Norderstedt. Land und Stadt wollen eine illegale Mülldeponie in Friedrichsgabe räumen – noch fehlt aber die rechtliche Grundlage dafür.

Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder war um Klarheit bemüht am Montag im Hauptausschuss. „Der Müllberg in Friedrichsgabe muss weg!“, sagte sie in die Runde der Kommunalpolitik. Und auch der aus dem Umweltministerium angereiste Staatssekretär Tobias Goldschmidt versicherte: „Frau Roeder und ich haben uns in die Augen geschaut und entschieden, dass wir in jedem Fall eine Lösung für die Beseitigung des Mülls finden müssen.“

Ist nun also endlich eine Lösung in Sicht? Konnte der verantwortungslose und zur Fahndung ausgeschriebene Verursacher des seit etwa zehn Jahren in direkter Nachbarschaft der Autoverwertung Kiesow in Friedrichsgabe wuchernden Müllbergs dingfest gemacht werden? Werden die geschätzten 20.000 Kubikmeter an potenziell umweltgefährdenden Abfällen auf dem verlassenen Grundstück der der W. A. Gieschen Containerdienst GmbH jetzt fachgerecht entsorgt? Rücken vor den Bergen aus undefiniertem Bauschutt, durchsetzt mit asbesthaltigen Teilen, Mineralwolle, Lacken, Farben und Teer-Dachpappen nun also tatsächlich die Bagger an und machen dem seit Monaten landesweit Schlagzeilen erzeugenden Müll-Skandal von Norderstedt ein Ende? Leider müssen alle diese Fragen mit einem Nein beantwortet werden. Seit der Sitzung am Montag kann aber zumindest ein einschränkendes „derzeit“ hinter das Nein gesetzt werden.

20.000 Euro sind im Nachtragshaushalt bewilligt worden

Tobias Goldschmidt, Staatssekretär im Umweltministerium.
Tobias Goldschmidt, Staatssekretär im Umweltministerium. © Andreas Burgmayer | Andreas Burgmayer

Staatssekretär Goldschmidt erklärte den Politikern des Hauptausschusses, wie das Ministerium die Affäre in Zusammenarbeit mit der Stadt in den Griff bekommen will. In seinen Erklärungen schwang durchaus Selbstkritik mit. „Die Situation ist nicht zufriedenstellend. Die Deponie wurde lange nicht so betrieben, wie sie hätte betrieben werden sollen. Wir gehen momentan nicht davon aus, dass durch die Müllberge die Umwelt geschädigt wird.

Aber in der Vergangenheit haben wir vielleicht auch nicht genug getan, um das herauszufinden. Die Sorgen der Politik und der Bürger nehmen wir sehr ernst.“ Deswegen habe er nun etwa 20.000 Euro per Nachtragshaushalt bewilligt bekommen, um ein Grundwassergutachten in Auftrag zu geben. „Das ist gerade in der Ausschreibung. Noch vor dem Sommer können Gutachter loslegen. Erste Ergebnisse könnten im Juli oder August vorliegen“, sagt Goldschmidt.

Dem Staat fehlt die gesetzliche Grundlage für eine Räumung

Was diese Ergebnisse angeht, so müssten die Norderstedter jetzt fast hoffen, dass sie Umweltschäden im Grundwasser belegen, erzeugt durch Stoffe in der Deponie. Denn dann wäre die Sache kristallklar. Das Umweltministerium hätte als zuständige Behörde eine gesetzliche Grundlage, um das Grundstück sofort zu räumen und zu sanieren. Geschätzte 1,6 Millionen Euro an Steuergeldern wären dafür mutmaßlich nötig – Geld, das der Staat dann beim Verantwortlichen, der Gieschen GmbH, wieder eintreiben könnte, so die Inhaberfamilie irgendwann wieder auftauchen sollte.

