Sülfeld. Der „Prinzen“-Sänger und Antifaschist Sebastian Krumbiegel ist am Sonnabend der prominente Headliner beim Festival „Bunte Zukunft“ in Sülfeld.
1991 veröffentlichte die Deutschpop-Band Die Prinzen den Song „Mein Fahrrad“. In einer Szene des Musikvideos singt Prinzen-Frontmann Sebastian Krumbiegel „… weil ich Braun nicht leiden kann“ und hält dazu den Mittelfinger in die Kamera. Ein fast beiläufiges politisches Statement, mitten in einem harmlosen Spaßsong platziert. 29 Jahre später nimmt Krumbiegels Engagement gegen rechte Gewalt, Rassismus, Antisemitismus und Ausgrenzung breiten Raum ein. Für sein gesellschaftliches, demokratisches und soziales Engagement wurde der Künstler 2012 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Auch in seinen Liedern positioniert er sich unmissverständlich als Verfechter von demokratischen Werten, setzt sich öffentlich für Humanismus und die Seenotrettung ein.
An diesem Sonnabend ist der Sänger beim Festival „Bunte Zukunft“ in Sülfeld zu Gast. Anlässlich seines Auftritts spricht er im Abendblatt-Interview über sein Elternhaus, seine Erfahrungen mit Hasskommentaren in den sozialen Medien, positive Botschaften und den Grund seines Auftritts in Sülfeld.
Du bist ein Mensch, der öffentlich für seine politischen Überzeugungen eintritt. Aufgewachsen bist du in Leipzig. War Politik in deinem Elternhaus zu DDR-Zeiten ein Thema?
Krumbiegel: Ja, ganz viel. Eine meiner ersten Erinnerungen in dieser Richtung ist, dass morgens vor der Schule aus dem alten Küchenradio die knarzige Stimme des Deutschlandfunk-Sprechers erklang. Ich stamme aus einem sehr liberalen Elternhaus, das hat mich geprägt. Ich rede mit meinem Vater immer noch viel über Politik. Mein neuer Song „Die Demokratie ist weiblich“ geht auf seinen Vorschlag zurück, ein Lied über Demokratie zu schreiben.
War es legal, als DDR-Bürger Deutschlandfunk zu hören?
Zu meiner Zeit schon. Ich habe die harten 50er- und 60er-Jahre nicht kennengelernt, wo wirklich stalinistischer Wahnsinn an der Tagesordnung war. Da wurde in den Schulen gefragt, ob die Uhr rund oder eckig ist, um herauszufinden, ob jemand West- oder Ostfernsehen guckt. Ich bin 1966 geboren, und als ich angefangen habe, politisch zu denken, war das alles schon nicht mehr so wild. Natürlich gab es ein paar Spielregeln. Meine Mutter hat immer gesagt: Zähl erst mal bis zehn, bevor du mit deiner Meinung herausplatzt, und bleib freundlich.
Ist das ein Rat, den du heute noch beherzigst?
Ja, das ist ganz wichtig. Und dieselbe Botschaft kann auch auf unterschiedliche Weise transportiert werden. Ich kann sagen: Ich bin gegen Nazis, Antisemitismus und Rassismus – was erst einmal Fakt ist. Ich kann es aber auch so formulieren, dass ich für eine multikulturelle Welt und ein friedliches und respektvolles Miteinander bin. Das ist eine viel bessere Message, weil man mit harten Worten erst einmal viele abschreckt.
Führst du Gespräche mit Menschen, die mit rechtem Gedankengut sympathisieren?
Ich glaube, wenn man in Sachsen wohnt, kommt man gar nicht drum herum. Manchmal sind solche Leute näher, als du denkst. Das geht los bei Themen wie Klimawandel über Seenotrettung bis hin zu Greta Thunberg. Wenn jemand Angst vor – und ich sag das jetzt in großen Anführungsstrichen - „Überfremdung“ oder der „Islamisierung des Abendlandes“ hat, nutzt es nichts zu sagen: Hab keine Angst mehr. Stattdessen sollte man versuchen, mit den Betreffenden darüber zu reden. Ich würde mich auf Diskussionen einlassen und versuchen, sie argumentativ zu überzeugen.
