Grossenaspe. 1970 konnte das Ehepaar Hatlapa seinen Traum, einheimische Wildtiere im natürlichen Lebensraum zu zeigen, verwirklichen.
67 Hektar ist das Gelände groß, das Wegenetz viele Kilometer lang – zu Fuß kann Theda Hatlapa das nicht mehr bewältigen. Mit ihren 90 Jahren bewegt sie sich in ihrem Haus am Rande des Wildparks noch selbstständig, aber außerhalb lässt sie sich im Rollstuhl schieben.
„Drei Rückenwirbel sind kaputt“, sagt die Senior-Geschäftsführerin. Auch die Augen wollen nicht mehr so richtig. Wer aber ein längeres Gespräch mit ihr führt, merkt schnell, dass sich die Gebrechen nur auf das rein Körperliche beschränken. Ansonsten ist sie noch voll im Geschehen, was sich auch darin äußert, dass sie das Gespräch alle paar Minuten unterbrechen muss, um ans Telefon zu gehen. Dann ist sie die Stimme des Wildparks, die Anrufern die Öffnungszeiten nennt oder sonstige Erklärungen gibt.
„Ich bin die Seele des Wildparks, aber er ist die Säule“, sagt Theda Hatlapa. „Er“, das ist der Mann, der seit 18 Jahren Mit-Geschäftsführer des Wildparks ist: Wolf-Gunthram Freiherr von Schenck (50) führt den Park zusammen mit Inhaberin Isabell Mahnert (38), Theda Hatlapas Enkelin, in die Zukunft. Die Senior-Chefin kann ihren Geschäftsführer gar nicht genug loben: „Ein wirklicher Glücksgriff für uns. Was dieser Mann aus Eekholt gemacht hat; dabei ist er sozial und bescheiden geblieben.“
Hatlapa besaß in Uetersen eine Maschinenbaufirma
Tatsächlich hat Wolf von Schenck – den Freiherr „schenkt“ er sich, niemand muss ihn so anreden – den Wildpark Eekholt, der sich über Teile der Gemeinden Großenaspe, Bimöhlen und Heidmühlen erstreckt, zu einer weithin geachteten „Bildungseinrichtung für Nachhaltigkeit“ im Sinne von Theda und Hans-Heinrich Hatlapa weiterentwickelt. Hier können Kinder, Jugendliche und Erwachsene die Schönheit und Vielfalt der Natur entdecken und sich selbst nachhaltig für die Umwelt sensibilisieren.
Den Grundstein dafür haben Theda und der 2009 verstorbene Hans-Heinrich Hatlapa vor 50 Jahren gelegt, als sie ihren Lebenstraum verwirklichten und den Park im Mai 1970 eröffneten. Der eigentliche Beginn lag damals schon einige Jahre zurück. Als der Natur und Umwelt zugetaner Visionär hatte Hans-Heinrich Hatlapa, der in Uetersen (Kreis Pinneberg) als Inhaber eine Maschinenbaufirma leitete, schon früh die Idee, eine naturnahe Einrichtung aufzubauen. In seiner Frau Theda, die mit ihrer Familie aus dem Kreis Königsberg-Neumark in Brandenburg geflüchtet war, hatte er eine kongeniale Partnerin, die sich ebenfalls für die Natur begeisterte. Schon 1962 zog das Ehepaar von Uetersen in ein Haus auf dem jetzigen Wildparkgelände. Hans-Heinrich Hatlapa pendelte also einige Jahre täglich zwischen Großenaspe und Uetersen, aber das neue Refugium wurde mehr und mehr Mittelpunkt des Lebens. „Wir haben nach und nach immer kleine Stücke Land erworben“, sagt Theda Hatlapa. Mit einem Rotwild-Gehege fing es an – was daraus geworden ist, setzt heute jährlich fast 300.000 Besucher in Erstaunen.