Fallen die Ergebnisse aber negativ aus, es sich also erweisen würde, dass keine unmittelbare Gefahr für die Umwelt von der Deponie ausgeht – dann würde es kompliziert. „Wir müssen – bei allem Ärger über den Müllberg – nach Recht und Gesetz vorgehen“, sagte Oberbürgermeisterin Roeder. „Das Grundstück und alles, was darauf steht und liegt, ist Privateigentum.“

Der Müll ist auch Privatbesitz – und als solcher nicht einfach abzuräumen

Und der Staat könne nicht auf privaten Grundstücken mit Baggern anrollen und alles abräumen. „Auch wenn dort giftige Stoffe lagern. Ich denke, etwa 90 Prozent der Leute hier im Saal haben giftige Stoffe in ihren Kellern oder Garagen stehen – da kommt der Staat auch nicht und räumt die ab“, erläuterte Goldschmidt. Es müsse rechtlich einwandfreie Gründe geben, um Steuergeld für die Räumung auszugeben. „Der Verantwortliche hat sich mit der illegalen Müllablagerung bereichert und ist abgetaucht. Aber wir dürfen ihn nicht aus dem Geschirr lassen“, sagte Goldschmidt.

Droht in diesem Fall also die weitere Hängepartie über Jahre? So wie das schon seit Jahren läuft? Die Gieschen Containerdienst GmbH wurde laufend von den Behörden mit Zwangsgeldern und Räumungsandrohungen überzogen. „Aber das hat alles nicht gefruchtet“, sagte Goldschmidt. Er betonte, dass in Zusammenarbeit mit Land, Kreis und der Stadt Norderstedt „irgendeine“ Lösung gefunden werden müsse, sollten am Ende keine Hinweise auf Umweltgefährdung vorliegen. Der Müllberg wäre dann quasi nur eine illegale Müllablagerung und ein ästhetisches Ärgernis.

Die Kommunalpolitik stellte dem Staatssekretär unbequeme Fragen

Nehmerqualitäten musste Staatssekretär Goldschmidt zeigen, als die Norderstedter Kommunalpolitiker ihn mit kritischen Nachfragen regelrecht grillten. „Das hört sich jetzt so an, als würde nur wieder ein wenig gemessen, und dann schaut man mal, was geht“, sagte Miro Berbig (Die Linke). „Uns muss als Stadt klar sein, dass wir das anpacken müssen. Der Müll muss weg. Vielleicht sollten wir in Vorleistung treten und das Grundstück räumen. Wie lange wollen wir noch warten? Ich möchte mir von den Bürgern keine Vorwürfe machen lassen, dass wird nichts getan haben.“ Peter Holle (CDU) konnte nicht verstehen, warum das Umweltministerium und auch das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) über Jahre von den Zuständen auf der Deponie und potenziell gefährlichen Stoffen darin wissen konnten, ohne entscheidend dagegen vorzugehen. „Das geschieht doch erst jetzt, nachdem wir in Norderstedt Druck gemacht haben.“

Reimer Rathje (WiN) kritisierte, dass nun ein Gutachten über Umweltschäden erstellt werde. „Aber wir wollen doch, dass Schäden gar nicht erst entstehen.“ Und sogar der als unternehmerfreundlich geltende Tobias Mährlein (FDP) wünschte sich ein rabiateres Vorgehen gegen die Gieschen GmbH: „Da liegen offensichtlich gefährliche Abfälle illegal herum. Der Umweltschaden ist für mich augenscheinlich. Wieso kann der Staat hier nicht eingreifen? Wenn bei mir der Herd brennt, rammt die Feuerwehr doch auch die Tür ein.“

Fast flehend wirkte Arne Mann (CDU), der Goldschmidt fragte: „Gibt es irgendetwas, das wir als Politik tun könnten? Haben Sie einen Rat für uns? Was ist jetzt das Wichtigste?“ Goldschmidt antwortete, das Gutachten und die rechtlich einwandfreie Basis für das weitere Vorgehen seien das Wichtigste. Und Nicolai Steinhau-Kühl (SPD) riet zur Eile mit Weile. „Bis das Gutachten vorliegt, dauert es nur noch ein paar Monate. Das ist relativ schnell. Dann können wir beraten, was wir tun können.“ Oberbürgermeisterin Roeder beschwor den Hauptausschuss: „Ich bitte Sie inständig, die Ergebnisse des Gutachtens abzuwarten. Wir dürfen jetzt nicht den zweiten vor dem ersten Schritt tun!“