Bad Segeberg . Ausverkauf der ambulanten Medizin soll nicht zugelassen werden. Investoren hätten Gesundheitssystem als Renditeobjekt entdeckt.
Svante Gehring, Internist aus Norderstedt und Vorstandssprecher der Ärztegenossenschaft Nord eG (äg Nord) appelliert an die Politik, den Ausverkauf der ambulanten Medizin durch Finanzinvestoren nicht zuzulassen.
Investoren aus aller Welt hätten das deutsche Gesundheitswesen als Renditeobjekt entdeckt. Die Ärztegenossenschaft warnt eindringlich vor den Folgen dieser Entwicklung. „Wir haben wohl nichts aus der Vergangenheit gelernt“, sagt Gehring. „Die Privatisierung ehemals kommunaler Krankenhäuser ist bei uns weiter fortgeschritten als in den USA, ohne dass wir eine Verbesserung der Versorgung feststellen konnten.“
Gehring sieht die politische Idee, durch eine Privatisierung zu einer Kostensenkung bei gleichzeitigem Erhalt des Versorgungsniveaus zu kommen, als gescheitert an. So stünden heute nicht Patienten im Mittelpunkt der Versorgung, sondern deren Erkrankungen in einer Kosten-Nutzenbilanzierung.
Patienten ohne Fallwert werden „blutig entlassen“
Gehring erlebe als Hausarzt, dass Patienten, wenn der Fallwert nichts hergebe, gar nicht erst stationär aufgenommen oder „blutig entlassen“ werden. Er beobachte unnötige oder zu frühe Operationen und Herzkathetereingriffe. Um mehr Gewinne zu erwirtschaften, seien die Personalkosten gedrückt worden, mitbegründend für den Fachkräftemangel und Pflegenotstand.
„Neben der Überversorgung existiert in Deutschland inzwischen eine genauso eklatante Unterversorgung“, sagt Gehring. Die Ärztegenossenschaft sieht die Gefahr, dass die am Patientenwohl ausgerichteten, durch niedergelassene Ärzte getragenen Praxen einem unfairen Wettbewerb geopfert werden.
Die medizinische Versorgung der Bevölkerung gehöre zur Daseinsvorsorge, sie müsse sich am Patienten- und Gemeinwohl ausrichten und nicht an den Partikularinteressen der Großinvestoren. Es müsse endlich über neue Versorgungsstrukturen nachgedacht werden. „Die Gelder der Versichertengemeinschaft müssen in die neuen Strukturen fließen und erwirtschaftete Gewinne im System reinvestiert werden, statt auf den Caymans zu verschwinden!“