Kreis Segeberg. Ob ein Pilz schön aussieht, sagt nichts über seine Giftigkeit aus. Woran man genießbare Arten erkennt, erklärt die Pilzsachverständige.
Rostoranger schuppiger Hut, beringter Stiel, weißgelbes Fleisch. Gleich im Dutzend haben sie sich neben dem Waldweg unten am Holz niedergelassen, die „Beringten Flämmlinge“. Wunderschön, aber ungenießbar – die zwölf sind echte Giftpilze! Ich bin im Wald bei Kayhude auf Pilzsuche. An meiner Seite ist Dagmar Detloff-Scheff (56), Pilzsachverständige der Kieler Pilzfreunde und Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (DGfM).
Nach der ersten giftigen Entdeckung am Wegesrand machen wir uns auf ins Gebüsch. Zwei Rosa Rettich-Helmlinge strecken sich uns entgegen. Auch nicht zu genießen! Also geht’s weiter auf der Suche nach Speisepilzen. Die haben von September bis Ende November Hochsaison. Man findet sie im Wald, am Waldesrand oder auf der Wiese. „Jede Gattung hat ihre eigenen Vorlieben, was den Boden anbelangt“, sagt die Expertin, die ehrenamtlich als Speisepilzberaterin tätig ist. Der sollte nicht zu feucht und nicht zu trocken sein. Durch Brennnesseln und Brombeersträucher verdichtete Böden mögen Pilze nicht. Wo’s moosig ist, da siedeln sie sich gerne an.
Wegen der milden Witterung sind die Wälder im Kreis Segeberg in diesem Jahr ein besonderes Paradies für Pilzesammler. Allerdings sei Vorsicht geboten, warnt die AOK Nordwest. Je mehr Pilze es gebe, desto größer sei die Gefahr von Vergiftungen. „Viele der leckeren Pilze haben giftige Doppelgänger. Für Hobbysammler kann dies gefährlich werden“, heißt es in einer Mitteilung der Krankenkasse.
Die Expertin kann etwa 150 bis 200 Pilze bestimmen
Mit der Pilzsachverständigen an meiner Seite fühle ich mich sicher. Die ausgebildete Hauswirtschaftsmeisterin entdeckte vor zwölf Jahren die Liebe zu den Pilzen. „Ich habe mich schon immer für die Natur interessiert. Während eines Spaziergangs im Dosenmoor wollte ich damals Fliegenpilze fotografieren – in allen Stadien. Und fand noch so viel mehr interessante Pilzarten.“ Nachdem sie mit einem Sachverständigen der Kieler Pilzfreunde ins Gespräch gekommen war, habe es sie gepackt, sagt Detloff-Scheff, die ohne Weiteres 150 bis 200 Pilze bestimmen kann. Rund sieben Jahren dauerte ihre Ausbildung zur Pilzsachverständigen der DGfM mit theoretischer und praktischer Prüfung in der Schwarzwälder Pilzlehrschau Hornberg.
„Fast alle Speisepilzsammler fangen mit Maronen oder Steinpilzen an, den Röhrenpilzen“, sagt Detloff-Scheff, während wir weiter durchs Dickicht des Mischwaldes kriechen. Fündig werden wir unter den Buchen und entdecken den ersten Speisepilz, einen lila Lacktrichterling. Der Verzehr ist ein eher geschmackloses Unterfangen. Deshalb, so die Expertin, sei dieser Speisepilz vorwiegend geeignet als Füllpilz in der Mischpilzpfanne. Kurze Zwischenfrage: Sollte man Pilze vor der Zubereitung waschen? Eher nicht. „Lieber mit Pinsel oder Küchentuch abputzen“, sagt Detloff-Scheff. Sehr schmutzige Pilze einfach kurz ins Wasser legen, danach abtrocknen und sofort zubereiten. Alle Wildpilze sollten ausreichend gegart gegessen werden. Aufwärmen kann man sie danach auch – wenn sie vorher kühl gelagert wurden!
In Schleswig-Holstein gibt es etwa 6000 Pilzarten
Laut DGfM sind von den mehr als 10.000 Großpilzen in Mitteleuropa rund 200 Arten essbar und 150 giftig, davon etwa zehn tödlich. In Schleswig-Holstein sind rund 6000 unterschiedliche Pilzarten nachgewiesen. Als Speisepilze freigegeben jedoch nur 20. Generell gilt: Achtsam sammeln! „Bekannte Pilze für die Zubereitung kurz über dem Boden abschneiden und vorsichtig herausheben“, so die DGfM. „Unbekannte Pilze für die Bestimmung aus dem Boden drehen, damit alle Merkmale sichtbar sind – und getrennt von Speisepilzen lagern.“ Nicht mehr Pilze sammeln, als am selben Tag verarbeitet werden können. Und bitte in Maßen genießen: Eine Portion Pilze pro Woche ist genug, das entspricht ungefähr 300 Gramm Frischpilzen. In je mehr Fett die Pilze gebraten werden, desto schwerer verdaulich sind sie. Das gilt auch für große und schlecht zerkaute Portionen. Die Zellwände sind aus Chitin aufgebaut, dem Grundbaustoff der Insektenpanzer. Schlecht zerkaut liegen sie schwer im Magen, sodass die wertvollen Inhaltsstoffe unverwertet wieder ausgeschieden werden. Also immer gut kauen!
Weiter geht’s durchs Dickicht. Wir nähern uns einem zweiten Speisepilz: dem Rotfußröhrling, auch Rotfüßchen genannt. Eine Maus hat ihn vor uns entdeckt und sich schon mal dran gelabt. Frage: Wenn Schnecke, Maus Co. es sich an den Pilzen haben schmecken lassen, darf’s der Mensch dann generell auch? Bloß nicht! Fraßspuren von Tieren oder ein Wohlgeschmack des rohen Pilzes sind keine Anzeichen von Essbarkeit.
Es fängt an zu regnen. Gut für den Boden. Abschließend entdecken wir noch einen gefleckt-blättrigen Flämmling. Wächst am Nadelholz und ist auch ein Giftpilz. Nach der einstündigen Pilzwanderung haben wir keine große essbare Ausbeute im Körbchen. Für Detloff-Scheff nichts Ungewöhnliches: „Das ist eben die Verhältnismäßigkeit.“ Zu beobachten sei, dass die Pilzflora sich verändere. Arten aus dem Süden ziehen nun immer weiter gen Norden. Auch das bedeutet für die Pilzsachverständige, sich regelmäßig weiterzubilden. Das A und O des Pilzesammelns, so halten wir abschließend fest, sind gute Kenntnisse der einheimischen Arten. „Es gibt alte Pilzsammler, und es gibt wagemutige Pilzsammler. Es gibt aber keine alten, wagemutigen Pilzsammler“, so ein altes englisches Sprichwort. Also: Wer seine Leidenschaft für Pilze lange gesund und munter ausleben möchte, der informiert sich im Internet, in Fachbüchern, bei den Kieler Pilzfreunden (www.kieler-pilzfreunde.de) oder bei den mehr als 500 Pilzsachverständigen der DGfM.
Infos zu Pilzkursen und Pilzen sind unter www.dgfm-ev.de zu finden.