Henstedt-Ulzburg. Die Menschen in Götzberg sind eine eingeschworene Gesellschaft – Rundgang mit Frauke Gülk, die hier jeden kennt.
Wer in Richtung Ostsee fährt, passiert Götzberg – und merkt es wahrscheinlich hauptsächlich daran, dass für ein paar hundert Meter die Geschwindigkeit auf 50 km/h gedrosselt werden muss. Ärgerlich für alle, die es eilig haben. Links und rechts der Straße ein paar Häuser, meist ältere, ein paar Bauernhöfe, dann ist auch schon das Ortsende erreicht. Viel bleibt bei den Durchreisenden eher nicht hängen. Nicht mal die allseits bekannte Götzberger Windmühle, die von der Straße aus nur mit Mühe, also eher gar nicht, zu sehen ist.
Abseits der Durchgangsstraße sieht es allerdings anders aus. Hier zeigt sich der Charme der kleinen ländlichen Gemeinde, die seit 50 Jahren ein Ortsteil von Henstedt-Ulzburg ist und im Jahre 2023 ihren 500. Geburtstag feiert. Schmale Straßen, kaum Autoverkehr, kein Straßenlärm, Reetdachhäuser und alte Bäume. „Dieser Baum dort“, sagt Frauke Gülk und zeigt auf eine Eiche, deren Stammumfang einem fasst den Atem raubt, „soll 700 Jahre alt sein.“ Die Krone wurde geköpft, um den Baum am Leben zu erhalten, aber aus dem alten Stamm wächst üppiges neues Leben. Jeder Ortsbewohner kennt diese Eiche am Bleeken. Durchreisende bekommen sie nie zu sehen. Es gibt hier noch drei weitere Eichen, die ähnlich alt sind.
Sie hat in eine Götzberger Dynastie eingeheiratet
Frauke Gülk (54) stammt zwar aus Kisdorf, kennt die Geschichte von Götzberg aber ganz genau. Und das ist kein Wunder: In den 1990er-Jahren hat sie in eine der ältesten Götzberg-Dynastien eingeheiratet. Ehemann Volker (50) führt den Bauernhof der Familie Gülk in der vierten Generation, sein Großvater Georg
war vor dem Zusammenschluss zur Großgemeinde Henstedt-Ulzburg Bürgermeister der kleinen Gemeinde, Vater Heinz-Georg ist über den Ortsteil hinaus als langjähriger Gemeindepolitiker bekannt. Bis 2019 ist die studierte Psychologin und ausgebildete medizinische Fachangestellte zwischen Hamburg und ihrem Hof gependelt, dann ist aus der Teilzeitbäuerin eine Vollzeitbäuerin geworden: Frauke ist für die zwei fahrbaren Hühnerställe am Götzberger Ortsausgang in Richtung Wakendorf II zuständig. In der Dorfgemeinschaft engagiert sie sich auf vielfältige Weise.
Von der Eiche am Bleeken geht es in Richtung Wohldweg, wo es einen kleinen Teich gibt, der für die Götzberger innerhalb kurzer Zeit ein beliebter Treffpunkt geworden ist. Dieser Gewässerschutzteich wurde neben dem neuen Gülkschen Rinderstall erst vor zwei Jahren angelegt und mit einem Holzsteg versehen. Inzwischen dümpelt hier ein Ruderboot, dass vor allem von der Dorfjugend gerne genutzt wird. „Als unsere Kinder klein waren, lebten sie hier wie im Lindgrenschen Bullerbü“, sagt Frauke Gülk. Inzwischen ist Nike 14 Jahre alt, Lennert, der den Hof eines Tages in fünfter Generation führen wird, 17 Jahre alt. Er macht bereits eine landwirtschaftliche Ausbildung. Vom Teich geht es weiter zum Feuerwehrhaus an der Götzberger Straße. Die Feuerwehr ist in dem kleinen Ortsteil auch ein Integrationsfaktor: Neubürger, die hier Fuß fassen wollen, sind gut beraten, wenn sie als aktive oder passive Mitglieder in die Wehr eintreten.
