Kommunikation kümmert, damit Trübel in Ruhe bauen kann. „Wir sind aber sicher, dass es klappen wird. Die Resonanz war extrem positiv.“ Und falls doch niemand die Holzhäuser kaufen will? „Dann haben wir halt für uns zwei schöne Häuser gebaut. Jeder bekommt dann eines.“
Dauerhaftes Wohnen ist auf Campingplätzen nicht erlaubt
Das minimalistische Leben hat sich zu einem Trend entwickelt. Immer mehr Menschen würden gern dauerhaft in Tiny Houses und mobilen Eigenheimen leben. Das geht auf einem Campingplatz bisher in der Regel nicht, denn es ist nicht erlaubt, hier dauerhaft zu wohnen. Gäste sollen dort ihre Freizeit verbringen. Außerhalb des Campingplatzes gelten Tiny Houses baurechtlich als Einfamilienhäuser und sind deshalb nur mit einer Baugenehmigung zulässig. Stephan Diehn denkt darüber nach, einen Bauantrag zu stellen, damit die Mobilheimbesitzer ihren Erstwohnsitz an den Itzstedter See verlegen könnten. „Aber erst, wenn hier alles steht und hübsch aussieht“, sagt er. Die Entscheidung liege letztendlich aber bei der Gemeinde. Bettina Laabs ist der Meinung, dass die Gemeinde davon profitieren würde: „Dann kann sie hier die Steuern einnehmen.“
So oder so möchte die Hamburgerin gern mit Kumpel Ulf Trübel weitere „Mobiltraumhäuser“ an den See stellen. Selbst wenn Messen wieder stattfinden, soll ihr gemeinsames Projekt nicht bloß ein Lückenfüller gewesen sein.