1970 übergab Hans-Heinrich Hatlapa seine Firma an Sohn Hubertus, der sich verpflichtete, jeden Monat einen festgelegten Geldbetrag an seine Mutter zu zahlen. Obwohl die Firma Hatlapa inzwischen verkauft ist, hält sich Hubertus Hatlapa an die getroffene Vereinbarung und zahlt seiner Mutter heute immer noch den Betrag. „Der Wildpark ist unser fünftes Kind geworden“, sagt Theda Hatlapa, die heute dankbar ist, dass sie, die praktisch mitten in der Natur geboren wurde, ein Leben auf dem Lande führen darf.
Heinz Sielmann machte den Park bundesweit bekannt
Einen Quantensprung im Bekanntheitsgrad machte der Wildpark, als sich der berühmte Tierfilmer Heinz Sielmann dem Park widmete und hier einen Fernsehbeitrag drehte, der große Beachtung fand. Nach der Ausstrahlung war der Wildpark Eekholt, bis dahin eher nur Insidern und Fachleuten bekannt, plötzlich ein beliebtes Ausflugsziel. „Wir wurde von Besuchern förmlich überrannt“, erinnert sich Theda Hatlapa. Der 2006 verstorbene Heinz Sielmann und Familie Hatlapa blieben eng befreundet.
Die Grundidee des Wildparks besteht darin, einheimische Wildtiere in ihrem natürlichen Lebensraum zu zeigen und die ökologischen Abhängigkeiten zu verdeutlichen. 1983 nahm die Wildparkschule ihren Betrieb auf, es begann die Zeit der mehrtägigen Projekte, Umweltpädagogen kamen hinzu, abgeordnete Lehrer des Landes unterrichteten hier. Seit 1989 werden Umweltbildungstage mit Auszubildenden der Wirtschaft und Seminare mit der Christian-Albrechts-Universität Kiel veranstaltet.
Die Pädagogische Hochschule Kiel verleiht Hans-Heinrich Hatlapa die Ehrendoktorwürde, Einweihung des ersten Projektgruppenhauses durch Loki Schmidt – das sind Meilensteine in der Entwicklung des Wildparks, der 1999 von der Kieler Landesregierung zum „Regionalen Pädagogischen Umweltzentrum“ ernannt wird. Viele weitere Preise, Projekte, Neubauten hat es seitdem gegeben. Erwähnt werden muss unbedingt eine Auszeichnung für Theda Hatlapa: Im Jahr 2019 wird sie zur Ehrenbürgerin der Gemeinde Großenaspe ernannt.
Aber auch das sollte nicht ungenannt bleiben: Der Wildpark Eekholt leistet alles ohne jegliche staatliche Unterstützung. Weil die Arbeit aber eine so große Anerkennung findet, gibt es viele Förderer und Unterstützer. „Ohne diese finanziellen Förderungen könnten die Bildungsangebote mit praktischen Handlungsansätzen nicht mehr erbracht werden“, stellt Wolf von Schenck fest.
Schon vormittags bilden sich am Eingang lange Schlangen
In den Zeiten der Corona-Krise wurde wieder einmal deutlich, welch großen Stellenwert der Wildpark bei Privatpersonen und Institutionen hat: Großzügige Spenden, teilweise auf ausgefallene Weise generiert, halfen über die schwierige Zeit, in der der Park geschlossen bleiben musste, hinweg. Und in diesen Tagen zeigt sich die Beliebtheit: Nach der Wiedereröffnung bilden sich schon vormittags lange Schlangen vor dem Kassenhäuschen.
Die Vision von Theda und Hans-Heinrich Hatlapa hat sich erfüllt und ist nach 50 Jahren aktueller denn je: Der Wildpark Eekholt ist eine weithin geachtete und beliebte Naturerlebnis- und Bildungsstätte, die Wege zu einem neuen Naturverständnis aufzeigt und zugleich Hilfestellung bei dem Erwerb von Lebenskompetenz gibt.
Die Entwicklung geht weiter. Isabell Mahnert und Wolf von Schenck wollen künftig auch Refugien für Neozoen schaffen, für Tiere also, die hier gebietsfremd sind, sich aber etabliert haben und heimisch geworden sind. Außerdem soll es künftig mehr Übernachtungsmöglichkeiten für Familien geben, die sich mehr als ein oder zwei Tage im Wildpark aufhalten wollen.