Kreis Segeberg. Aktuell sind im hier 38 Menschen infiziert. Mitarbeiter des Infektionsschutzes der Kreisverwaltung leisten weiter Überstunden.

Die Corona-Situation im Kreis Segeberg bleibt angespannt. ,,Überstunden sind an der Tagesordnung, auch an den Wochenenden. Wir stecken immer noch mitten in der Pandemie“, sagt Robert Tschuschke, Sprecher der Segeberger Verwaltung. Von Entwarnung könne keine Rede sein, auch wenn der Kreis vergleichsweise gut dastehe, heißt es. Mit den Bearbeiten von Testergebnissen, Analysen und Nachverfolgung von Infektionsketten ist das Gesundheitsamt mittlerweile wieder gut ausgelastet – noch im Sommer hatte es im Vergleich dazu teilweise tagelang überhaupt keine Neuinfektionen gegeben.

Aktuell sind im Kreis 38 Menschen infiziert – in stationärer Behandlung ist allerdings niemand. Sechs Fälle sind neu hinzugekommen. Bei einer Person lässt sich die Infektion bisher nicht zurückverfolgen, drei Infizierte waren in Kontakt zu positiv Getesteten, dazu gibt es zwei Fälle bei Reiserückkehrern aus Rumänien. 310 Segebergerinnen und Segeberger stehen unter häuslicher Quarantäne.

Im Blickpunkt stehen neben Reisenden die Schulen

Im Blickpunkt stehen neben Reisenden die Schulen. So hatte es an der Norderstedter Willy-Brandt-Schule einen positiven Test gegeben, allerdings blieb es bei diesem einen Fall. Nur Kinder, die Symptome zeigen, müssen in Quarantäne. Ist ein Abstrich negativ, wird diese aufgehoben. Bei einer Infektionskette werden die betroffenen Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte durch Mitarbeiter des Segeberger Gesundheitsamtes informiert. „Sie brauchen sich also keine Sorgen zu machen, wenn Sie nicht vom Gesundheitsamt kontaktiert wurden“, schreibt Schulleiter Thomas Kuhn auf der Homepage der Schule.

Er weist die Eltern auf die Regelungen für die ersten zwei Wochen nach den Herbstferien hin: Schüler ab der fünften Klasse müssen grundsätzlich eine Maske tragen. Das gilt auch für den Unterricht und für den Weg von Bus- oder Bahnhaltestelle zur Schule, sofern der Mindestabstand von 1,5 Metern nicht eingehalten werden.

Auch an der Grundschule Ellerau gab es eine nachgewiesene Infektion eines Kindes. 22 Mitschüler und eine Schulbedienstete sind bis einschließlich Dienstag, 13. Oktober, in Quarantäne. Sollten weitere Erkrankungen auftreten, werde der Infektionsschutz die Lage neu bewerten, so die Kreisverwaltung.

Bei Jungheinrich wird am Freitag erneut getestet

Das Norderstedter Jungheinrich-Werk war ebenfalls von einigen Fällen betroffen. Um eine mögliche Ausbreitung schnellstmöglich aufzuklären, fand bei dem international tätigen Gabelstapler-Hersteller unter der Leitung des Gesundheitsamtes eine Reihentestung statt. Die 226 Tests fielen alle negativ aus. „Als präventive Maßnahme wird an diesem Freitag eine zweite Reihentestung zur Überprüfung durchgeführt“, sagt Martin Wielgus, Leiter der Unternehmenskommunikation. „Wir haben bereits sehr umfangreiche Maßnahmen im Werk eingeführt und sind jetzt für die Zeit der Herbstferien besonders sensibilisiert – unter anderem durch erweiterte Hygiene- und Schutzmaßnahmen inklusive ausgedehnter Maskenpflicht und Zugangsbegrenzung für Externe.“

Personell könnte der Infektionsschutz des Kreises Segeberg (30 Mitarbeiter) Verstärkung gebrauchen, doch das Gegenteil ist der Fall. Denn die Amtshilfe durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Nord (MDK), einer Institution der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung, ist ausgelaufen. Der MDK berät nicht nur die Kassen, sondern überprüft Pflegeheime – doch dies war auf Anordnung des Bundesgesundheitsministeriums bis Ende September ausgesetzt.