Gilt dieses Gesprächsangebot auch für führende Köpfe der rechten Szene?
Nein. Ich finde, man sollte mit den Leuten reden, die ihnen hinterher rennen, aber nicht mit den Protagonisten. Weder mit Höcke oder Gauland, die sich selbst durch Sprüche wie „Vogelschiss der Geschichte“ und „Mahnmal der Schande“ diskreditiert haben. Diesen Leuten sollte man kein Podium bieten. Denn das benutzen sie immer, egal um welches Thema es geht, für Hetze und ihre Zwecke. Und mein Verständnis endet dort, wo jemand eine rote Linie überschreitet.
Wann ist das für dich der Fall?
Ich habe beispielsweise lang versucht, Pegida zu verstehen. Ich habe die Demos im Stream verfolgt und irgendwann haben die angefangen, so richtig böse Sachen zu sagen. Durch die mediale Berichterstattung habe ich mitgekriegt, dass dort Galgen getragen wurden, die mit den Namen von Merkel oder Gabriel versehen waren. Und das Allerschlimmste für mich war, als die Rede auf Seenotrettung kam und daraufhin Sprechchöre „Absaufen, absaufen!“ einsetzten. Da ist eine rote Linie überschritten und hört mein Verständnis für die sogenannten besorgten Bürger auf. Man muss den Leuten zugestehen, dass sie Ängste vor der Zukunft oder Abstiegsängste haben, aber das darf nicht als Legitimation dafür dienen, den Frust an Menschen auszulassen, denen es noch schlechter geht. Das Schüren von Ängsten ist ein alter faschistischer Trick nach dem Motto: Wenn es dir dreckig geht, ist der Ausländer oder der Jude schuld und du musst dich wehren. Leider fallen viele auf diese plumpe Demagogie herein.
Apropos Hetze: Wie gehst du mit Hasskommentaren im Netz um?
Natürlich lässt sich keiner gern beschimpfen. Aber ich kann solche Kommentare aus Gründen der emotionalen Hygiene auch einfach ignorieren. Meinen ersten Shitstorm betrachte ich im Nachhinein eher als eine Art Ritterschlag. Ich tendiere jedoch noch mehr als früher dazu, das ein oder andere Wort auf die Goldwaage zu legen, auch wenn das zulasten der Spontaneität geht. Sachlicher Kritik stehe ich offen gegenüber.
Deine Position, dass Gewalt immer die Idee diskreditiert, hast du schon oft betont, ebenso, dass du dich niemals mit irgendwelchen Gewalttätern solidarisieren würdest. Hast du selbst schon einmal Erfahrung mit politisch motivierter Gewalt gemacht?
Ja, von zwei Nazi-Skins. Die haben mich aber nicht angegriffen, weil sie mich erkannt haben, sondern weil ich zur falschen Zeit am falschen Ort war. Es gab einen Gerichtsprozess und Jahre später habe ich auf Anregung des Weissen Rings einen der Täter zu einem begleiteten Gespräch im Maßregelvollzug getroffen. Er wollte sich entschuldigen. Es war sehr emotional. Es flossen Tränen auf beiden Seiten, und ich habe an diesem Tag verstanden, dass er nie eine richtige Chance hatte. Das meine ich nicht entschuldigend, aber als Erklärung.
Du trittst beim Festival „Bunte Zukunft“ in Sülfeld auf. Warum?
Positionierung ist wichtig und jeder kann etwas tun, ob das in Sülfeld oder woanders ist. Ich will dem Pfarrer und den anderen, welche die Aufkleber der Faschisten entfernen wollten und dafür von ihnen Reizgas ins Gesicht gesprüht bekommen haben, den Rücken stärken. Sie machen einen Hammerjob auf dem flachen Land. Ich versuche immer die Leute zu unterstützen, die auf der menschlichen, nicht ausgrenzenden, der guten Seite der Macht (lacht) stehen. Ich bin wie sie ein Antifaschist - und das sollte jeder Demokrat oder Humanist sein.
Nutzt du deine Popularität, um politisch Einfluss zu nehmen?
Klares Ja. Aber auch sonst halte ich es für eine Selbstverständlichkeit, reflektiert durchs Leben zu gehen und seine Meinung zu sagen.