Norderstedt. Der langjährige Geschäftsführer von „TriBühne“, Kulturwerk, Ticketcorner und Hopfenliebe verlässt überraschend die städtische Gesellschaft.

Die Entwicklung der „TriBühne“ hin zum kulturellen Mittelpunkt der Stadt, die Entstehung des Kulturwerks von der Sanierung 2008 bis zur Eröffnung 2012, ab 2015 die stets gut besuchte Hopfenliebe am Rathausmarkt mit den beliebten hiesigen Biersorten – all das ist mit einem Namen verbunden: Rajas Thiele-Stechemesser. Über viele Jahre hat sich dieser erhebliche Verdienste um das gesellschaftliche Leben in der Stadt erworben. Auch das frühere Stadtfest war ursprünglich einmal seine Idee, ebenso der Craft-Beer-Day oder das Genussfestival.

Umso überraschender ist angesichts dieser bemerkenswerten Liste nun sein Abschied. Es ist eine Zäsur. Der Geschäftsführer der Mehrzwecksäle Norderstedt GmbH – also „TriBühne“, Kulturwerk, Ticketcorner und Hopfenliebe – verlässt das städtische Unternehmen nach 14 Jahren. Warum? „Ich möchte neue Projekte entwickeln, deren Umsetzung als Geschäftsführer einer städtischen Gesellschaft nicht machbar sind“, so lässt Thiele-Stechemesser sich in einer Mitteilung der Mehrzwecksäle GmbH zitieren.

Der Zeitpunkt möge mitten in der Corona-Krise zwar ungeeignet erscheinen. „Aber im Moment ist der Spielbetrieb eingestellt, die Häuser sind technisch, personell und finanziell gut aufgestellt, und die Durchführung von Veranstaltungen kann jederzeit wieder anlaufen.“ Für weitere Nachfragen des Abendblatts war er nicht zu erreichen.

Konzept einer neuen Brauerei sorgte 2019 für Streit

Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder, zugleich Vorsitzende des Aufsichtsrats der Mehrzwecksäle GmbH, sagt: „Ich wünsche Herrn Thiele-Stechemesser auf seinem neuen Weg alles Gute und bedanke mich für die vielen Ideen, die er in unserer Stadt umgesetzt hat.“

Der Aufsichtsrat besprach die Personalie in einer Sitzung am vergangenen Mittwoch, die Mitglieder vereinbarten Stillschweigen. Öffentliche Anzeichen, dass ein Abgang bevorstünde, hatte es nicht gegeben. Thiele-Stechemesser ärgerte sich, so auch im Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt, vor einigen Wochen noch über die missliche Lage von Gastronomen, die wegen der Corona-Pandemie schließen mussten. Wer wollte, konnte die fünf Norderstedter Biere zum Mitnehmen telefonisch bestellen. Das Lager ist weiterhin gut gefüllt.

Die Hopfenliebe lief ansonsten eigentlich immer bestens, abends war es ohne Reservierung teils unmöglich, spontan einen Tisch zu bekommen. 2018 betrug der Umsatz über eine Million Euro. Und weil nicht zuletzt auch der Handel immer wieder anfragte, ob zum Beispiel das Norderstedter Pils auch kistenweise für Getränkemärkte geordert werden könnte, wurden 2019 Expansionspläne diskutiert. Thiele-Stechemesser, seit einigen Jahren ausgebildeter Bier-Sommelier, stellte sein Konzept von einer Aktienbrauerei am Stadtpark vor. Ein voraussichtlich fünf Millionen Euro teures Projekt, das die Kapazitäten enorm steigern könnte, Lagerflächen schaffen würde – und eine Attraktion wäre. Ein Investor hätte alles realisieren und Rajas Thiele-Stechemesser die städtische Gesellschaft verlassen und Brauereichef werden können.

Das klang in der Theorie verlockend, war aber sofort ein Streitthema. Dürfte sich ein Mitarbeiter der Stadt, der sogar die Markenrechte an der Hopfenliebe hält, die er aufgebaut hat, so einfach selbstständig machen? Dazu noch auf einem Grundstück mit Erbbaurecht? CDU und FDP hatten ihre Zweifel. Schließlich hätte Thiele-Stechemesser immer schon günstigere Konditionen genossen als andere Gastronomen. Der Gescholtene selbst empfand das als unfair: Entweder es gebe eine Brauerei oder das Norderstedter Bier müsste perspektivisch an einem anderen Ort produziert werden. Der lokale Bezug fiele weg.

Geklärt ist das Thema nicht, eigentlich sollten die politischen Beratungen hierüber im Frühjahr fortgesetzt werden, ehe die Corona-Zwangspause erfolgte.

FDP fordert erneut Privatisierung des Brauhauses

„Die Form der Ablehnung war rabiat und unangemessen“, erinnert sich Miro Berbig. Der Linke-Politiker ist ein Weggefährte Thiele-Stechemessers, zuletzt gehörten sie zu den Initiatoren des Blueswerk-Projektes. „Mit der Hopfenliebe hat er einen Treffpunkt für die Bürger geschaffen, ein Sternchen für die Stadt, er hat sie mit Herzblut betrieben.“ Kritischer sah es da die FDP, die seit jeher von „Wettbewerbsverzerrung“ spricht und fordert, die Hopfenliebe komplett zu privatisieren. „Die Stadt soll weder eine Kneipe noch eine Brauerei betreiben“, sagt die Fraktionsvorsitzende Gabriele Heyer.

So sei die Pacht weiterhin niedriger als das, was vergleichbare Betriebe aufwenden müssten. Auch die Investitionsmöglichkeiten seien besser mit der Stadt als Eigentümerin. Das Ausscheiden des Geschäftsführers biete jetzt die Chance für eine Ausgliederung und zugleich einer Umstrukturierung der Gesellschaft.

Die Hopfenliebe könnte ab 18. Mai wieder öffnen

Vorerst wird Kai Jörg Evers, zuletzt schon Co-Geschäftsführer der Mehrzwecksäle und dazu Geschäftsführer des Norderstedter Stadtparks, verantwortlich sein. „Kommissarisch“, betont er, „das ist kein Dauerzustand“. Man werde sich zusammensetzen. Nicht ausgeschlossen ist, dass die Stelle neu ausgeschrieben wird. „Aber auch jetzt ist einiges zu tun“, so Evers, der Thiele-Stechemesser seit „Minimum 25 Jahren“ kennt. „Es stellt sich die Frage, wie wir mit der Corona-Situation umgehen. Wir werden uns darauf vorbereiten, dass der Betrieb wieder losgeht und sind dabei, ein Hygienekonzept für die Hopfenliebe zu erarbeiten.“

Hier könnte ab 18. Mai wieder Bier gezapft werden. Wann in „TriBühne“ und Kulturwerk wieder kulturelle Veranstaltungen stattfinden können, ist derzeit allerdings überhaupt nicht absehbar.