Norderstedt. Das Institut für berufliche Aus- und Fortbildung rechnet im Herbst mit doppelt so vielen Neulingen wie im Frühjahr.

Die Pflegebranche erhält in Zeiten der Corona-Krise nicht nur mehr Wertschätzung – auch die Zahl der Auszubildenden steigt: In diesem Frühjahr startete das Institut für berufliche Aus- und Fortbildung (IBAF) in Norderstedt die neue generalistische Pflegeausbildung noch mit knapp 20 Schülern.

Für den Ausbildungsbeginn im Herbst liegen der Pflegeschule nun schon fast doppelt so viele Bewerbungen vor. „Mit so einer großen Nachfrage hätten wir nicht gerechnet“, sagt Schulleiterin Gabriele Lengefeldt. Sie plant für die zweite Jahreshälfte mit zwei Kursen, statt nur mit einem. „Natürlich weiß ich nicht, ob der Zulauf wirklich im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie steht“, sagt Lengefeldt. „Aber die Krise hat bewiesen, dass in der Pflege händeringend Personal gebraucht wird.“

Steigendes Interesse am Pflegeberuf

Derzeit lassen sich mehr als 700 Pflegeschüler an den vier IBAF-Standorten in Norderstedt, Neumünster, Rendsburg und Lübeck ausbilden – das ist Rekord. Doch die Schule freut sich nicht nur über das steigende Interesse am Pflegeberuf, sie steht auch vor Herausforderungen. Im April startete die Einrichtung als eine der Ersten im Land mit der generalistischen Pflegeausbildung. Sie bringt viele Neuerungen mit sich.

Zum Hintergrund: Zu Beginn des Jahres 2020 ist das neue Pflegeberufegesetz in Kraft getreten. Die drei Pflegefachberufe in den Bereichen Altenpflege, Gesundheits- und Krankenpflege sowie Gesundheits- und Kinderkrankenpflege wurden zu einem gemeinsamen Berufsbild zusammengeführt. Alle Schüler erhalten zwei Jahre lang eine generalistisch ausgelegte Ausbildung, im dritten Jahr können sie sich auf einen Bereich spezialisieren. Der Abschluss ist europaweit anerkannt und soll den Pflegeberuf attraktiver machen.

Trotz des Corona-Lockdowns konnten die Schüler ihre Ausbildung im April beginnen – allerdings anders als geplant. Statt in der Schule erst einmal das theoretische Grundwissen im Unterricht zu erlernen, wurden die neuen Auszubildenden ins kalte Wasser geworfen. Sie mussten in Pflegeeinrichtungen wie der Paracelsus-Klinik direkt mit anpacken. Praxisanleiter vor Ort haben die Neulinge in die Welt der Pflege eingeführt. „Gerade in diesen Einrichtungen herrschte anfangs große Panik vor dem Virus. Sie zeigten sich aber sehr kooperativ. Gemeinsam haben wir das Beste aus der Situation gemacht“, sagt Lengefeldt.

IBAF investiert jährlich 10.000 Euro in digitale Lernplattform

Vor allem die digitale Lernplattform, die das IBAF seit 2013 kontinuierlich aufbaut und mit 10.000 Euro jährlich weiterentwickelt, erweist sich zurzeit als eine große Hilfe. Unterricht findet in virtuellen Klassenräumen statt. Skripte, Handouts und Präsentationen laden die Kursusleiter online hoch. Sogar ein Begrüßungsvideo hat die Schulleiterin eingesprochen. Die Pflegeschule grenzt sich von dem angestaubten Image, das immer noch in vielen Köpfen herumgeistert, komplett ab. Stattdessen präsentiert sie sich hochinnovativ. „Junge Menschen wollen eine moderne Ausbildung und dabei auf digitale Instrumente zurückgreifen, die sie auch in ihrem Privatleben nutzen“, sagt Lengefeldt. „Wir müssen innovativ sein, um sie anzulocken.“

Mit der modernsten Technik ausgestattet ist auch der neu hergerichtete Demonstrationsraum im zweiten Stock des IBAF. 80.000 Euro hat die Schule unter anderem in digitale Lernpuppen, Intensivbetten und Schränke investiert. Die Puppen sind echten Menschen zum Verwechseln ähnlich. Sie können nicht nur sprechen, sondern auch Atemnot, Herzinfarkte oder Blinddarmentzündungen simulieren. Der Brustkorb hebt und senkt sich, wenn man Luft in die Lungen bläst. Blutabnehmen können Auszubildende an einem losen Arm üben. Sogar mit Kunstblut wird gearbeitet. In den Schubladen liegen Beine mit Krampfadern oder Füße mit Hornhaut und Entzündungen – typische Diabetesmerkmale. Die Puppen gibt es zudem in verschiedenen Altersstufen: Babys, Grundschulkinder und Erwachsene. Auf diese realistische Art und Weiße werden die Schüler auf das spätere Berufsleben vorbereitet.

120 Bewerbungen liegen standortübergreifend vor

Gesehen und genutzt haben die neuen Auszubildenden den Demonstrationsraum allerdings noch nicht. „Alles war vorbereitet, und dann kam Corona“, beklagt die Schulleiterin. Sie wünscht sich, schon bald zur Normalität zurückkehren zu können. „Wenn alles gut geht, es keine zweite Welle gibt, dann hoffe ich, dass wir die Schüler ab August zurück in die Räume holen können“, sagt Lengefeldt. Das wäre auch wichtig für die Auszubildenden, die im Herbst beginnen. Lengefeldt empfiehlt Interessenten, sich möglichst bald zu bewerben. „Die Anmeldesituation ist enorm“, sagt sie. Nach Norderstedt starten ab September auch die anderen drei Standorte des IBAF mit der generalistischen Ausbildung. Fast 120 Bewerbungen liegen bereits vor.