Seth/Kiel. Die Gemeinde Seth steckte 300.000 Euro in den Ausbau einer Kita, die nie eröffnete – jetzt muss ein Neubau für 3 Millionen Euro her
Auf diese negative Imagewerbung für seine Gemeinde hätte er gut und gerne verzichten können. Doch nun ist das etwa 2000 Einwohner zählende Dorf von SPD-Bürgermeister Simon Herda mitten im Kreis Segeberg zum Steuergeld-Sünder geworden.
Der Steuerzahlerbund prangert den verkorksten Ausbau der Kita „Räuberhöhle“ in seinem Schwarzbuch 2020 an. Der Name der Kita passt irgendwie: Denn in der „Räuberhöhle“ sollen 300.000 Euro Steuergeld „endgültig verloren“ gegangen sein.
So viel hatte der Umbau des Obergeschosses der alten Schule von 1910 für die Nutzung als Kita gekostet. Doch das Unterfangen ging kräftig daneben. Wegen erheblicher Mängel beim Brand- und Unfallschutz sowie nicht vorhandener Barrierefreiheit konnten die neuen Räume für die Kita nie genutzt werden. Und nun wird es für die Gemeinde Seth zehnmal so teuer, um die kleinen Neubürger zu betreuen: Ende September hat der Gemeinderat mit den Stimmen von SPD und Freier Wählergemeinschaft Seth (FWS) einen völligen Neubau der Kita für drei Millionen Euro beschlossen.
Der neue Bürgermeister hat den Schlamassel geerbt
Bürgermeister Herda betont, dass er diesen Schlamassel geerbt habe, als er im Juni 2018 nach der jüngsten Kommunalwahl mit den Stimmen von SPD und FWS ins Amt kam. Unmittelbar davor – drei Wochen vor der Kommunalwahl, bei der sie die Mehrheit im Gemeinderat verlor – habe seine Amtsvorgängerin Maren Storjohann, die Ehefrau des Bundestagsabgeordneten Gero Storjohann, Ende Mai 2018 die Aufträge für den Kita-Ausbau vergeben. Obwohl das Projekt schon damals hoch umstritten war und die FWS dagegen stimmte und eine Vertagung der Entscheidung beantragte, bis die offenen Fragen zum Brand- und Unfallschutz sowie der Barrierefreiheit geklärt seien.
Schon vor dem Umbau wurde in der Politik heiß diskutiert
Doch die CDU setzte sich durch, weil angeblich eine gültige Baugenehmigung der Bauaufsichtsbehörde des Kreises vorlag und die zusätzliche sechste Gruppe für die Kita mit ihren 80 Plätzen dringend gebraucht wurde, wie Storjohann sagt. „Das stimmt nicht“, sagt FWS-Fraktionschef Gerrit Grupe. „Wir überlegten damals sogar, die Kita-Gebühren zu erhöhen, weil zu wenige Kinder in der Kita waren.“ Herda sagt: „Ich wurde vor vollendete Tatsachen gestellt.“ Die SPD, die 2013 nicht bei der Wahl antrat und erst wieder 2018 mit einem Drittel der Stimmen in den Gemeinderat einzog, hatte sich schon außerparlamentarisch gegen den Ausbau in der alten Schule ausgesprochen.
Steile, enge Treppen und jede Menge Stolperfallen
Zwei enge schmale Treppen, Fluchttüren, die bei einem Brandfall die Fluchtwege versperren, und unnötige Stolperfallen ließen ahnen, dass ein kindersicherer Ausbau schwierig werden würde. Bürgermeister Herda ließ diese Fragen nach seinem Amtsantritt von den Brandschutzexperten der Bauaufsicht, der Unfallkasse und dem Landesbehindertenbeauftragten prüfen, die dann bestätigten, dass diese Mängel keinen sicheren Betrieb der neuen Kita-Räume im Obergeschoss ermöglichten.
Eine spätere Machbarkeitsstudie eines Architekturbüros kam zudem zu dem Schluss, dass ein regulärer Kita-Betrieb mit den wegen des Neubaugebietes Boxrade mit 34 Häusern benötigten 120 Kindern in sieben Gruppen nicht möglich und mit etwa zwei Millionen Euro-Umbaukosten viel zu teuer wäre. „Bei meinem Amtsantritt waren die Bauarbeiten schon in vollem Gange“, sagt Herda.
Dann hätte er sie doch sofort stoppen können, wundert sich seine Amtsvorgängerin und jetzige Stellvertreterin, Maren Storjohann. „Das wäre politisch sauber gewesen statt hintenherum Sachverständige zu suchen, die mögliche Baumängel finden.“ Die beauftragten Baufirmen hätten bestimmt auf Konventionalstrafen verzichtet, wenn der Bau sogleich gestoppt worden wäre, glaubt Storjohann.
Der finanzielle Schaden ist für das kleine Seth riesengroß
Das hält Herda für völlig blauäugig. „Der Ausbau war in vollem Gange.“ Er habe seine vorhandenen Bedenken natürlich erst einmal von Experten bestätigen und absichern lassen müssen. Das Gutachten dazu lag dann Anfang 2019 vor, da war der Ausbau fertig. Aber wegen dieser „massiven Mängel“ konnten die neuen Kita-Räume nicht in Betrieb gehen. Ihm sei „völlig unverständlich“, warum Unfallkasse und Inklusionsbeauftragte nicht vorher eingeschaltet wurden, wundert sich Herda. Die Baufirmen hätten mit Sicherheit nicht auf die Einhaltung der ja längst von Bürgermeisterin Storjohann unterschriebenen Verträge verzichtet, so Herda. Auch das sei ihm bestätigt worden. „Der Gemeinde Seth ist ein gewaltiger finanzieller Schaden entstanden. Das allein ist schon ein riesiges Ärgernis“, sagt Herda und kündigt an, dass die Gemeinde zurzeit Schadensersatzansprüche prüfe. Denn 300.000 Euro Verlust täten seiner Gemeinde „richtig weh“. Schließlich sei dieser Betrag doppelt so hoch wie der aktuelle Schuldenstand und genauso hoch wie die Einnahmen aus der Gewerbesteuer.
Die neue Kita wird modern und zeitgemäß – und teuer
Dass hier aber die CDU-Mehrheit im Gemeinderat auf Biegen und Brechen „eine nicht sichere Kita-Erweiterung zu Lasten der Sicherheit der Kinder, Eltern und Beschäftigten in Betrieb genommen hätte, ist der zweite und vielleicht noch größere Skandal“, so Herda.
2022 soll jetzt die neue Kita in Seth fertiggestellt sein. „Diese wird dann auch die heute notwendige pädagogische Förderung der Kinder sicherstellen können, die im Altbau nicht gegeben ist“, sagt Herda. Der Neubau würde den neuesten Standard von Klima- und Wärmeschutz erfüllen und natürlich auch die heute in der Corona-Zeit so wichtigen Belüftung aller Räume sicherstellen.
Die alte Grundschule solle dann zum Dorfgemeinschaftshaus in Seth werden, das den verschiedenen Vereinen und der Jugendarbeit im Dorf mehr Platz und Raum bietet– wenn auch mit Toiletten, Waschbecken und Handläufen für Kleinkinder.