Norderstedt . Jens-Walter Bohnenkamp, Norderstedts letzter Schweinebauer, hat ein Imageproblem – obwohl er sich um das Tierwohl kümmert.
Fiete liegt entspannt auf der Seite, hat seine 2,5 mal 3,5 Meter große Box ganz für sich allein. Der Eber braucht Ruhe, schließlich hat er zusammen mit zwei Artgenossen für Nachwuchs auf dem Hof von Jens-Walter Bohnenkamp gesorgt. 105 Zuchtsauen und 900 Mastschweine stehen auf dem Gelände am Rantzauer Forstweg in Norderstedt im Stall – und haben seit kurzem ein besseres Leben: mehr Platz, mehr Licht, mehr Luft, mehr Beschäftigung, Heu und Stroh auf dem Boden. Der Landwirt, zugleich Vorsitzender des Kreisbauernverbands Segeberg, hat an einem Modellprojekt des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Ernährung teilgenommen. Ziel des gut zweijährigen Vorhabens war, die Schweinehaltung zu verbessern und den Tierschutz zu stärken.
Bundesweit haben zehn Betriebe mitgemacht. „Unsere Ställe sind 30 Jahre alt. Da war es Zeit für eine Erneuerung“, sagt der Schweinezüchter. 100.000 Euro hat es gekostet, die Wohnzimmer der Schweine neu zu gestalten. Knapp die Hälfte der Summe waren Projektmittel. Spezialisten vom Tierschutzkompetenzzentrum standen dem letzten Schweinebauern in Norderstedt zur Seite.
Das Image der Schweinezüchter ist miserabel
Gerade sie stehen in Deutschland in der Kritik: Die Sauen stehen oder liegen in Kastenständen, Boxen, die durch Metallgitter begrenzt werden. Zwei mal 0,65 Meter Platz haben Jungsauen nach den rechtlichen Vorgaben, fünf Zentimeter mehr in der Breite ältere Tiere. Die Schweine sind in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt, es fehlen Umgebungsreize, die Tiere leiden unter Stress und würden leichter erkranken, lautet die Kritik. „Und wenn dann noch Videos wie das aus dem Vorjahr im Internet kursieren, kommt bei den Bürgern an: Schweinebauern sind schlechte Menschen und quälen ihre Tiere“, sagt Bohnenkamp. Zwei Tierschützer waren im Münsterland in eine Schweinezucht eingedrungen und hatten Bilder von blutenden, verletzten und toten Tieren gedreht und veröffentlicht.
Horror-Videos aus Ställen von schlechten Bauern machen es anderen Kollegen schwer
„Wir wehren uns gegen einen Universalverdacht“, sagt Bohnenkamp. Und sein Vorstandskollege Frank Pahl, Landwirt in Borstel mit 90 Rindern und 1000 Schweinen, bestätigt: „Wenn du schon beim Frühstück im Radio hörst, wie schlimm die Landwirte sind, und wie schlecht sie mit ihren Tieren umgehen, dann möchtest du am liebsten alles hinschmeißen.“ Er sei Landwirt aus Leidenschaft und einer, dem das Wohl seiner Tiere am Herzen liege. Öffentlichkeitsarbeit, Imagepflege und Transparenz sind Jens-Walter Bohnenkamp wichtig. Er öffnet seine Ställe für Schulklassen, er und seine Kollegen kommen in die Schulen und präsentieren die Landwirtschaft.
Bohnenkamp hat mit seinem Modellprojekt die Pläne der Bundesregierung vorweggenommen. Die Kastenstände in der Schweinehaltung sollen künftig 20 Zentimeter länger und bis zu 85 Zentimeter breit sein. Im Abferkelbereich, wo sich der Nachwuchs von den Müttern löst, soll die Kastenhaltung nach höchstens fünf Tage und nicht mehr wie bisher nach 35 Tagen enden, im Deckzentrum nach acht Tagen. Hier sind aktuell vier Wochen erlaubt. Die bisher übliche lange Fixierung in engen Kästen schränke die Sauen stark ein und könne zu erheblichen Schmerzen, Leiden und Schäden führen, heißt es zur Begründung in der Novelle zur Schweinehaltung, die der Bundesrat schon im Februar beschließen wollte, aber vertagt hat.
Ein Freilauf wäre für die Tiere viel schöner – ist aber nicht wirtschaftlich
Bohnenkamp hat in den Ställen mehr Türgitter eingebaut, damit die Bewegungsräume für die Tiere flexibel gestaltet werden können. Stroh auf dem Boden, eine Bürste zum Schubbern, Beißhölzer und Kaubälle – der Schweinealltag wird abwechslungsreicher. Vor einem Stall gibt es ein Freigelände, die sogenannte Arena, in der die Sauen vor dem Decken ihre Rangkämpfe austragen. Bohnenkamp: „Die Schweine zeigen uns, ob wir mit unseren Ideen richtig liegen.“ Bei ihm liegen die Tiere im Stall friedlich nebeneinander und holen sich ihr Fressen aus dem Futterautomaten. Doch gleichwohl wünscht man den Tieren einen Freilauf an der frischen Luft in der Natur.
„Das bedeutet hohen Aufwand und zusätzliche Risiken“, sagt Bohnenkamp. Zunächst sei eine große Fläche nötig, Hütten müssten gebaut werden, in die sich die Tiere zurückziehen können. Außerdem sei der Einsatz von Antibiotika in den letzten sechs Jahren deutlich zurückgegangen, die Veterinär- und Untersuchungsämter überwachten die Antibiotikagabe. „Ich habe gerade mit einer Kollegin gesprochen, die die Freilaufhaltung ihrer Schweine wegen des hohen Aufwands nach zehn Jahren wieder aufgegeben hat. Und da ist sie nicht die einzige“, sagt Bohnenkamp.
„Wir würden ja gern mehr machen, um die Tierhaltung weiter zu verbessern. Das geht aber nur, wenn wir mehr Geld für unsere Produkte bekommen“, sagt Vorstandskollege Pahl. Wenn jeder ein Euro pro Kilo oder 20 Cent pro Tag Kilo Schweinefleisch mehr bezahlen würde, würde das den Landwirten schon enorm helfen. Doch der Aufpreis lasse sich kaum realisieren. Dagegen stehe der massive Konkurrenzkampf der Lebensmittelketten.
Wer Jens-Walter Bohnenkamp in die Schule einladen will, meldet sich beim Kreisbauernverband unter 04551/24 25.