Norderstedt. Die Corona-Pandemie verstärkte die Nachwuchssorgen der Unternehmen. Doch zuletzt zeigte die Tendenz auf dem Ausbildungsmarkt wieder nach oben.
Die Corona-Pandemie hat auf den Ausbildungsmarkt durchgeschlagen. Die IHK Schleswig-Holstein meldet deutlich weniger Ausbildungsverträge als im Vorjahr. Auch die Agentur für Arbeit spricht von einem „spürbaren Rückgang“ der Ausbildungsplätze. Doch die Talsohle scheint durchschritten, die Situation verbessert sich derzeit deutlich.
„Der Ausbildungsmarkt in Schleswig-Holstein hat in den vergangenen Wochen einen beachtlichen Spurt hingelegt“, sagt die Präsidentin der IHK Schleswig-Holstein, Friederike C. Kühn. Noch im April habe die Zahl der Ausbildungsverträge deutlich hinter den Vorjahreszahlen gelegen, doch im Sommer hätten viele Unternehmen ihr Stellenangebot für den Nachwuchs verstärkt.
Flexible Lösungen mit einem späteren Ausbildungsbeginn
Die Kammer versuche zusammen mit den Arbeitsagenturen auch in den kommenden Wochen noch, flexible Lösungen zu finden und Azubis und Betriebe zusammenzubringen – unabhängig von Stichtagen. Dass die Ausbildung am 1. August oder 1. September beginnen müsse, sei schließlich nirgendwo festgeschrieben.
Für den 1. August meldet die IHK Schleswig-Holstein 7200 neue Ausbildungsverträge für die Bereiche Industrie, Handel und Dienstleistungen, 18 Prozent weniger als 2019. Ende Juni habe das Minus allerdings noch bei 25 Prozent gelegen. Die Betriebe im Kreis Segeberg haben der Arbeitsagentur Elmshorn 1256 Lehrstellen gemeldet, 120 oder 8,7 Prozent weniger als vor einem Jahr. Parallel sank auch die Zahl der Bewerber um 90 auf 1302. Mitte Juli seien noch 342 Jugendliche auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz gewesen, 484 Plätze waren noch unbesetzt.
In Norderstedt und Umgebung suchten die Firmen 435 Azubis, 55 weniger als vor einem Jahr. 351 Schulabgänger wollten eine Ausbildung beginnen, entgegen dem Trend im Kreis 18 mehr als 2019. Offen sind noch 175 Lehrstellen, unversorgt noch 112 junge Frauen und Männer.
„Durch Corona kann es in diesem Jahr auf dem Ausbildungsmarkt zu Verzögerungen kommen“, sagt Thomas Kenntemich, Leiter der Arbeitsagentur Elmshorn. Prüfungen fanden später statt, Bewerbungsfristen für Schulen und Studiengänge wurden verschoben. Viele Betriebe kämpften noch mit wirtschaftlichen Unsicherheiten. Kurzarbeit und eine ungewisse Zukunft hätten dominiert, die Ausbildung sei in den Hintergrund gerückt. Die Schulen waren geschlossen, Berufs- und Ausbildungsmessen fielen aus, die Berufsberater wurden abgezogen, um die Anträge auf Kurzarbeit zu bearbeiten. „Dadurch sind wir nicht in dem Maße mit den Jugendlichen in Kontakt gekommen wie sonst“, sagt Gerold Melson, Sprecher der Arbeitsagentur.
Verglichen mit vorherigen Ausbildungsjahren hinkt die Stellenbesetzung nach Einschätzung der IHK Schleswig-Holstein um sechs bis acht Wochen hinterher. Durch verbesserte Geschäftsaussichten und die Rückkehr zur Normalität erwartet die Kammer jedoch Aufholeffekte: „Wir haben den Eindruck, dass sich Unternehmen und Jugendliche wieder suchen und vielfach auch noch finden werden. Betriebe fragen verstärkt nach passenden Bewerbern und zeigen die Bereitschaft, auch Nachwuchskräfte von krisengetroffenen Betrieben zu übernehmen“, so Kühn.
Die Arbeitsagentur hofft auf einen „fulminanten Schlussspurt“. Auch nach den Ausbildungsstarts Anfang August und Anfang September wird es Angebote geben. „Wer auf der Suche ist, sollte jetzt seine Chancen wahren und sich bewerben. Besonders die betriebliche Ausbildung bietet weiterhin hervorragende Zukunftsperspektiven – auch für Abiturienten“, betont Thomas Kenntemich.
Vorbildliche Betriebe in Norderstedt ausgezeichnet
Keinen Einfluss hatte Covid-19 auf die Ausbildung im kommunalen Bereich. Die Stadtverwaltung und die Stadtwerke in Norderstedt haben genauso viele Nachwuchskräfte aufgenommen wie immer. Auch viele Betriebe setzen die Ausbildung fort und trotzen der Pandemie. So bildet die Firma Metalock in Norderstedt einen Jugendlichen zum Industriemechaniker aus und bietet einen weiteren Ausbildungsplatz. In der Firma Wien Computer Experte begann Joshua (18) seine Lehre als Kaufmann für IT-System-Management. „Auch in dieser durch Corona angeschlagenen Zeit ist es wichtig, langfristig zu denken und auf die Ausbildung eigener Fachkräfte zu setzen, die frische Ideen in die Firma bringen“, sagt Geschäftsführer Frank Wien. Joshua sagt, er sei „dankbar dafür, meine Ausbildung trotz der aktuellen Situation beginnen zu dürfen und meinem Ziel, mit kaufmännischem Blick in die IT einzutauchen, ein Stück näherzukommen“.
Die Firma Metalock zählt zu den vier Betrieben, die die Arbeitsagentur auszeichnet. Auch Hinrich Plambeck Baustoff- und Holzhandel GmbH & Co. KG OBI Markt sowie BW Papersystems Hamburg GmbH in Wedel und die DREI-D Direktwerbung GmbH & Co. KG in Elmshorn bekommen das Zertifikat für Nachwuchsförderung.