Norderstedt. Sparpläne: Die angeschlagene Warenhauskette will die Filiale am Herold-Center in Garstedt schließen.

Schock in Norderstedt: Die Karstadt-Filiale im Herold-Center wird offenbar geschlossen. Nach Angaben der Gewerkschaft Verdi ist Norderstedt eine der bundesweit 62 Filialen von Galeria Karstadt Kaufhof (GKK), die von den Schließungsplänen des Unternehmens betroffen sind.

Wie berichtet kämpft Karstadt schon länger ums Überleben. Bereits vor der Corona-Krise befand sich Deutschlands letzte große Kaufhauskette in wirtschaftlicher Schieflage, da die Konkurrenz durch den Onlinehandel immer größer und die Kundenzahl immer geringer wurde. Allein im vergangenen Jahr soll der Verlust bei 78 Millionen Euro gelegen haben.

Die bundesweiten Geschäftsschließungen im Zuge der Pandemie haben die Situation jetzt noch einmal verschärft. Angesichts der Situation rechnet man im Unternehmen mit Umsatzeinbußen von bis zu 1,4 Milliarden Euro bis 2022. Der fusionierte Warenhaus-Riese hatte daraufhin Anfang April ein Schutzschirmverfahren in Eigenverwaltung eingeleitet, das als Vorstufe der Insolvenz gilt.

Bis zuletzt hatten Management und Arbeitnehmervertreter über die Zukunft verhandelt. Erst am Nachmittag wurden die Mitarbeiter über die Pläne informiert, wonach 62 der bundesweit 172 Filialen geschlossen werden sollen. „Zunächst“, wie es heißt. Das ist schon jetzt mehr als ein Drittel aller Filialen. Schleswig-Holstein ist von dem Sparprogramm besonders hart betroffen. Vermutlich sollen hier alle Standorte außer Kiel geschlossen werden – also die Häuser in Lübeck, Neumünster, Flensburg – und Norderstedt. Insgesamt arbeiten hier 280 Beschäftigte.

Die Mitarbeiter in Norderstedt sind teilweise seit Jahrzehnten dabei

Die Schließung trifft die Mitarbeiter offenbar vollkommen unvorbereitet. Noch vor Wochen zeigte sich Gabriele Haase, die Betriebsratsvorsitzende von Karstadt Norderstedt, ahnungslos. „Wir wissen hier von nichts. Nur das, was in der Presse zu lesen war.“ Die Stimmung in der Belegschaft war entsprechend. „Die meisten Mitarbeiter im Haus sind schon sehr lange dabei, manche über Jahrzehnte.“ Die mögliche Schließung des Hauses wird sie nun besonders hart treffen.

Mit der Wahrscheinlichkeit der Schließung des Norderstedter Hauses leben die Mitarbeiter bei Karstadt an der Berliner Allee schon seit vielen Jahren. 2009 wurde das Aus für Norderstedts einziges Kaufhaus gerade noch abgewendet. Es wurde umfänglich umgebaut, die Lebensmittelabteilung verschwand, später das beliebte Restaurant. Doch schon 2013 unkte der Warenhaus-Experte Gerd Hessert in seiner Studie, dass Norderstedt langfristig seine tragfähige Marktposition nicht wird behaupten können. Er gab Norderstedt den Stempel: „stark gefährdet“.

Noch 2016 glaubte sich die Belegschaft gut aufgestellt für die Zukunft

Doch allen Unkenrufen zum Trotz hielt sich das Haus zunächst. 2016 urteilte die damalige Filialleiterin Manuela Kohrt, man sei gut aufgestellt für die Zukunft. Das Karstadt-Kaufhaus ist ein wichtiger Bestandteil des Einkaufsstandortes Herold-Center in Garstedt. Das Management des 1971 eröffneten Centers reagierte bestürzt auf die Nachricht. „Das ist für das Angebot bei uns am Standort, wie für Norderstedt insgesamt, natürlich ein großer Verlust - und für alle betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein ganz schwerer Schlag“, sagte Centermanager Thomas Krause dem Abendblatt.

Obwohl Galeria Karstadt Kaufhof kein Mieter im Herold Center sondern der benachbarten De-Gasperi-Passage sei, die von der MEC Metro-ECE Centermanagement GmbH & Co. KG vermietet und vermarktet wird, stimme ihn die Nachricht sehr traurig. Krause hatte 1980 seine Laufbahn im Einzelhandel bei Karstadt begonnen.

Das Aus für Karstadt reißt ein großes Loch in den Einkaufsstandort Herold-Center

Die Schließung des Traditionshauses reißt ein großes Loch in das Einkaufszentrum mit der angeschlossenen De-Gasperi-Passage. Erst 2013 war die Verkaufsfläche im Zuge der Süderweiterung des Herold Centers auf 10.000 Quadratmeter ausgebaut worden. Verdi sprach am Freitag von einem Kahlschlag. „Das ist eine ganz bittere Botschaft für die Beschäftigten im Karstadt-Traditionsland Schleswig-Holstein“, sagte Verdi-Handelsexperte Matthias Baumgart. Wann die Filialen geschlossen werden sollen, ist noch nicht bekannt. Verdi-Landeschefin Susanne Schöttke forderte die Landesregierung auf, unverzüglich gegenzusteuern. Sie müsse die Kommunalpolitik, Unternehmensvertreter und Vermieter an den Tisch holen, um gemeinsam ein Konzept zu erarbeiten. Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) sprach von einer „bitteren Nachricht“ und kündigte an, mit den Verantwortlichen bei Karstadt Gespräche führen zu wollen.

Den Konzernplänen zufolge dürften rund 6000 der insgesamt 28.000 Mitarbeiter ihre Arbeitsplätze verlieren. „Wir wissen, was dies für die betroffenen Mitarbeiter bedeutet. Aber dieser Schritt ist ohne Alternative, weil diese Filialen den Gesamtbestand des Unternehmens gefährden“, sagte der GKK-Generalbevollmächtigte Arndt Geiwitz. Für die Schließungsfilialen bestehe angesichts der Corona-Folgen keine wirtschaftliche Perspektive mehr. Laut Sozialplan sollen gekündigte Mitarbeiter für mindestens sechs Monate in eine Transfergesellschaft wechseln können.

Besonders bitter: Die angekündigten Schließungen könnten erst der Anfang sein. Denn die Verhandlungen bei der Tochter Karstadt Sports laufen separat und sind noch nicht abgeschlossen. Auch dort wird es laut Experten auf Filialschließungen hinauslaufen. Angeblich geht es dort um 20 Standorten, die vor dem Aus stehen sollen. In Norderstedt befindet sich ebenfalls eine Filiale von Karstadt Sports.