Kreis Segeberg. Gar nicht so einfach für den braven Bürger durch das Steuersystem durchzublicken. Das war schon vor Corona so. Und wird mit Corona nicht besser.
Unser Steuersystem ist kompliziert. Wollen brave Bürger ihre regelkonforme Abgabe entrichten, sehen sie sich sogar oft gezwungen, sich fachlich beraten zu lassen. Man muss also auch noch dafür bezahlen, dass man seine Steuern zahlt. Bescheuerter geht’s ja kaum. Dachte man. Dann kam Corona.
Weil Gaststätten, Hotels und Restaurants um ihre Existenz ringen, beschloss unsere Bundesregierung eine Hilfsmaßnahme: die Mehrwertsteuer für Speisen wird ab 1. Juli für ein Jahr von 19 auf 7 % gesenkt. Getränke werden auch weiterhin mit 19 % besteuert. Zum Frühstück ein Rührei und einen Kaffee, macht zwei unterschiedliche Steuersätze, da freut sich aber die Buchhaltung.
Der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) hatte die Mehrwertsteuersenkung schon lange gefordert, allerdings für Speisen und Getränke. Schließlich gehören zum Verband auch Bars, die überhaupt keine Speisen anbieten und trotzdem Krisenopfer sind. Herausgekommen ist bei dem grundsätzlich nett gemeinten Hilfsangebot nun wieder eine Konstruktion, die das Steuerdickicht noch etwas blickdichter macht.
Und natürlich erinnert sich der geplagte Steuerzahler sehnlichst an den energischen Abgeordneten, der einst mit einem grandiosen Plan vorpreschte: Eine Steuerreform sollte es sein, ein vereinfachtes Steuerkonzept. So einfach, dass man es in drei Schritten auf einem Bierdeckel erklären könnte. Bierdeckel haben wir, auf besagtes Konzept warten wir immer noch. Wer wollte es doch gleich… ach ja, der Friedrich Merz. Vielleicht kommt da ja noch was, ist schließlich erst 17 Jahre her, seine Idee mit dem Bierdeckel.
Wie ist eigentlich der Mehrwertsteuersatz für Bierdeckel? Auf den Deckeln steht meistens was drauf. Also sind sie doch wohl Druckerzeugnisse und steuerlich Büchern gleichzusetzen. Bücher unterliegen dem gemäßigten Mehrwertsteuersatz von 7 %. Stellt man im Restaurant ein Bier auf den Bierdeckel, hat es 19 % (nicht Alkohol, das sind bei Pils meist 4,8 %). Der Bierdeckel hat 7 %, siehe oben, somit den gleichen Steuersatz wie Speisen. Müssen wir jetzt immer den Deckel zum Bier essen? Darf ich wenigstens etwas Marmelade dazu? Wenn die sehr flüssig ist, gilt die noch als Speise oder schon als Getränk?
Der Betreiber eines Restaurants in Timmendorfer Strand fand übrigens eine Lösung fürs Steuerdilemma. Wer hier beispielsweise einen „Aperol Spritz“ (19 % MwSt.) bestellt, bekommt zum Getränk ein kleines Tütchen Chips (7 % MwSt.) gereicht. Das Getränk gibt es gratis, dafür kosten die Chips 8,50 Euro. Einfach nur genial. Das machen wir jetzt immer so. Sie kaufen sich am Kiosk das Abendblatt (7 % MwSt.) für lächerliche 30.000 Euro, kriegen ein neues Auto (19 % MwSt.) dazu und sparen 12 %.
Steuererklärung leicht gemacht, Herr Merz.