Bad Bramstedt. Normalerweise reist Arved Fuchs um die Welt. Wie er jetzt aus Bad Bramstedt die Coronakrise erlebt. Und was er über Gefahren im Allgemeinen sagt.

Der Bramstedter Arved Fuchs wird oft als Abenteurer bezeichnet. In den Medien ist er präsent mit Bildern von seinen Expeditionen, die ihn auf seinem sturmumtosten Schiff „Dagmar Aaen“ oder dick vermummt in Eiswüsten zeigen. Doch jetzt muss der Expeditionsspezialist und Kämpfer gegen den Klimawandel zu Hause bleiben – wegen des Coronavirus. Das Abendblatt hat mit ihm gesprochen.

Abendblatt: Sie sind in den entlegensten Gegenden der Welt unterwegs gewesen und arbeiten jetzt im Homeoffice. Was gibt es da zu tun?

Arved Fuchs: Sehr viel. Der Schreibtisch ist voll. Ich arbeite zum Beispiel an einem neuen Buch, das voraussichtlich im Herbst erscheinen wird. Der Arbeitstitel lautet „Wenn das Eis schmilzt“. Diese Arbeit habe ich schon lange vor mir hergeschoben. Ich verarbeite darin zum Beispiel viele Erfahrungen und Erkenntnisse zum Klimawandel aus der vergangenen Expedition Ocean Change. Der Plan ist, das Thema mit vielen Hintergründen zu beleuchten – von den ersten Erkenntnissen über Global Warming in den 70er-Jahren bis zum Streit darüber, wo Windkraftanlagen aufgestellt werden sollen. In den vielen Jahren bin ich ein Zeitzeuge des Klimawandels geworden. Außerdem beschäftige ich mich zurzeit mit neuen Expeditionsprojekten und lese viel.

Sehnen Sie sich wieder nach Reisen in die Ferne?

Ja und nein. Meine Frau und ich wollten über Ostern zwei Wochen verreisen und Urlaub machen. Das hat wegen Corona nicht geklappt. Mich hat es nach einer gewissen Zeit immer rausgezogen, aber ich fühle mich auch hier wohl. Ich bin so viel gereist, dass ich nicht das Gefühl habe, etwas zu versäumen. Wie gesagt: Es gibt genug zu tun.

Welches wäre das erste Ziel, wenn Sie wieder mit der „Dagmar Aaen“ aufbrechen dürfen?

Nach den großen Expeditionen nach Grönland und in die Antarktis wollen wir uns in diesem Jahr mit dem Klimawandel an den Küsten von Nord- und Ostsee befassen. Hier ist der Klimawandel längst angekommen. Der Plan ist, mit möglichst vielen Menschen darüber zu sprechen, zum Beispiel mit Wissenschaftlern, Bürgermeistern und Fischern. Besonders bei den Halligen wäre die Fahrt mit der „Dagmar Aaen“ wegen ihres Tiefgangs anspruchsvoll gewesen. Wir mussten die Termine erst mal absagen. Wann wir starten können, weiß ich noch nicht. Unser jährliches Jugendklimacamp mussten wir leider komplett absagen.

Sie werden an diesem Sonntag 67. Manche sagen, Arved Fuchs wird alt. Jetzt fährt er zu den Halligen.

Das ist mir völlig egal. Mich interessieren heute andere Themen als mit 35. Aus dem Abenteureralter bin ich langsam raus. Mir geht’s um Themen und Inhalte.

Vielen Menschen fühlen sich in den Zeiten der Coronapandemie einsam und isoliert. Sie kennen das Alleinsein unter viel extremeren Bedingungen. Haben Sie einen Rat?

Einen Rat zu geben, wäre anmaßend. Der große Unterschied zwischen der Situation jetzt und den Expeditionen ist, dass ich mich damals immer selbst bewusst in die Situation begeben habe. Jetzt müssen wir alle mit den notwendigen, anderswo getroffenen Entscheidungen leben, um uns zu schützen. Vielleicht hilft mir meine Erfahrung, mit dieser Situation umzugehen. Ich halte das gut aus.

Wie geht man am besten damit um, wenn „draußen“ eine Gefahr lauert?

Wir leben jetzt alle in einer gefährlichen Situation. Ich habe gelernt, dass man mit einer Gefahr rational umgehen muss. Das haben mich alle Expeditionen gelehrt. Ich hadere damit nicht. Auch ein gewisser Fatalismus gehört dazu. Ich ergebe mich mit dem Schicksal, solange es mich nicht bedroht. Dabei ist die jetzige Bedrohung viel subtiler, als zum Beispiel in der Arktis einen Eissturm in einem kleinen Zelt abzuwarten. Ich halte mich an die Regeln und lasse mich nicht verängstigen. Die Regeln sind richtig.

Hat die erzwungene Ruhe auch ihre guten Seiten?

Ja. Müßiggang ist etwas Tolles. Ich habe für Dinge Zeit, die mir sonst fehlt. Ich gehe in den Garten, um Holz zu hacken. Im Haus habe ich eine Werkstatt, in der ich Teile für das Schiff überhole. Und ich habe im Flensburger Hafen auf der „Dagmar Aaen“ zu tun. Nur auslaufen darf ich mit dem Schiff nicht. Das ist verboten.

Sie pflegen viele Kontakte in aller Welt. Wie erleben die Menschen auf Grönland und anderen dünn besiedelten Gebieten die Pandemie?

Tatsächlich haben wir Crewmitglieder in der ganzen Welt, mit denen ich mich austausche, ob in Chile oder Russland. Corona ist ein weltumspannendes Problem. Auf Island liegen alle Schiffe eines Freundes still, der Ausflüge zur Walbeobachtung anbietet. Auf Grönland werden die Kontakte zu Siedlungen gekappt, wenn dort das Virus aufgetaucht. Wenn die Kontaktsperre funktionieren kann, dann auf Grönland. Doch ich mache mir große Sorgen um die indigene Bevölkerung, deren Immunsystem auf manche Krankheiten sehr viel schlechter vorbereitet ist als unseres.

Der Klimawandel war in den vergangenen Jahren stets Ihr großes Thema. Befürchten Sie, dass die Gefahren der globalen Erwärmung Politik und Öffentlichkeit angesichts von Corona und billionenschwerer Hilfspakete kaum noch interessieren?

Ehrlich gesagt, nervt es mich, dass es überall nur noch das Thema Corona gibt. Ja, wir haben ein Problem. Wir haben aber auch andere: Flüchtlinge ertrinken, es gibt Kriege, und wir haben den Klimawandel, der nicht wie Corona nach ein paar Monaten vorüber ist. Ich hoffe und glaube aber, dass das Klima wieder ein Thema wird, sobald Corona nicht mehr alles überlagert. Dann wird auch die „Fridays for Future“-Bewegung weitergehen. Und eine Lehre sollten wir aus Corona ziehen: Man muss sehr viel Geld in die Hand nehmen, um eine globale Krise zu bewältigen.

Was bedeutet die Krise wirtschaftlich für Ihre Arbeit?

Ich habe Umsatzeinbußen wie jeder andere Freiberufler. Die Vortragssaison endete abrupt.

Wohin geht die nächste Expedition?

Einzelheiten verrate ich vorher nie, aber ja: Es wird wieder ein große Expedition kommen. Ich will mich ja noch nicht zur Ruhe setzen.