Tangstedt. Unfestliches Ende: Tonnenweise Tannenbäume landen im Kompostwerk Bützberg. Holz und Nadeln werden jedoch weiterverarbeitet.
Der Haufen aus klein gehäckselten Tannenbäumen wird immer größer. Vier Meter hoch und zehn Meter lang ist er schon jetzt, obwohl die Stadtreinigung Hamburg erst vor wenigen Tagen mit der Einsammlung der Weihnachtsbäume begonnen hat. Am Freitagmorgen warten bereits mehrere Lastwagen vor den Toren des Biogas- und Kompostwerks Bützberg, um ihre 7,5 Tonnen schwere Ladung auf dem Gelände in Tangstedt auszukippen. Es duftet herrlich nach Nadelgehölz. Rund 30.000 Bäume aus dem Umkreis, insbesondere dem Norden Hamburgs, landen hier. Das entspricht 150 Tonnen Tannen, die in Bützberg verarbeitet werden.
Gerade in Zeiten des Klimawandels wird hitzig über die Verschwendung von Weihnachtsbäumen diskutiert. Nur wenige Tage steht das Grün hübsch geschmückt mit Lametta und Lichterketten in unseren Wohnzimmern – dann fliegt es spätestens nach dem Fest der Heiligen Drei Könige vor die Haustür. An den Straßenrändern liegen Anfang Januar etliche Tannen nebeneinander und geben ein trostloses Bild ab. Sie alle verlieren langsam ihre Farbe, Nadeln und das Leben. Können wir überhaupt noch ohne schlechtes Gewissen Christbäume abholzen?
Landwirte nutzen Nadeln für ihre Blaubeerfelder
„Wir brauchen etwas für unsere Seele. Die Lichter und der Duft nach Tannengrün in unseren Wohnzimmern machen uns glücklich“, sagt Anke Boisch (60) und greift nach einem Zweig aus dem Häckselberg. Seit 20 Jahren leitet die promovierte Biologin das hochmoderne Kompostwerk am Wulksfelder Damm. Natürlich sei das Brauchtum ökologisch nicht besonders sinnvoll. Aber vertretbar, wenn der Tannenbaum richtig verwertet wird. „Wichtig ist, dass die Bäume gründlich abgeschmückt werden“, sagt Boisch. Lametta und Plastik können genauso wenig verarbeitet werden wie Adventskränze, die Drähte enthalten. „Das würde den Kreislauf unterbrechen.“
Um den Kreislauf eines Weihnachtsbaums zu verstehen, muss man die Verarbeitungsprozesse in Bützberg näher kennenlernen. Denn was hier geschieht, ist Nachhaltigkeit in Vollendung. Die Tannenbäume kommen in dem Werk bereits geschreddert an. Zunächst werden sie hier vier bis fünf Monate gelagert – so lange brauchen sie, um ihre Nadeln zu verlieren. Dann werden Holz und Nadeln ausgesiebt und voneinander getrennt. Landwirte aus der Umgebung kaufen die Nadeln und streuen sie auf ihre Blaubeerfelder. Diese säuern den Boden an, das wiederum mögen die Blaubeeren. So schließt sich ein Kreis.
Auch das übrig gebliebene Holz findet eine Verwendung. In Bützberg entsteht Biogas in 21 großen Fermentern – das sind 24 Meter tiefe, sechs Meter breite und 4,50 Meter hohe Räume. Mikroorganismen fressen sich unter Luftausschluss durch Hamburgs und Schleswig-Holsteins Biomüll. „Darin landen in der Regel keine Tannenbäume. Der Gasertrag aus den Nadeln ist nicht besonders hoch“, sagt Anke Boisch. Das von den Mikroben ausgeschiedene Gas strömt durch Öffnungen in drei Speicher auf dem Dach, von da aus geht es weiter in eine Aufbereitungsanlage.
In acht Wochen wird Biomüll zum Kompost
Rund 80 Prozent des Biomülls bleiben bei der Gasgewinnung in den Fermentern übrig. Der Rest wird kompostiert – und dabei kommt das Holz der Christbäume wieder ins Spiel. Die nackten Zweige werden als Strukturmaterial genutzt und in den Biomüll dazugegeben. Bei der Kompostierung ist eine gute Sauerstoffversorgung der Mikroorganismen wichtig, damit diese den Müll zersetzen. Das Holz lockert den Kompost auf und sorgt so für eine gute Luftzufuhr.
Acht Wochen dauert es, bis der Bioabfall zum Kompost wird. Er liegt nur wenige Meter von dem Haufen mit den gehäckselten Tannenbäumen entfernt. Die Struktur des fertigen Komposts ist so fein, dass nur hin und wieder einzelne Zweige darin zu erkennen sind. Landwirte kaufen ihn, um ihre Felder zu düngen. Hobbygärtner zerstreuen ihn gern in ihren Blumenbeeten. Ein weiterer Kreis schließt sich.
Noch bis zum Spätsommer wird es dauern, bis von den Weihnachtsbäumen in Bützberg nichts mehr zu sehen ist. So viel steht fest: Die Tannen sind nicht umsonst gestorben. Sie leben in anderer Form weiter und finden ihren Nutzen.