Henstedt-Ulzburg. Vor dem Bürgerhaus in Henstedt-Ulzburg feierten die Demonstranten die Absage der AfD-Wahlkampfveranstaltung.
Eigentlich war der Freitag kein Tag zur Freude. Zu schwer lastet die irrsinnige Tat eines rassistischen Attentäters im hessischen Hanau auf der Stimmung der Menschen. Trotzdem schallt am Abend gegen 17.30 Uhr sehr laut der alte deutsche Punk-Rock-Klassiker „Schrei nach Liebe“ aus einer Musikbox vor dem Henstedt-Ulzburger Bürgerhaus. „Deine Gewalt ist nur ein stummer Schrei nach Liebe. Deine Springerstiefel sehnen sich nach Zärtlichkeit. Du hast nie gelernt dich arti zu kulieren. Und deine Freundin die hat niemals für dich Zeit. Oh oh oh – Arschloch! Arschloch! Arschloch!“
Den etwa 500 Henstedt-Ulzburgern und Menschen aus der ganzen Region, die rund um die Box vor dem Bürgerhaus standen, war am Freitag trotz allem nach Feiern zumute. Und die „Ärzte“ drückten mit ihrem Song gegen Nazis aus, was die Initiatoren der Demonstration vor dem Bürgerhaus gerne den Rechtspopulisten der AfD mit auf den Weg gegeben hätten. Doch die waren ja gar nicht erst erschienen. Was die Demonstranten ausgelassen als ihren Erfolg feierten.
Die ganze Woche über hatte es so ausgesehen, als würde die Hamburger AfD mit ihrem Spitzenkandidat für die Hamburg-Wahl, Dirk Nockemann und dem Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen, ihren Wahlkampfabschluss im Henstedt-Ulzburger Bürgerhaus abhalten. Weil es die Satzung für die Nutzung des gemeindeeigenen Hauses nicht hergab, konnte Bürgermeister Stefan Bauer der AfD die Räume nicht verwehren – so wie schon in früheren Jahren, als die AfD ihren Landesparteitag in Henstedt-Ulzburg abhielt.
Als am Donnerstag sämtliche Hamburger Parteien vor dem Hintergrund der rassistischen Morde in Hanau ihre Wahlkampfabschlusstermine absagten und Tausende auf den Straßen gegen Rechts demonstrierten, entschlossen sich auch die Verantwortlichen der AfD, den Termin in Henstedt-Ulzburg abzusagen. Man wolle sich nicht vorwerfen lassen, pietätlos zu sein. Außerdem erwarte man „aufgrund der politisch-medialen Stimmungsmache“ massive Gegenproteste in Henstedt-Ulzburg. Da könne man nicht für die Sicherheit der Bürger garantieren, hieß es von der AfD.
„So sehen also Menschen aus, die die öffentliche Sicherheit gefährden“, sagte die Initiatorin des Anti-AfD-Protestes, Jenny Schacha am Freitag und blickte in die Reihen der durchweg friedlich und freundlich demonstrierenden Menschen. „Jenny, wir haben geschafft, was wir wollten“, sagte Co-Initiator Mirko Heim. „Wir wollten keine AfD in unserem Bürgerhaus. Und die haben sich nicht hier her getraut. Ich bin unheimlich stolz auf alle, die hier heute Abend trotzdem stehen.“
AfD im Bürgerhaus? Das darf es nicht mehr geben!
Heim betonte, er sei kein politischer Mensch, er sei noch nie auf einer Demonstration gewesen. „Aber das Bürgerhaus – das ist für uns Bürger. Meine Tochter hat hier ihre Ballettaufführungen, hier gibt’s eine Kita. Da hat die AfD nichts verloren.“ Jenny Schacha machte klar, dass sie so einen Protest eigentlich nicht nochmal organisieren möchte – zumindest nicht, um die AfD aus dem Bürgerhaus herauszuhalten. „Das darf uns einfach nicht mehr passieren. Wir müssen die Satzung für das Bürgerhaus so ändern, dass diese Veranstaltungen in Zukunft keine Chance mehr in Henstedt-Ulzburg haben.“
Damit spielte sie den Ball zur Kommunalpolitik, die ebenfalls zahlreich erschienen war. Ebenso wie Bürgermeister Stefan Bauer und Bürgervorsteher Henry Danielski. Letzterer bekundete gegenüber den Demonstrierenden seinen Unmut über die Kritik an seiner Person. „Man sagte, ich würde mein Amt missbrauchen, weil ich zum Protest gegen die AfD aufgerufen habe. Aber wenn es um den Anstand geht, dann halte ich mich doch nicht zurück!“
Bürgermeister Bauer sagt, es brauche jetzt eine politische Initiative, um die Satzung für das Bürgerhaus zu ändern. Denkbar wäre beispielsweise eine Satzung für öffentliche Veranstaltungsräume, wie sie in der Nachbarstadt Kaltenkirchen existiert. Dort werden nur lokale Parteien und Gruppierungen als Mieter zugelassen. Die AfD aus Hamburg hätte dann keine Chance mehr.
Nach dem Protest im Freien, zogen sich die Demonstranten ins warme Bürgerhaus zurück. Bürgermeister Bauer hatte es für den Protestzug freigegeben. Mirko Heim hatte spontan einen DJ engagiert. „Wir wollen tanzen, feiern, es gibt was zu essen und zu trinken“, sagte Heim. Die Kosten für die Miete des Saales hat wohl unfreiwillig die AfD übernommen. „Ich glaube, die volle Miete wird fällig, wenn jemand eine Veranstaltung so kurzfristig absagt. Aber da muss ich mal in die Satzung schauen“, sagte Bürgermeister Bauer.