Norderstedt. Nachverdichtung und Neubau heißen die Lösungen. Vorrang sollen kleine und günstige Wohnungen haben.

Alle Zeichen stehen auf Wachstum: Norderstedts Bevölkerung wird bis zum Jahr 2035 um zehn Prozent auf dann rund 88.000 Einwohner zulegen. Davon geht das Institut für Wohnen und Stadtentwicklung (ALP) aus – die Analysten haben für die Stadt das neue Wohnungsmarktkonzept erarbeitet. Fazit: Um die Neubürger aufnehmen zu können, müssten in den nächsten 15 Jahren 4160 Wohnungen gebaut werden. Weitere 550 seien als „Fluktuationsreserve“ nötig, damit die Menschen umziehen und ausweichen können, wenn Wohnraum saniert werden muss. Weitere 1830 Wohnungen müssten entstehen, um die Sozialwohnungen zu ersetzen, die aus der Mietpreisbindung herausfallen – insgesamt fehlen also 6450 Wohnungen.

„Das sind deutlich mehr, als wir im Flächennutzungsplan bisher ausgewiesen haben“, sagt Nicolai Steinhau-Kühl (SPD), Vorsitzender des Ausschusses für Stadtentwicklung und Verkehr. Die im F-Plan ausgewiesene Flächenreserve reiche für rund 4500 Wohnungen, die in den größeren Neubaugebieten Sieben Eichen am Glashütter Damm, in der Grünen Heyde zwischen Harckesheyde und Mühlenweg, an der Lawaetzstraße, südlich und nördlich des Harkshörner Wegs sowie in Garstedt am Herold-Center und im Bereich Kohfurth entstehen sollen.

Das Gutachten bestätigt bekannte Erkenntnisse: Es fehlen günstige und kleine Wohnungen. Am 31. Dezember 2018 gab es in Norderstedt 1700 Sozialwohnungen. Bis zum Jahr 2035 wird der Bestand kräftig schrumpfen, um 84 Prozent auf dann 280 Wohneinheiten. „Deswegen ist es auch richtig, dass bei Neubauvorhaben 50 Prozent geförderte Wohnungen nach dem ersten und zweiten Förderweg gebaut werden müssen“, sagt Peter Holle, Fraktionschef der CDU.

Wohnungen bis 50 Quadratmeter werden am häufigsten gesucht

Nur 19 Prozent der Mietwohnungen in Norderstedt sind kleiner als 50 Quadratmeter. Dem gegenüber steht die wachsende Zahl der Singles. So stieg die Zahl der Haushalte in Norderstedt seit 2012 um 2730 auf 39.140 und damit um 7,5 Prozent. Die Zahl der Einwohner hingegen nahm nur um 6,4 Prozent zu, die Autoren des Wohnungsmarktkonzeptes sprechen von einem „Singularisierungstrend“. Das zeige sich auch an der Nachfrage nach Wohnraum im Internet. In den einschlägigen Portalen würden Wohnungen bis 50 Quadratmeter am häufigsten gesucht und am schnellsten vermietet.

Und ALP hat einen Generationswechsel ausgemacht: Die Zahl der Norderstedter, die 80 und älter sind, steigt. Diese Altersgruppe lebt überwiegend in Einfamilienhäusern, die wiederum frei werden, wenn die Senioren in eine kleinere Wohnung umziehen oder sterben. Besonders viele Ältere wohnen der Analyse zufolge in Friedrichsgabe-Süd, im südlchen Garstedt, im nördlichen Glashütte und im Norden von Harksheide.

Die Gutachter haben die Senioren zu ihrer Bereitschaft umzuziehen befragt und ermittelt, dass 2300 Häuser frei würden, wenn die jetzigen Bewohner attraktive Alternativen finden. Gesucht seien vor allem gut ausgestattete Eigentumswohnungen mit rund 100 Quadratmeter Wohnfläche für zwei Personen und 70 Quadratmetern für Menschen, die alleine leben. „Wenn der Generationswechsel beschleunigt werden soll, müssen entsprechende Wohnungen gebaut werden“, heißt es im Wohnungsmarktkonzept.

Nachfrage von jungen Familien kann kaum bedient werden

Damit gebe es zugleich ein Angebot für junge Familien, die sich in Hamburg kein Haus mit Garten leisten können und in Norderstedt ihre Wunschimmobilie nicht finden. „Diese Nachfrage kann derzeit kaum bedient werden“, schreiben die Gutachter. Die Folge: Familien mit Kindern ziehen weiter raus, suchen sich in Henstedt-Ulzburg oder Kaltenkirchen ein neues Zuhause.

Baudezernent Thomas Bosse sieht Norderstedt gut aufgestellt für die erwartete Nachfrage, obwohl eine enorme Lücke klafft: Die bisher ausgewiesenen Neubaugebiete reichen für 4500 Wohnungen, gebraucht werden 6450. Bosse geht davon aus, dass durch Nachverdichtungen und Ersatzbauten weiterer Wohnraum geschaffen wird. „Die Erfahrung zeigt, dass ein Drittel bis zur Hälfte der Zahl der Neubauwohnungen als Ersatz- oder Neubauten im Bestand entstehen.“ Werden beispielsweise Einfamilienhäuser auf großen Grundstücken abgerissen und durch neue Wohngebäude ersetzt, was überall im Stadtgebiet zu beobachten ist, erhöht sich die Zahl der Wohneinheiten zum Teil deutlich.

Obgleich die Stadt gewappnet sei, führe Norderstedt Gespräche mit Nachbarstädten und -gemeinden. Ziel sei, die eher flächenintensiveren Einfamilien- und Doppelhäuser „im ländlichen Raum zu verorten“. Auch die Gutachter sagen: „Norderstedt wird die Nachfrage nach Wohnraum nicht alleine bewältigen können.“ Diese Auffassung teilen CDU-Fraktionschef Holle und andere Politiker: „Fakt ist, dass Norderstedt irgendwann an natürliche Grenzen kommt. Hier müssen weitere intensive Gespräche mit den Umlandgemeinden erfolgen“, sagt Holle. Es müssten gemeinsame Konzepte nicht nur für das Wohnen, sondern vor allem für die dafür notwendige Infrastruktur wie Kitas, Schulen, Sport- und Freizeiteinrichtungen, Kultur und Nahversorgung erarbeitet werden.