Kreis Segeberg. Bauern im Kreis Segeberg ärgern sich über Anspruch und Wirklichkeit der Verbraucher – Kreisbauernvorsitzender Bohnenkamp: „Das System ist krank!“
Neue Düngemittelverordnung, Tierschutz-Nutztiergesetz, niedrige Lebensmittelpreise – die Landwirtschaft in Deutschland steht zurzeit ganz schön unter Druck. Sie sollen möglichst biologisch anbauen, dürfen ihre Felder jetzt nur noch mit 80 Prozent der bisherigen Menge an Phosphor oder Stickstoff düngen und müssen ihre Ställe mit mehr Platz und Licht für die Tiere ausstatten. Das kostet Arbeit, Zeit und Geld.
„Gleichzeitig achtet der Verbraucher beim Einkauf nur auf den billigsten Preis“, sagt Bauer Christian Fölster. Es ist das Dilemma, in dem er und seine Branche steckt. Fölster hat auf seinem Hof in Kisdorferwohld 300 Milchkühe stehen und er bewirtschaftet 350 Hektar Land. „Von Lippenbekenntnissen wirst du nicht satt.“ Anspruch und Wirklichkeit klafften beim Konsumenten weit auseinander. „Wenn 80 Prozent der Bevölkerung angeblich auf Bio-Landwirtshaft besteht, dann stellen wir den Betrieb um und halten nur noch die Hälfte der Kühe.“
Doch dann stiegen die Preise in den Lebensmittelmärkten gewaltig, sagt Fölster. Das sei die andere Seite der Medaille. „Und das ist, was viele nicht wollen oder es sich auch gar nicht leisten könnten. Und darum bleibt die Biolandwirtschaft ein elitärer Markt.“
Der Kreisbauernvorsitzende Jens-Walter Bohnenkamp aus Norderstedt bringt es für die für 850 noch aktiven Landwirte im Kreis Segebergauf den Punkt: „Das ganze System ist krank!“ Bohnenkamp führt in Norderstedt den letzten Schweinemastbetrieb im Kreis. „Es muss mehr Geld bei den Höfen ankommen. Wir müssen aufhören, unsere Ware zu verramschen und bereit sein, für Qualität zu bezahlen“, fordert Bohnenkamp. Sonst werde sich nichts ändern. Auf lange Sicht stünde sogar die familiäre Bauernwirtschaft auf dem Spiel, warnt Fölster. Immer mehr Höfe würden aufgeben und von regelrechten landwirtschaftlichen Industriebetrieben verdrängt. „Dann haben wir das, was die Gesellschaft ja eigentlich nicht haben möchte – große landwirtschaftliche Konzerne, wie es bereits im Einzelhandel der Fall sei, wo fünf Supermarktketten die Preise vorgeben.“
Beispiel: Milchpreis. Aktuell bekomme er 29 Cent je Liter Milch, erklärt Fölster, dessen Hochleistungsrinder gut 10.000 Liter Milch am Tag geben. Das läuft bei ihm vollautomatisch. Die Kühe werden durchschnittlich 3,1-mal am Tag von einem der fünf Melkroboter gemolken, die jeweils 150.000 Euro gekostet haben. Um kostendeckend zu sein, müsste der Milchpreis bei 35, wenn nicht gar 40 Cent je Liter liegen.
„Aber im Discounter darf der Liter Milch nur 50 Cent kosten“, ärgert sich der Landwirt. Wenn der Milchpreis nur um zwei Cent höher ausfiele, könnten Milchbauern wie Fölster eine fünfstellige Summe mehr im Jahr ausgeben, rechnet Verbandsvorsitzender Bohnenkamp vor. „Da muss der Hebel ansetzen.“
Fölster und Kollegen gelinge es nur durch „Selbstausbeutung“ zu überleben. Eltern und Kinder müssten mithelfen, möglichst ohne Gehalt, sagt Fölster, der den Hof in vierter Generation führt. Trotz der eingesetzten Robotertechnik verlange jede Kuh gut 30 Stunden Arbeit im Jahr. Dieser Aufwand sei ohne Überstunden und vier Hilfskräfte nicht zu bewältigen.
Für kleinere Betriebe aber seien die modernen Maschinen kaum zu finanzieren und der Arbeitsaufwand erst recht nicht mehr zu schaffen, ergänzt Detlef Stolten, der auf seinem 130-Hektar Hof in Sülfeld die Milchviehwirtschaft vor einigen Jahren aufgegeben hat. „Ein Milchviehbetrieb mit 60 bis 70 Kühen ist heute eine reine Horrorgeschichte.“
So haben Fölster und Stolten sich vor einigen Jahren mit einer Biogasanlage ein zusätzliches wirtschaftliches Standbein geschaffen. Die erzeugt etwa 6,5 Millionen Kilowattstunden Strom im Jahr, was für rund 1500 Haushalte ausreicht. Und gut 30 Häuser in der Nachbarschaft könnten mit der Abwärme heizen und warm duschen. Vier Millionen Euro haben die beiden Betreiber in diese Biogasanlage investiert, die wie 600 andere Biogasanlagenbetreiber im Land ihre Energie über den Verbund Nordgröön direkt vermarkten. Bei der Investitionssumme von vier Millionen Euro sei ihm anfangs „schwindelig geworden“, gibt Mitbetreiber Stolten zu.
Das Problem sei, dass Naturschutzverbände, Verbraucher, Handel und Politik zum Teil stark widersprechende Ansprüche an die moderne Landwirtschaft stellten, sagt Jörg Reher, der in Leezen auch eine Biogasanlage betreibt. „Wenn es uns gelingen würde, diese total verschiedenen Vorstellungen endlich einmal emotionslos zu diskutieren und zusammenzubringen, wäre schon viel gewonnen.“
Trotz alledem bereite ihnen ihre Arbeit aber noch Freude, betonen die drei Landwirte aus dem Kreis Segeberg. „Ich hab’s mir ja ausgesucht. Es macht noch Spaß“, sagt Fölster. „Eigentlich machen wir auch einen Super Job.“ Doch leider werde das von der Gesellschaft zu wenig anerkannt.