Norderstedt. Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder will weitere Gespräche mit dem Konzern führen. Die Lage sei aber mehr als schwierig.

Die Perspektive für Karstadt und Karstadt Sports in Norderstedt bleibt düster, die Chance auf eine Rettung ist offenbar sehr gering. Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder nahm am Freitag an einer Videokonferenz teil, zu der auch Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (SPD), Gewerkschaftsvertreter und die Bürgermeister von Kiel, Lübeck, Flensburg und Neumünster zugeschaltet waren. Der angeschlagene Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof erläuterte bei dem Termin Hintergründe zu den drohenden Schließungen.

„Ich bin sehr dankbar, dass die Karstadt-Geschäftsführung sehr offen und mit großer Transparenz zu den einzelnen Standorten gesprochen hat“, so Roeder. Es gebe keine „Schließungsliste“, wohl aber eine „Fokusliste“ mit gefährdeten Standorten. „Die Zahlen für Norderstedt zeigen, dass die Lage mehr als schwierig ist. Das Haus ist auch von den Corona-Einbußen bitter betroffen“, betonte die Oberbürgermeisterin.

Karstadt-Schließungen: Nähe zu Hamburg ein Minuspunkt für Nordersted

Ein Pluspunkt sei zwar, dass Norderstedt eine wachsende Stadt ist – negativ dagegen schlägt die Nähe zu Hamburg zu Buche. Roeder: „Es sieht nicht gut aus. Das heißt aber nicht, dass wir nicht noch einen Rettungsversuch unternehmen. Es ist eine Herkulesaufgabe, den Standort zu retten. Und wir haben nur wenige Tage Zeit. Wir werden seitens der Stadt, seitens der Wirtschaftsförderung versuchen, mit Galeria Karstadt Kaufhof ins Gespräch zu kommen.“

Ein öffentlicher Protest gegen die drohende Schließung der Filialen ist in Norderstedt bislang ausgeblieben. Anders als zum Beispiel in Lübeck, wo Mitarbeiter in der Innenstadt demonstrierten und der Bürgermeister zum Megafon griff. In Nordrhein-Westfalen trommelte Ver.di am Freitag die Mitarbeiter von 22 Standorten in Dortmund für eine Kundgebung zusammen, für diesen Sonnabend ist auch in der Hamburger Innenstadt eine Veranstaltung geplant.

In Norderstedt sind bei Karstadt annähernd 60 Arbeitsplätze in Gefahr, dazu kommen die Mitarbeiter bei Karstadt Sports und Arbeitsplätze bei Untermietern. Gabriela Haase, Vorsitzende des Betriebsrats in Norderstedt, sagte auf Abendblatt-Anfrage lediglich: „Ich möchte keinen Kommentar abgeben.“

Kunden wünschen sich, Karstadt möge in Norderstedt bleiben

Die Kunden dagegen halten mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg. Und sie kaufen momentan verstärkt ein, was die Oberbürgermeisterin freut. „Ein tolles Signal.“ Viele Kunden wünschen sich, dass Karstadt bleibt. Für Marianne und Uwe Vollmers aus Hen­stedt-Ulzburg ist Karstadt seit mehr als 50 Jahren ein fester Einkaufsort. „Wir sind schon lange Kunden und kaufen hier viel ein“, sagt Uwe Vollmers. Die mögliche Schließung bedeutet für das Ehepaar den Verlust einer guten Einkaufsgelegenheit. „Hier findet man immer ein großes Sortiment. Eine Schließung ist unerhört“, sagt Marianne Vollmers. „Ohne Karstadt bleiben hier dann nur noch so kleine Billigläden, und da kann ich nicht einkaufen.“ Auch das Gesamtbild des Herold-Centers würde seinen Wert verlieren, sagen sie.

Marianne und Uwe Vollmers aus Henstedt-Ulzburg sind seit über 50 Jahren treue Kunden des Warenhauses.
Marianne und Uwe Vollmers aus Henstedt-Ulzburg sind seit über 50 Jahren treue Kunden des Warenhauses. © Luka Simon | Luka Simon

Auch Miriam Lorenzen aus Garstedt, die mit ihrem kleinen Sohn Fynn unterwegs ist, würde das große Sortiment von Karstadt fehlen. „Ich kaufe dort oft Stoffe, Bücher oder Spielzeug für meinen Kleinen, die haben ja eigentlich alles da“, sagt sie. „Schon kurz vor Ostern wurden die Osterartikel um 50 Prozent reduziert“, erinnert sie sich. Dass solch eine große Firma wie Karstadt schließen muss wegen fehlender finanzieller Rücklagen, wundere sie. „Viel kann man ja leider nicht dagegen machen, ich glaube deswegen wird die mögliche Schließung so hingenommen.“

Sorgen um die Zukunft des Herold-Centers mache sie sich aber keine. Anders als der Norderstedter Michael Junge. „Das wird Nebenwirkungen haben für die umliegenden Läden, weil die Kunden ausbleiben werden, wenn Karstadt schließt“, befürchtet er. Auch er ist mit seiner Frau häufig in der Filiale. „Wir bestellen zwar auch im Onlineshop mal etwas, aber gerne nutzen meine Frau und ich auch die Kaufhäuser.“ Eine Schließung von Karstadt befürwortet er jedenfalls nicht. „Was soll in das leerstehende Gebäude rein? Solch große Läden gibt es ja gar nicht mehr.“ Von der Stadt wünscht er sich mehr Intervention: „Es wird so vieles gefördert, warum soll man dann nicht auch den Kaufhäusern unter gewissen Auflagen helfen?“

Saturn-Schließung? Konzern dementiert Gerüchte

Doch nicht jedem macht die Schließung etwas aus. Fünf Jugendliche aus Quickborn und Bönningstedt geben an, bisher nichts von der Schließung gehört zu haben. „Uns ist das egal, wir sind da nie“, sagen sie. Auch eine junge Mutter aus Norderstedt, die mit Kind aus dem Herold-Center kommt, gibt an, nie bei Karstadt einzukaufen.

Einer, der die bewegte Entwicklung des Karstadt-Standorts direkt miterlebt hat, ist Stefan Schiller, Geschäftsführer des Eiscafés Venezia. „Die Angestellten sind regelmäßig Kunden bei uns. Am vergangenen Donnerstag waren sie zu siebt hier. Es gibt eine Hoffnung in der Belegschaft, dass sich noch etwas ändert.“ Wie es um das Herold-Center bestellt sei ohne Karstadt? „Hoffnungslos“, so Schiller. Es gebe Gerüchte, dass Kaufland oder Real die 10.000 Quadratmeter große Fläche übernehmen könnte. „Und ich habe aus der Belegschaft gehört, dass Saturn angekündigt hat, zum Jahresende zu gehen, wenn Karstadt schließt.“ Das kann eine Sprecherin von Mediamarkt-Saturn nicht bestätigen. „Wir beobachten die Situation und befinden uns hierzu in einem engen Austausch mit allen Beteiligten. Der Standort Norderstedt ist für unsere Kunden absolut relevant und damit auch für uns weiterhin interessant.“