Kaltenkirchen. Verteilzentrum des Internet-Riesen in Kaltenkirchen nahm Mittwoch den Betrieb auf – Rundgang mit Standort-Chef Christian Bojar.
Jetzt rollen die Amazon-Transporter: Am Mittwoch hat der Internet-Handelsriese sein neues Verteilzentrum in Nützen bei Kaltenkirchen in Betrieb genommen. Um 0.15 Uhr traten in dem 12.000 Quadratmeter großen Bau an der A7 die ersten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur ersten Nachtschicht an und begannen damit, versandfertige Pakete zu sortieren.
Täglich werden vom neuen Verteilzentrum aus zunächst 20.000 bis 30.000 Sendungen an Amazon-Kunden in einem Umkreis von 50 Kilometern bis an die Haustür geliefert. Dafür sorgen 250 Fahrerinnen und Fahrer der Logistikpartner des Online-Versandhändlers mit ihren Kleintransportern. In der Halle ist Amazon nur Nutzer, nicht Inhaber: Bauherr und Eigentümer ist der Hamburger Projektentwickler Panattoni. Er investierte einen „zweistelligen Millionenbetrag“ in den Bau. Amazon übernimmt die Halle mit einem Leasingvertrag.
Kurz vor dem Start: Alles ist sauber und aufgeräumt
Ein Blick hinter die Kulissen von Amazon am Mittwoch, wenige Stunden vor dem Betriebsstart: Amazon-Standortleiter Christian Bojar geht durch die menschenleere Halle und schaut, ob alles in Ordnung ist. Noch stehen die endlosen Förderbänder in dem großen Gebäude still. Noch sind die zahllosen bunten Taschen leer, in die die Mitarbeiter der Frühschicht die versandfertigen Pakete stecken werden, die die Fahrer dann auf silberfarbenen Rollwagen in Empfang nehmen, bevor sie auf ihre von einem Computerprogramm täglich und individuell neu definierte Tour gehen.
Die Halle ist penibel aufgeräumt. Alles steht exakt dort, wo es hingehört. Die in Corona-Zeiten wichtigen Markierungen für den Abstand und ein klares Wegekonzept für die Mitarbeiter sind vorhanden. Wärmebildkameras an den Eingängen messen automatisch die Körpertemperatur vor beim Betreten der Halle. Und auch die der Fahrer. Bei erhöhter Temperatur gibt es keinen Zutritt – und eine Empfehlung, unverzüglich zum Arzt zu gehen.
Im Schein tausender LED-Lampen wirkt in der Halle alles wie geleckt. Standortleiter Bojar ist zufrieden – obwohl im Verteilzentrum zu diesem Zeitpunkt noch kein einziger Versandmitarbeiter und kein einziges Paket zu sehen ist. ,,Die Ware kommt nachts aus unseren Logistikzentren, mit dem Lastwagen, zum Beispiel aus Winsen. Sie wird versandfertig in Nützen angeliefert. Die Nachtschicht sortiert die Pakete, die Frühschicht stellt die Ware für die Fahrer zusammen“, erklärt Bojar den groben Ablauf. Damit jedes Paket nachverfolgt werden kann, bekommt es einen gelben Aufkleber mit einem Code, den die Mitarbeiter scannen. Von Hand werden die bereits vorsortierten Pakete auf die Förderbänder verfrachtet.
Wenn es gut läuft, ist das Paket nach drei Stunden weg
Anschließend werden sie von weiteren Mitarbeitern auf der Bühne manuell an einen der fünf ,,Finger“ mit der jeweils passenden Postleitzahl zugeordnet, wo sie ein weiterer Mitarbeiter in Empfang nimmt, den Code erneut scannt und das Paket in einen zugehörigen Behälter verfrachtet. Wenn der Code auf dem Paket und auf dem Behälter übereinstimmen, wisse das System, dass sich das Paket in der richtigen Tasche befindet, sagt Bojar.
Die Tourenplanung übernimmt eine lernfähige Software, die aktuelle Erfahrungen der Fahrer – wie Geschäftsöffnungszeiten oder Baustellen – einbezieht. ,,Ein Paket befindet sich im günstigsten Fall drei, im ungünstigsten Fall zwölf Stunden im Verteilzentrum“, sagt Bojar. Er legt Wert darauf, dass das Paket möglichst beim ersten Versuch zugestellt wird. ,,Die beste Tour ist die, die nicht gefahren werden muss“, scherzt der Standortleiter.
Zurzeit steuern nachts acht schwere Lastwagen das Verteilzentrum an, um Ware anzuliefern, die von 250 Kleintransportern ,,auf der letzten Meile“ verteilt wird, wie es bei Amazon heißt. Das Zustellgebiet umfasst den Süden Schleswig-Holsteins und den Norden Hamburgs. ,,Wir fahren das Volumen langsam hoch“, sagt Amazon-Sprecherin Nadiya Lubnina. Im normalen Betrieb seien etwa 40 Lastwagen und 500 Kleintransporter für die Auslieferung unterwegs. „Damit kommen wir auf rund 1000 Fahrzeugbewegungen am Tag.“
Die Transporter der Mercedes-Vito-Klasse werden zurzeit in Wellen von bis zu 48 Fahrzeugen abgefertigt, bevor sie das Gelände gemeinsam über die Kirchenstraße und die Straße Op’n Camp, am Globus Baumarkt in Kaltenkirchen vorbei, zur A7 hin verlassen und auf Tour gehen. Man habe besonderes Augenmerk darauf gelegt, dass die Logistikpartner aus der Region kommen, sagt die Sprecherin. Es gebe weiteren Bedarf an Fahrern.
Acht Mitarbeiter kümmern sich um die Verkehrslenkung
Auch Start Ups würden von Amazon unterstützt. Ein Beispiel ist Ben Wetter aus Hamburg, Geschäftsführer eines kleinen Transportunternehmens mit Sitz in Nützen, der mit seinem Team auf dem Parkplatz des Verteilzentrums die Sonne genießt, nachdem er den Mitarbeitern die operativen Abläufe erklärt hat. ,,Wir freuen uns, dass wir hier jetzt loslegen können und wollen unsere Flotte auf 21 Fahrzeuge vergrößern. Und wir zahlen gern unsere Gewerbesteuer in Nützen“, betont der Unternehmer.
Die Befürchtung von Anwohnern, die Fahrer könnten bei hohem Verkehrsaufkommen womöglich von ihrer vorgegeben Route abweichen und über den Kirchenweg und die Brücke über der A7 nach Kampen ausweichen, begegnet Amazon mit Verkehrslenkung. ,,Wir haben unsere Fahrer eingehend über die Lage aufgeklärt. Der Kirchenweg mit seiner schmalen Brücke über die A7 ist nur für Fahrzeuge bis 2,8 Tonnen ausgelegt. Wir werden sicherstellen, dass der Weg von den Vans nicht befahren wird. Acht unserer Mitarbeiter kümmern sich allein darum und lenken den Verkehr.“