Norderstedt. Bauern wie Jens-Walter Bohnenkamp versuchen Artenvielfalt zu schützen. Von der Politik fühlen sie sich zu sehr kritisiert und zu wenig gewürdigt.
Ein blühendes Band soll Deutschland durchziehen. Von Bayern bis an die dänische Grenze will der Deutsche Bauernverband Blühstreifen und Blühwiesen aneinanderreihen und damit ein Zeichen für den Artenschutz setzen. Einer von den Landwirten, die für Bienen und Schmetterlinge den Tisch decken, ist Jens-Walter Bohnenkamp. Der Norderstedter Bauer und Chef des Kreisbauernverbands Segeberg hat ein Feld mit knapp 40.000 Quadratmetern eingesät.
Er ist in Vorleistung gegangen, hat den Acker vorbereitet, die Saat gekauft und in den Boden gebracht. Nun sucht der Landwirt Blühpaten, Norderstedter Bürger und Unternehmen, die sein Engagement finanziell unterstützen (s. Info-Kasten), denn einen finanziellen Ausgleich für den Verzicht auf den Anbau und Verkauf von Getreide gibt es weder von der EU noch vom Bund.
„Angesichts der Bedrohung für die Insekten – und damit auch letztlich für uns – müssen jetzt alle in der Gesellschaft gegensteuern. Auch wir Landwirte sind gefordert, dem Artensterben entgegenzuwirken und die biologische Vielfalt zu erhalten“, sagt Bohnenkamp, der sich wie inzwischen viele seiner Kollegen für die Artenvielfalt einsetzt – dieses Engagement aber nicht gewürdigt sieht. Die Landwirte müssten noch immer mit dem Vorurteil kämpfen, sie täten nichts für den Klimaschutz.
Der Bauern-Chef kritisiert die Umweltministerin hart
Der Bauernverband Schleswig-Holstein wehrt sich dagegen, zum Hauptschuldigen für den Verlust der Artenvielfalt in Agrarlandschaften abgestempelt zu werden. Denn zu diesem macht ihn der Bericht zur Lage der Natur in Deutschland, den Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) und die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz, Beate Jessel, vor Kurzem vorgestellt haben. Darin beklagen die Autoren „monotone, artenarme Lebensräume“, den fortschreitenden Einsatz von Chemie zur Düngung und zum Pflanzenschutz und den „Verlust von Ackerbrachen“. Die Folge: Ackerwildkräuter verschwänden, die Bestände von Kiebitz, Rebhuhn, Star und Feldlerche seien dramatisch eingebrochen.
„Schulze und Jessel machen es sich zu einfach“, sagt Werner Schwarz, Vorsitzender des Bauernverbands Schleswig-Holstein, der die Schlussfolgerungen in dem Bericht ungewöhnlich scharf kritisiert. Jens-Walter Bohnenkamp kann nicht nachvollziehen, warum die von vielen Landwirten angelegten Blühstreifen im Bericht nicht erwähnt werden. „Wir Landwirte wirtschaften sehr sorgsam. Und wir dürfen nicht außer acht lassen, dass jeden Tag in Deutschland eine Fläche versiegelt wird, die so groß ist wie 100 Fußballfelder“, sagt er. Bauernverbandschef Schwarz verweist auf die wiederholten Hinweise von Landwirten und Jägern auf die Rolle der Beutegreifer, die den Vogelbestand dezimierten. Nicht nur der Fuchs, sondern auch zugewanderte Arten wie Marderhund und Waschbär sowie verwilderte Katzen bereiteten vielen Wildvogelgelegen ein Ende. Hinzu kämen der nicht regulierte Überbestand an Krähenvögeln und die Überpopulation an Gänsen, die i Wiesenvögeln keine Lebenschancen mehr ließen.
Schulze und Jesse blieben die Antwort schuldig, warum die zahlreichen, mit viel Geld von Bund und Ländern finanzierten Naturschutzprogramme offenbar wirkungslos bleiben. „Es gibt sonst wohl keinen Ressortverantwortlichen, der solch eine Misserfolgsbilanz vorlegen darf, ohne sich selbst und das Versagen seiner Politik rechtfertigen zu müssen“, sagt Schwarz. Natürlich habe auch die Landwirtschaft ihren Anteil am Rückgang der Insekten- und Vogelarten, aber: Es sei mehr als fragwürdig, den Bauern die Alleinschuld in die Schuhe zu schieben. „Die Viehbestände sinken seit Jahren, die Düngermengen auch und der Aufwand an Pflanzenschutzmitteln ist ebenfalls rückläufig.“
Schwarz fordert eine „umfassende und ehrliche Ursachenanalyse“, die auch die Gründe für das Versagen der Naturschutzpolitik liefern müsse. „Die Bauern sind die einseitigen Schuldzuweisungen leid“, sagt der Bauernpräsident.
Bohnenkamp will eine neue Diskussionskultur
Der Norderstedter Bohnenkamp plädiert für einen Wandel in der Diskussion: „Wir müssen davon wegkommen, den Landwirten das Etikett der Bösen aufzukleben. Wichtig ist doch, unvoreingenommen darüber zu reden, wie eine moderne und umweltschonende Landwirtschaft aussehen soll.“ Sein blühendes Feld soll dafür ein Beispiel sein. Er will aber nicht nur Bienen und Co ein Nahrungsparadies einrichten, sondern auch den bedrohten Feldlerchen eine Heimat bieten. Bohnenkamp hat Lerchenfenster eingerichtet, acht Meter lange Streifen, in denen er keine Saat ausgebracht hat. „So entstehen kahle Flecken, wie sie die Lerchen brauchen“, sagt der Landwirt.
Mit seiner Blühfläche geht er schon in die zweite Runde. Im vorigen Jahr hat er auf einer anderen Ackerfläche 5000 Quadratmeter mit der von Bienen hochgeschätzten Phacelia-Pflanze, aber auch mit Dill, Kornblumen, Ringelblumen, Klatschmohn, Dill, Schwarzkümmel, Saflor, Sonnenblumen, Koriander, Serradella und mehreren Kleearten besiedelt. Die Norderstedter Bank hat das Projekt mit 1500 Euro finanziert – und 200 Gläser Feldhonig geerntet, da ein Imker seine Völker gegenüber stehen hatte. Der Sponsor setzt sein Engagement fort, der 17 Meter breite und 300 Meter lange Streifen wird auch in diesem Jahr wieder erblühen. „Er reicht an die Oadby-and-Wigston-Straße heran und ist von dort gut zu sehen“, sagt der Initiator, der inzwischen einen Mitstreiter aus der Nachbarschaft gewonnen hat, so dass es auch am Lehmkuhlen bunt wird. An der neuen Blühfläche soll eine Tafel mit den Namen der Spender installiert werden.