Henstedt-Ulzburg. Naturschützer begutachten nach dem Flächenbrand im Henstedter Moor die Schäden – und ärgern sich über renitente Ausflügler.
René Kuhns schreit so laut er kann. „Hallo! Da vorne! Nicht in den Weg reinlaufen, da mit dem roten Shirt, bitte zurückkommen auf den Hauptweg!“ Vergeblich, die Joggerin will oder kann ihn nicht hören. Zum Leidwesen von Kuhns, der sich beim Naturschutzbund Kisdorfer Wohld für den Schutz des Henstedter Moores engagiert. Es hält sich eben längst nicht jeder Besucher an die vorgegebenen Wege. Und wenn diese Besucher nicht nur Joggen, sondern beim Spazieren rauchen, dann wird es gefährlich. Vieles spricht dafür, dass es diese Mischung aus Ignoranz und Unachtsamkeit war, die den großen Flächenbrand am vergangenen Montag verursacht hat. Zehn von 218 Hektar standen in Flammen (wir berichteten), erst nach fast 24 Stunden war das Feuer gelöscht.
René Kuhns und der Henstedt-Ulzburger Naturschutzbeauftragte Johannes Engelbrecht sind zwei von vier ehrenamtlichen Betreuern des Naturschutzgebietes. Nachdem die Feuerwehren aus dem gesamten Kreis abgezogen waren, machten sich Kuhns und Engelbrecht ein Bild der Schäden im Moor. Wo der Brand entstanden ist, haben Ermittler der Kriminalpolizei Norderstedt bereits sehr exakt bestimmen können – der Ausgangspunkt befindet sich im Hochmoor abseits des Hauptweges und nördlich eines Trampelpfades. „Dort hat es angefangen, vielleicht um 13 Uhr. Der Wind kam von Westen, dann drehte er sich, sodass sich das Feuer auch an anderer Stelle fortentwickelt hat“, sagt Engelbrecht.
Kripo geht von fahrlässiger Brandstiftung aus
Zweifelsfrei geklärt ist die Ursache noch nicht. Die Kripo geht von einer fahrlässigen Brandstiftung aus. Vielleicht ein Spaziergänger mit Zigarette in der Hand, dessen freilaufender Hund ausbüxte – ein bisschen glühende Asche, ein kleiner Windstoß, so könnte das Feuer ausgebrochen sein, mutmaßt Engelbrecht. „Kleine Brände haben wir in der Vergangenheit immer wieder gehabt. Aber in dieser Größenordnung ist das nie gewesen. Und ich lebe seit 50 Jahren hier.“
Die lang anhaltende Trockenheit erwies sich als fatal. „Wir waren im Kreis schon auf Waldbrandstufe vier von fünf“, sagt Kreiswehrführer Jörg Nero. Ab Anfang März habe es nicht mehr geregnet. „Aber das ist im Frühjahr nicht ungewöhnlich, so vier, fünf, sechs Wochen bei Ostwind. Das trocknet die Oberflächen aus. Frisches Grün bremst ein Feuer.“ Auf Luftaufnahmen des Naturschutzgebietes ist gut zu erkennen, dass die Flammen zudem sehr abrupt immer wieder die Richtung verändert haben müssen – manche Bereiche sind unberührt, wenige Meter daneben ist alles verkohlt.
„Ich schätze, der Wind hatte Stärke drei bis vier, aber mit Böen“, sagt Johannes Engelbrecht. Für die Feuerwehrleute war das tückisch. „Das trockene Gras brannte wie Zunder. Es ist noch aus dem letzten Jahr. Das Grün ist noch nicht durchgedrungen.“ Eines sei immerhin verhindert worden: „Das Feuer hat sich nicht in den Torf gefressen. Sonst hätten wir den Worst-Case gehabt, denn das zu löschen, ist ganz schwierig.“ Und auch der Ostteil des Moores blieb verschont, da die Flammen nicht über den Hauptweg sprangen.
Gelege von Bodenbrütern sind verbrannt
In welchem Ausmaß Pflanzen und Tiere betroffen sind, lässt sich noch nicht beziffern. „Wir haben hier Kreuzottern und Waldeidechsen, da sind Jungtiere dabei, haben Bodenbrüter wie die Feldlerche und den Wiesenpieper – die Gelege sind weg. Auch die Büsche und Sträucher, in denen Amseln oder andere Vögel ihre Nester gebaut hatten, diese Pflanzen sind alle zerstört“, sagt Engelbrecht. Aber: „Die Gräser kommen wieder, es hat nur oberflächlich gebrannt, die Wurzeln sind nicht beschädigt. Spätestens in zwei Jahren grünt das wieder durch.“
Ein Naturschutzgebiet ist das Henstedter Moor seit März 2017. Das zu vermitteln, ist manchmal mühsam. Denn viele Henstedt-Ulzburger nutzen die Pfade durch das ansonsten teils unwegsame Moor schon seit langer Zeit. Johannes Engelbrecht deutet auf den Weg, der sich nahe der Brandstelle befindet. „Das ist ein uralter Trampelpfad, ein ehemaliger Damm. Aber früher war die Bevölkerungsdichte auf dem Rhen ja gering. Heute wohnen hier 6000 Leute.“
Nach dem Feuer hatten die Schutzgebietsbetreuer rot-weißes Absperrband vor die Nebenpfade gespannt, damit diese nicht betreten werden. Ein paar Tage später sind viele Bänder verschwunden, eines fischt René Kuhns sogar aus einem Mülleimer. Die Joggerin, die er aus großer Entfernung nicht stoppen könnte, kommt ein zweites Mal vorbei. Im Gespräch beteuert sie, nicht gewusst zu haben, dass sie im Naturschutzgebiet nicht auf den kleinen Wegen laufen dürfe. Kuhns hofft, dass sie es nun lässt und nicht zur Wiederholungstäterin wird.