Norderstedt. Fehlende Räume, bauliche Mängel: Zum Neubau des Gebäudes wird es wohl in diesem Jahrzehnt trotzdem nicht kommen.
Als das Hamburger Abendblatt im Mai 2018 über die fehlenden Räume und baulichen Mängel im Polizeigebäude an der Europaallee in Norderstedt berichtete, sollte alles ganz schnell gehen: Das Land sicherte umgehend Hilfe zu. Die Stadt Norderstedt bot Grundstücke für einen Neubau mit ausreichend Platz für Personal und Fahrzeuge in einem Neubau an, in den das Polizeirevier und die Kripo umziehen könnten. Inzwischen bezweifeln viele Beamte jedoch, dass sie noch in diesem Jahrzehnt die Eröffnung eines neuen Dienstgebäudes feiern können. Das Projekt soll rund 13 Millionen Euro kosten.
„Im Moment ruht der See sehr still“, sagt Revierleiter Thomas Weißenberg. „Wir haben uns damit abgefunden“, berichtet ein Kriminalbeamter. Glücklicherweise sei die Motivation so groß, dass die Kollegen trotz der Raumnot engagiert ihren Job erledigen.
Die Stadt sagt, das Land muss zunächst Infos liefern
Die Stadt Norderstedt macht das Land für den Stillstand verantwortlich. Es fehlen zur Fortsetzung der Planungen detaillierte Informationen des Landes, sagte der Sprecher des Rathauses, Bernd-Olaf Struppek. Dabei gehe es um Teile des Gebäudes, die nicht von der Polizei genutzt werden. Detaillierte Informationen hierzu nannte Struppek nicht.
„Die Kommune initiiert nun das Bauleitplanverfahren. Dieses ist die Voraussetzung für die Aufstellung eines Bebauungsplans. Der Bebauungsplan ist die planungsrechtliche Rechtsgrundlage zur Errichtung des Polizeigebäudes in Norderstedt“, heißt es dazu vom Sprecher des Finanzministeriums, Hannes Hecht. Er will sich nicht darauf festlegen, wann gebaut wird. „Ausgehend vom bisherigen Planungsstadium können zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine konkreten Terminangaben für den Abriss und den Beginn des Neubauvorhabens benannt werden“, sagt Hecht.
Norderstedt gehört neben Pinneberg zu den Polizeistandorten in Schleswig-Holstein mit den größten Problemen. Die Mängelliste ist lang. Einige Schreibtische werden zu zweit besetzt. In der Wache haben die Beamten mit Sicherheits- und Datenschutzproblemen zu kämpfen. Die Zellen im Keller sind nur auf verwinkelten und engen Wegen von der Wache oder der Garage aus zu erreichen. Sicherheitsschleusen fehlen. Die Kripo muss wegen des Platzmangels einen ehemaligen Lagerraum für digitale Auswertungen nutzen. Die Toilette im Keller läuft regelmäßig über. Die stinkende Kloake verbreitet sich im Untergeschoss, der Geruch dringt durchs ganze Haus. Die Umkleideräume reichen für das Personal nicht aus und die Heizungen lassen sich kaum herunterregeln. In der Schießanlage fällt immer wieder die Lüftung aus. Für 20 Polizistinnen steht nur eine Dusche zur Verfügung.
Die 73 Schutzpolizisten und 30 Kriminalbeamten kämpfen seit Jahren mit den Mängeln des Gebäudes, das in den 70er-Jahren gebaut wurde. Damals hatte Norderstedt 45.000 Einwohner und entsprechend weniger Polizisten, heute sind es fast doppelt so viele. Kurz nach dem Abendblatt-Bericht zeichneten sich zwei Lösungen ab. Die Stadt bot ein Grundstück in Garstedt für einen Neubau an, doch die Polizei und das Innenministerium lehnten ab. Die Lage war ungünstig.
Das Finanzamt zieht um und macht Platz für die Wache
Die Wahl fiel auf die zweite Variante: Das Finanzamt neben der Polizei an der Europaallee zieht um, das Gebäude wird abgerissen. Danach soll auf der Fläche des Finanzamtes ein modernes Polizeizentrum entstehen. Dieser Plan wurde im April 2019 bekannt. Letzte Gespräche darüber zwischen der Stadt und dem Finanzministerium als Investor haben im Februar 2020 stattgefunden. Ein Finanzamt werde den Norderstedtern als Anlaufstelle erhalten bleiben. Der neue Standort sei jedoch noch nicht geklärt, teilte das Finanzministerium mit. „Wir sind ernüchtert, die Mühlen mahlen langsam, aber wir erkennen die Probleme“, sagt der Kreisvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Sebastian Kratzert. „Der Bebauungsplan muss noch überarbeitet werden, deshalb liegt kein Baurecht vor“, sagt der Gewerkschafter. Das sei für seine Kollegen nicht schön, aber nicht zu ändern, sagt Kratzert. Optimistisch betrachtet, könne das Gebäude fünf Jahre nach dem Vorliegen des Baurechts bezogen werden.
Wegen der Corona-Pandemie verschärfe sich das Problem noch weiter. Im ohnehin zu kleinen Waschbereich am Eingang stehen nur Trennscheiben und Absperrungen. Außerdem stehe wegen baulicher Mängel der Zellentrakt in Pinneberg nicht zur Verfügung, sodass seine Kollegen auf den maroden Standort Norderstedt oder nach Elmshorn ausweichen müssten.