Tangstedt. Konflikt zwischen den Parteien: Für die einen ist der Alsterlauf geschützter Naturraum, für andere das perfekte Gassi-Revier.
Am Alsterlauf im Rader Forst stehen die Zeichen auf Konfrontation. Die Kontrahenten: private Hundehalter und professionelle „Dog Walker“ auf der einen sowie Anwohner und Naturschützer auf der anderen Seite. Im Mittelpunkt steht die Frage: Sorgen Hundehalter und ihre Tiere beim Gassi-Gehen im Rader Wald für zu große Schäden am geschützten Alsterufer?
Nachdem wir über eine Anwohnerin aus Wulksfelde berichtet hatten, die vehement für behördliche Maßnahmen zum Schutz des Alsterlaufs und seiner Uferbereiche kämpft, erreichten uns zahlreiche Zuschriften von Hundehaltern. Diese wehren sich gegen die die Vorwürfe, die von der Anwohnerin pauschal erhoben wurden.
Das Problem in dieser Geschichte: Alle Beteiligten möchten anonym bleiben – eine Ausnahme bilden die Leserbriefschreiber. Aber weder die Anwohnerin Frau K. noch die vielen Hundehalter, die wir im Rader Wald interviewten, stellten sich mit Namen und Fotos für die Berichterstattung zur Verfügung. Ein Zeichen dafür, wie aufgeladen die Situation ist – jeder hat eine Meinung, aber keiner möchte aus der Deckung kommen und ins Zielfeuer der jeweils anderen Seite geraten.
Sensible Bereiche im Wald und an der Alster sperren?
Ortstermin im Rader Wald: Eine Dame mit einem großen Mischlings-Hund an der Leine kommt gerade von der Alster. „Das ist hier eine ganz harmonische Gemeinschaft von Hundehaltern, die sich regelmäßig beim Gassi-Gehen an der Alster treffen – und das schon seit Jahrzehnten“, sagt die Hamburgerin. „Ich verstehe nicht, dass man uns das nehmen möchte.“ Sie kennt Frau K. schon seit Jahren. „Sie hat es geschafft, die Zufahrt zur Alster über die Wulksfelder Dorfstraße zu schließen – nun hat sie eben was Neues gefunden.“
Auch sie spricht von Verfehlungen mancher Hundehalter, die sich nicht an die Anleinpflicht im Wald halten oder ihre Hunde an der naturgeschützten Alsterböschung buddeln lassen. „Doch die meisten verhalten sich ordentlich. Vielleicht wäre es gut, wenn sensible Bereiche im Wald und an der Alster gesperrt, andere hingegen ganz bewusst für die Hunde freigegeben würden. Es geht nur im Miteinander, nicht im Gegeneinander!“
Leserbrief: „Hundehasser" beschimpfen Hundehalter
Leser Jürgen Plötz aus Henstedt-Ulzburg ist zweifacher Hundebesitzer und Naturfreund. Er kann die Reaktion beider Seiten durchaus nachvollziehen. „Auch ich erlebe beim täglichen Spaziergang alle nur denkbaren Verhaltensweisen, sowohl meiner ,Hundekollegen’ als auch anderer Outdoorfreunde.“
Claudia Klebs, die in Hamburg eine Hundebetreuung betreibt und oft an der Alster unterwegs ist, zeigt sich in einem Leserbrief an das Abendblatt empört: „Wir Hundehalter sind einiges an Pöbeleien, Beschimpfungen sowie auch körperlichen Übergriffen gewöhnt und dass Hundehasser versuchen, ein Familienmitglied, unsere Hunde, zu vergiften. Als Hundehalter wird man immer weiter in die Illegalität gedrängt und man macht sich strafbar, wenn man seinem Hund artgerechten Auslauf nach dem Tierschutzgesetz verschaffen möchte. Nirgendwo sind wir erwünscht!“
Schwarze Schafe in der "Gassigeher-Branche"
Leser Andreas Ruth, der seit Jahrzehnten im Gebiet als Kayakfahrer, Mountainbiker und Fußgänger unterwegs ist, berichtet von seinen Beobachtungen am Steilhang des Ufers der Oberalster: „Mehrere Rudel von nicht angeleinten Hunden verschiedener Rassen und Größen tobten sich im und am Wasser aus – offenbar unter Erreichung maximaler Zufriedenheit in diesem artgerechten Verhalten.“ Ruth spricht die sogenannten „Dog Walker“ an, professionelle Hundeführer, die sich in große Zahl den Rader Wald „angeeignet“ hätten. Ruth fragt sich: „Dürfen die das?“
Im Wald treffen wir eine erfahrene Gassigeherin. In beiden Händen hält sie die Leinen von etwa 15 Hunden. Die Tiere gehorchen ihr aufs Wort, sitzen völlig ruhig während des 20-minütigen Gesprächs. „Es gibt die schwarzen Schafe in unserer Branche. Unser Beruf ist nicht geschützt. Wir müssten Strukturen schaffen, für Mindeststandards sorgen, die Leute besser ausbilden. In Berlin sind die viel weiter. Da muss jeder, der mehr als vier Hunde hat, einen Hundeführerschein machen.“
Regeln für Hundehalter: Zuständigkeitsvakuum am Alsterlauf
Leser Jürgen Böckmann sagt, dass der Zustand der Ufer und der Böschungen vor zehn Jahren noch naturnah gewesen sei. „Seither ist die Anzahl von Hunden erheblich gestiegen. Hierbei spielen die ,Hunde-Kitas’ eine wesentliche Rolle.“ An der ehemaligen Rader Schleuse sei ein Staketenzaun zum Schutz der Uferböschung aufgestellt worden. Er sei aber mutwillig zerstört worden. „Alle Besucher dieses schönen Waldgebietes sollten sich ihrer Verantwortung gegenüber der Natur und den Bedürfnissen anderer bewusst sein und gegebenenfalls die Zeitgenossen offen ansprechen, die sich egoistisch darüber hinwegsetzen“, sagt Böckmann.
Eine Forderung, die Tangstedts Bürgermeister Jürgen Lamp unterstützt. „Eigentlich können wir nur an die Vernunft der Leute appellieren, sich an die Regeln zu halten. Im Wald gilt Leinenzwang – basta. Aber kontrollieren können wir das nicht.“
Es herrsche ein Zuständigkeitsvakuum am Alsterlauf. „Diese Situation gefällt mir überhaupt nicht. Die Förster konnten früher kontrollieren, diese Kompetenz haben sie heute nicht mehr. Formal ist die Polizei zuständig. Die hat aber für sowas keine Leute. Eigentlich müssten die Kreisverwaltung und das Ordnungsamt mehr Präsenz zeigen.“ Lamp denkt, dass ein regelmäßiges Ziehen von Konsequenzen und das Verteilen von Bußgeldern Wirkung zeigen könnte. „Egal, welche Regelung sie finden, welche Bereiche sie absperren oder welche Schilder sie aufhängen – wenn sie das nicht kontrollieren, hält sich keiner dran!“