Langenhorn. Schutzmaterial für Ärzte und Pflegepersonal ist knapp. Petra Sellenschlo verschickt Nachschub aus ihrem Wohnzimmer.

Baumwollstoff zuschneiden. Falten legen. Mit Stecknadeln fixieren. Naht setzen. Stoffbänder befestigen. Auf diese Art und Weise näht Petra Sellenschlo aus Langenhorn seit drei Wochen Atemschutzmasken in ihrem Wohnzimmer. „Jeden Abend sitze ich mindestens zwei Stunden an der Nähmaschine“, sagt die 69-Jährige. Sie gehört zur Risikogruppe und ist durch das Coronavirus besonders gefährdet. Gemeinsam mit ihrem Mann Karl Heinz und den beiden Dackeln isoliert sie sich in ihrem Haus an der Stadtgrenze zu Norderstedt. „Ich habe so viel Trubel in der letzten Zeit gehabt. Jetzt genieße ich meinen Urlaub im eigenen Garten.“

Egal, ob in Krankenhäusern, Arztpraxen oder Pflegeheimen – dem Personal geht in der Coronakrise die Schutzkleidung aus. Der Bedarf ist enorm. Kittel, Brillen, Handschuhe und Masken fehlen millionenfach in allen Bundesländern. Ausreichend Nachschub scheint vorerst nicht in Sicht zu sein. Sellenschlo hat sich deshalb einer Facebook-Gruppe angeschlossen, die Menschen dazu aufruft, ehrenamtlich Gesichtsmasken zu nähen. „Ich wollte mir sowieso gerade ein Kleid nähen. Die Maschine stand schon bereit“, sagt Sellenschlo.

Im Keller lag noch Gardinenstoff. Mithilfe von Tutorials aus dem Internet hat sich die Rentnerin dann beigebracht, Masken zu nähen. Die ersten Versuche testete der Nachbar – dafür gab es im Gegenzug eine Flasche Wein von ihm.

400 Masken hat Sellenschlo bereits angefertigt. Auf eigene Kosten verschickt sie Pakete mit der wertvollen Ware nach ganz Deutschland. Die Adressen und die gewünschte Menge teilt ihr die Facebook-Gruppe mit. „Wir gucken dabei nicht aufs Geld“, sagt sie. „Ich freue mich, dass es Menschen gibt, die an der Front arbeiten. Ich möchte mithelfen, dass diese Leute gesund bleiben.“

Petra Sellenschlo hat selbst 30 Jahre lang als Praktische Ärztin in Langenhorn gearbeitet, ehe sie 2010 in Rente gegangen ist. Jetzt ist sie unter anderem im Bezirks-Seniorenbeirat Hamburg-Nord aktiv und setzt sich für die Belange der älteren Generation ein. Für Sellenschlo ist es eine Herzensangelegenheit, die Menschen in Gesundheitsberufen zu unterstützen. „Früher habe ich mit an der Front gekämpft. Das geht nun leider nicht mehr. Also helfe ich wenigstens, indem ich Schutzmasken nähe“, sagt sie.

Für eine Maske mit Stoffbändern benötigt Sellenschlo rund 20 Minuten, mit Gummibändern zehn Minuten. „Ich nähe sehr gern und schon mein Leben lang“, erzählt sie. Bereits im Alter von vier Jahren hat sie ihre ersten Stiche gemacht und die Liebe zu Stoff und Nadel entdeckt. Ihre Mutter hat nach dem Zweiten Weltkrieg ihr Geld als Modedesignerin verdient. „Schon als kleines Mädchen saß ich auf der anderen Seite der Nähmaschine und habe mitgeholfen“, sagt Sellenschlo.

Langsam geht auch Sellenschlo das Material aus

Das Kleid, das sie bei ihrem letzten Tanzturnier Anfang März trug, hat die Langenhornerin ebenfalls selbst angefertigt. Darin hat sie gemeinsam mit ihrem Mann die Hamburger Meisterschaft in einer der Senioren-Klassen gewonnen.

Noch ist Petra Sellenschlo eifrig dabei, weitere Schutzmasken zu nähen. Doch so langsam aber sicher hat sie ihr Material aus dem Keller aufgebraucht. Und Nachschub zu bekommen ist in diesen Zeiten gar nicht so einfach. Die Läden haben geschlossen. Amazon hat Lieferschwierigkeiten. „Irgendwo bekomme ich schon Material her. Ich werde mal bei den Nachbarn fragen“, sagt Sellenschlo.