Kreis Segeberg. Olaf Weddern und seine Kollegen vom Verein Wildtierrettung Segeberger Heide sorgen mit dafür, dass die Mahd keine Tierleben kostet.
Ein totes junges Reh direkt auf der Nachbarkoppel war vor drei Jahren für Olaf Weddern in Latendorf ganz im Norden des Kreises Segeberg die Initialzündung. Dieses traumatische Erlebnis hat den Polizeibeamten, Jäger und stellvertretenden Leiter des Hegerings XI, zuständig für das Revier in Boostedt, Großenaspe und Kleinkummerfeld, zum erklärten Rehkitz-Retter gemacht. „Das war der entscheidende Moment.“ Mit Freunden und Gleichgesinnten gründete er den Verein Wildtierrettung Segeberger Heide, der seit 2018 aktiv ist und etwa 270 junge Rehe vor dem sicheren Tod bewahrte.
Allein in diesem Frühjahr seien es 140 Rehkitze gewesen, berichtet Weddern. All die Hasen, Fasane, Enten, Gänse, Gelege, Damkälber und erwachsenen Rehe nicht mitgezählt, die sie seit Beginn ihrer Aktion im Jahr 2018 vor dem Mähdrescher der Landwirte bewahrt haben.
Weddern und sein Freund Sebastian Grieser, auch ein Natur- und Tierfreund aus Benz bei Bad Malente, die diese Initiative ins Leben gerufen haben, gehen dabei mit modernster Technik vor. Statt wie bisher mit Lärm, Rasseln, Rauchmeldern oder Hunden die Tiere vor der Mahd aus dem hohen Gras zu verscheuchen, lassen sie die Felder unmittelbar vor dem Abmähen von einer Drohne abfliegen. Das mit einer Wärmebildkamera ausgerüstete Fluggerät zeigt ihnen anhand von hellen Flecken auf dem Monitor live und in Echtzeit, wo sich Tiere darin versteckt aufhalten. Da frisch geborene Rehkitze sich tagelang nicht bewegten, wären sie verloren, wenn sie vor der Grasmahd nicht entdeckt würden, erklärt der Tierretter.
„Wir bringen das Rehkitz in einem Korb zum Knick an den Rand des Feldes und sorgen dafür, dass es nicht wieder aufs Feld laufen kann.“ Dabei gingen sie äußerst behutsam vor und trügen Handschuhe, damit das junge Reh auf keinen Fall menschliche Geruchsspuren annimmt, die das Muttertier irritieren und dazu bringen können, ihr Junges zu verlassen. Anschließend beginnt der Landwirt sofort mit den Mäharbeiten.
Es ist eine äußerst anstrengende und kostspielige Aufgabe, die sich Weddern und seine Kollegen „Basti“ Grieser, Frank Zabel aus Hartenholm und Hinnerk Bellman aus dem Kreis Plön hier gestellt haben. Von Ende April bis Mitte Juni sind sie fast jeden Morgen im Einsatz. Mitten in der Nacht stehen sie auf, um bei Dämmerung früh um 4 oder 5 Uhr die Wärmebildkamera mit der Drohne 60 bis 100 Meter über das zu mähende Feld fliegen zu lassen. Das dauere je nach Größe ein paar Stunden, erklärt Weddern.
Etwa fünf bis sechs Felder, 25 bis 70 Hektar, schafften sie zu dritt oder viert pro frühen Morgen. Einer bedient das Fluggerät, ein anderer hat den Bildschirm im Blick und die anderen schützen die gefundenen Tiere. „Pro Einsatz zwischen zwei und zehn Rehkitze“, sagt Weddern. Danach führen sie alle zur Arbeit – völlig erschöpft, aber zufrieden.
„Das ist Tierschutz pur“, sagt Wolfgang Heins. Der Präsident des Landesjagdverbandes Schleswig-Holstein schätzt, dass es inzwischen ein gutes Dutzend solcher Vereine und Initiativen im Land gebe, die jedes Jahr im Frühjahr mit Hilfe von Flugdrohnen die abzumähenden Felder abflögen, um die darin gesetzten Rehkitze „vor dem sinnlosen Tod oder der Verstümmelung zu bewahren“.
Wobei die Initiativen des Jagdkollegen Weddern im Kreis Segeberg und die seines Vizepräsidenten Axel Clausen in Dithmarschen die ersten dieser Art in Schleswig-Holstein gewesen seien. Zusammen mit den Landesverbänden Hamburg, Niedersachsen, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern habe der Landesjagdverband vor einem Jahr die Norddeutsche Wildtierrettung gegründet, berichtet Heins. Diese solle insbesondere Spenden einwerben, da eine solche Hightech-Drohne mit Wärmebildkamera etwa 10.000 Euro koste.
Zudem müssten die Tierretter für ihr Fluggerät einen Pilotenschein nachweisen und eine behördliche Genehmigung zum Abfliegen der Felder einholen, erklärt der Landesjagdchef. Er setzt auf weitere Initiativen dieser Art im Land. „Das ist absolut ausbaufähig.“
Weddern und seine Segeberger Kollegen konnten sich jetzt eine zweite Drohne zulegen, sodass sie in diesem Frühjahr die Zahl der geretteten Tiere im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt haben. Die Deutsche Postcode-Lotterie unterstützte ihren Verein mit 8000 Euro, sodass sie jetzt an einem Tag zwei Drohnen gleichzeitig fliegen lassen könnten. „Wir können aber durchaus noch freiwillige Helfer oder weitere Vereine dieser Art gebrauchen“, hofft auch Weddern auf mehr Unterstützung.
Bei den Landwirten kommt dieser für sie kostenlose Service sehr gut an, wie Christian Fölster berichtet, der 350 Hektar Land bewirtschaftet und 350 Milchkühe auf seinem Hof im Kisdorfer Wohld stehen hat. Er habe über die Drohnen-Retter aus dem Bauernblatt erfahren und diese für die Mahd Anfang Mai erstmals angefordert. In zwei Tagen hätten Weddern und seine Kollegen ein 100 Hektar großes Feld so abgesucht und 13 Rehkitze vor dem sicheren Tod bewahrt.
Er mähe das Gras meist so früh im Jahr, bevor die Rehkitze gelegt würden, erklärt Landwirt Fölster. Wegen des milden Winters in diesem Jahr hätten die Tiere aber früher als sonst ihre Jungen bekommen, was sich ohne die Drohnen-Flugaktion fatal für die Rehe auf seinem Feld ausgewirkt hätte.
Auch der Bauernverband lobt diese Wildtierrettungsvereine wie im Kreis Segeberg. „Der Bauernverband Schleswig-Holstein bringt sich aktiv ein und ist dem Verein Norddeutsche Wildtierrettung beigetreten, dem weitere norddeutsche Bauernverbände und Landesjagdverbände angehören“, teilt Verbandssprecherin Kirsten Hess dazu auf Nachfrage mit. „Dieser Verein dient der Vernetzung und engagiert sich vor allem für die Finanzierung von regionalen Drohnenprojekten und generell für das Anwerben von Mitteln zur Wildtierrettung.“
Olaf Weddern ist froh, dass die Mähsaison nun vorbei ist und er endlich wieder ausschlafen kann. Seine Frau Evy, selbst Jägerin, habe vollstes Verständnis dafür. „Sie unterstützt dieses Projekt zu 110 Prozent.“
Kontakt zum Verein unter wildtier-rettung.de