Die Windmühle ist das Wahrzeichen der Gemeinde
Schräg gegenüber liegt das markanteste Gebäude des Ortsteils: Die Götzberger Windmühle ist zugleich Wahrzeichen von Henstedt-Ulzburg. Jeder in der Großgemeinde kennt die Geschichte dieser mit ehrenamtlichen Helfern wieder aufgebauten Mühle der Familie Schlüter. Die 1877 gebaute Mühle kann besichtigt werden (Anmeldungen unter 04193/756 962). Erwachsene zahlen drei Euro, Kinder 1,50 Euro Eintritt. Im Mühlenladen gibt es ein breites Sortiment hochwertiger Produkte.
Am Mühlentag, der jährlich Pfingstmontag veranstaltet wird, trifft sich hier halb Henstedt-Ulzburg. Auch viele Auswärtige reisen an diesem Tag an, um rund um die Mühle ein Fest mit Kaffee und Buchweizentorte zu feiern.
Ganz nebenbei können die Besucher von der Mühle aus einen grandiosen Blick genießen: Von hier aus geht der Blick über das Alstertal bis hin zu den Türmen der Großstadt Hamburg. 70 Meter hoch ist der Hügel, der zum Höhenzug Kisdorfer Wohld gehört und damit der südliche Ausläufer einer Endmoräne ist. Während der zweiten Eiszeit (vor 0,3 Millionen Jahren) überdeckten Gletscher dieses Gebiet mit gewaltigen Erdmassen. Über das Ergebnis können sich auch Autofahrer freuen: Geht der Blick von der Götzberger Straße in Richtung Süden, ist in der Ferne die Großstadt zu erkennen.
Weiter geht die Tour durch den Ort. Nächstes Ziel ist der Campingplatz Ulmenhof, der einst auf dem Gelände eines ehemaligen landwirtschaftlichen Betriebs eingerichtet wurde. Für die Götzberger hat der Platz eine besondere Bedeutung: Das solar-beheizte Freibad kann auch von Nicht-Campern besucht werden. Vor allem Kinder nutzen diese Möglichkeit gerne. Für zwei Euro Eintritt darf in dem 9 mal 18-Meter-Becken geplanscht werden.
In der Dorfgemeinschaft kennt hier jeder jeden
Wenn Frauke Gülk im Dorf unterwegs ist, kennt sie jeden, der gerade unterwegs ist oder vor dem eigenen Haus steht. „Wir haben hier eine nette Dorfgemeinschaft“, sagt die Landwirtin. „Jeder kennt jeden, wir unterstützen uns gegenseitig, wir feiern viel gemeinsam und zu unserem jährlichen Kinderfest kommen wirklich alle.“ Neubürgern empfiehlt sie, sich in die Dorfgemeinschaft einzubringen. Wobei die Feuerwehr mehr als ein Geheimtipp ist. In der Regel klappt das. „Junge Familien integrieren sich meistens schnell.“
Baugrundstücke allerdings sind in Götzberg Mangelware. Neue Baugebiete gibt es nicht und wird es in absehbarer Zukunft auch nicht geben. Wer hierherziehen will, muss also Glück haben, dass irgendwo ein Bestandshaus zu verkaufen ist oder sich eine Baulücke auftut. Trotz dieser Umstände gibt es genügend junge Familien, die dafür sorgen, dass es immer wieder Kinder im Dorf gibt. Das hat auch mit einem innerörtlichen Kreislauf zu tun: Wer hier aufwächst, verlässt Götzberg nicht so gerne. Wenn doch, dann kehren viele später wieder zurück.
Die Grundschule liegt in Wakendorf II, 3,5 Kilometer entfernt. Der letzte Versuch, eine eigene Schule zu bauen, scheiterte 1910: Eine Kommission der königlichen Regierung entschied sich damals, in Wakendorf eine dritte Lehrerstelle einzurichten und dort einen zusätzlichen großen Klassenraum zu bauen. Zu einer neuen Initiative für die Einrichtung einer Götzberger Schule ist es danach nie mehr gekommen.
Frauke Gülk ist glücklich in Götzberg, und sie weiß, dass sich ihre Kinder hier ebenfalls wohlfühlen. „Natürlich sind sie längst überörtlich vernetzt, aber Götzberg ist der Mittelpunkt ihres Lebens.“