Bis zu sieben Pflegekräfte und Ärzte halfen freiwillig beim Kreis aus, sie müssen nun wieder ihren gesetzlich vorgeschrieben Aufgaben nachgehen. Allerdings wollen die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein über den Bundesrat eine neue gesetzliche Regelung über die Amtshilfe des MDK schaffen – in Sinne der Pandemie-Eindämmung.

Wie ist die Sitaution in den Altenheimen?

Diese dauert im Norden nun schon sieben Monate. Das Abendblatt hat den Fachdienstleister für Infektionsschutz im Kreis-Gesundheitsamt, der Virologe Uwe Petry, gefragt, wie er die Situation einschätzt – und ob er weitere Lockerungen erwartet. Zum Beispiel beim Singen im Musikunterricht: Aktuelle Studien in Bayern, an der Berliner Charité und in Freiburg belegen, dass der Ausstoß von Aerosolen bei Profisängern lediglich 1 bis 1,5 Meter beträgt. Spricht etwas dagegen, dass Grundschüler, die mit wesentlich weniger Druck singen, im Musikraum, der Aula oder der Sporthalle für eine begrenzte Zeit von fünf bis zehn Minuten singen – wenn ein Abstand von lediglich 1,5 Metern eingehalten und der Raum anschließend ausreichend gelüftet wird?

„Grundsätzlich sind die genannten Veranstaltungen auch aus Infektionsschutzsicht denkbar“, sagt Petry. Konkrete Handlungsempfehlungen, wie Lehrkräfte angesichts der neuen Erkenntnisse ihren Musikunterricht nach den Ferien freier gestalten könnten, gebe es aber nicht.

Ein weiteres Thema: Immer wieder klagen Verwandte und Freunde von Heimbewohnern über Kontaktbeschränkungen in Kliniken und in Altenheimen im Kreis Segeberg. Sind Besuchs- und Ausgehverbote für Heimbewohner, die einen Eingriff in ihre Grundrechte darstellen, aus medizinischer Sicht noch angemessen und zu rechtfertigen? Dazu Petry: „Auch Hygienekonzepte von Alten- und Pflegeheimen sollten unter Abwägung medizinischer Risiken immer auf ihre Verhältnismäßigkeit gegenüber persönlicher Einschränkungen geprüft werden.“ Sein Appell: ,,Besonnenheit, gut verständliche Aufklärung und kritische Prüfung in Anpassung an die Lage beibehalten.“

Kreis Segeberg hat nur wenige Ballungszentren

Vergleiche zu Hamburg oder anderen Kreisen ließen sich nicht so einfach ziehen, sagt der Virologe ergänzend. Dazu seien die regionalen Unterschiede zu groß. Aber: ,,Segeberg ist ein von der Fläche her großer Kreis mit wenigen Ballungszentren, in dem es nur wenige großstadtnahe Städte wie Norderstedt gibt.“

Demnach habe das Virus in Städten wie Hamburg leichteres Spiel. Ob es aber in Norderstedt, Bad Segeberg oder beispielsweise Kisdorf gerade besonders viele Fälle gibt, geht aus den Zahlen nicht hervor. ,,Aus datenschutzrechtlichen Gründen wird keine Aufschlüsselung nach Wohnorten vorgenommen“, sagt Petry. Der Grund: Man will vermeiden, dass sich in Dörfern mit sehr wenigen Einwohnern schnell Rückschlüsse auf Erkrankte ziehen lassen.

Allerdings hatten sowohl die Datenschutzbeauftragte des Landes, Marit Hansen, als auch das Sozialministerium mitgeteilt, dass sie grundsätzlich keine Bedenken dagegen haben, wenn Infektionszahlen aus den Städten und Gemeinden veröffentlicht werden. Der Datenschutz müsse allerdings gewährleistet sein. Das könne bei Orten mit weniger als 100 Einwohnern schwierig werden. Daher könnten die Zahlen kleiner Gemeinden zusammengefasst werden. Bei Norderstedt aber mit seinen gut 80.000 Einwohnern sei die Anonymität gewährleistet. Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder hatte mehrfach versucht, Infektionszahlen zu bekommen – vergeblich. Aus Sicht der Kreisverwaltung gibt es keinen Grund, etwas an der Praxis zu ändern.