Viele kleine und große Ereignisse sind im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten. Das Abendblatt hat sich auf Spurensuche begeben.
Der Rasenplatz an der Eutiner Straße in Bad Segeberg erscheint auf den ersten Blick unspektakulär. Ein hölzernes Tribünengebäude an der Südseite zeugt davon, dass hier gelegentlich größere Veranstaltungen stattfinden, die von dort aus beobachtet werden können. Die „Rennkoppel“, so heißt dieser Platz im Volksmund, ist Austragungsort für Landesreitturniere und war sogar in der engeren Auswahl für die Austragung der olympischen Wettbewerbe im Dressurreiten im Jahre 2024. Weil die Hamburger Bevölkerung die Spiele nicht wollte, hat sich dieses Thema erledigt. Was heute kaum jemand weiß: Auf dem Gelände hat sich ein Stück deutscher Geschichte abgespielt.
Heimatforscher und Stadthistoriker Hans-Werner Baurycza weiß, was hier alles los war. Er verfügt über ein umfangreiches Archiv mit zahllosen Dokumenten, Artikeln, Plakaten, Fotos und kann interessante Geschichten über den Landesturnierplatz erzählen. „Kaum ein Platz im Kreis Segeberg hat eine so wechselvolle Vergangenheit wie der Landesturnierplatz an der Eutiner Straße“, sagt Baurycza.
Rennkoppel eignet sich für Großveranstaltungen
Bis zum Jahr 1902 war das Gelände eine landwirtschaftlich genutzte Fläche im Besitz eines Klein Niendorfer Bauern, der die elf Hektar damals für 30.000 Mark an die Stadt Segeberg verkaufte. 1905 wurde der Segeberger Rennverein gegründet, der die Flächen von der Stadt pachtete und am 24. September jenes Jahres das erste Pferderennen veranstaltete. Mehr als 6000 Besucher kamen zu der Veranstaltung, der viele weitere folgten.
Galopp- und Trabrennen sowie Pferdesportturniere wurden dort ausgetragen. Und auch sonst eignete sich die Rennkoppel für Großveranstaltungen. Am 2. Juli 1912 zum Beispiel landeten dort vier Flugzeuge am Tag einer Nordmark-Flugveranstaltung.
Ab 1908 wurde auf der Rennkoppel auch Fußball gespielt: Der Fußballclub Holstein Segeberg hatte hier Heimrecht. Das ging so bis zum Jahr 1933. Da begannen sich die Nationalsozialisten für den Platz zu interessieren. Der war nämlich wegen seiner Größe bestens als Übungs- und Veranstaltungsort nationalsozialistischer Verbände wie HJ, BDM, SA und SS geeignet, die Sportwettkämpfe und Zeltlager durchführten.
Die Holztribüne war für die 800-Jahr-Feier gebaut worden
Auch die Mächtigen des Deutschen Reiches wurden auf den Platz aufmerksam. Im Oktober 1937 reiste Reichspropagandaminister Joseph Goebbels an. Nach der Einweihung der Nordmark-Feierstätte am Kalkberg in Bad Segeberg, wo seit vielen Jahren die jährlichen Karl-May-Festspiele stattfinden, nahm er im Kurhotel zunächst ein Mittagessen – es gab Eintopf – zu sich und begab sich dann zur Rennkoppel, wo er die SA-Reiterspiele beobachtete und natürlich auch eine Rede hielt.
Hans-Werner Baurycza kann genau sagen, wo Goebbels damals vor mehr als 80 Jahren gestanden hat, als er zu den Besuchern und Sportlern sprach. „Von dieser kleinen Vortribüne aus konnte er alles überblicken“, sagt der Stadthistoriker, „es gibt Fotos von dieser Veranstaltung.“
Mit dem Sport ging es erst 1947 wieder so richtig los
Die Holztribüne war 1936 für die bevorstehende 800-Jahr-Feier Segebergs im Juli 1937 und für die SA-Reiterspiele im Oktober errichtet worden. Bis 1944 war der Platz Austragungsort für Sportwettkämpfe und Zeltlager der Hitlerjugend und des Bundes Deutscher Mädel.
Im Jahr 1945, nach Ende des Zweiten Weltkrieges, kam ein neues Kapitel hinzu. Wo sich einst die Nationalsozialisten trafen, stellten die englischen Besatzungstruppen jetzt beschlagnahmte Fahrzeuge ab.
Mit dem Sport ging es erst 1947 wieder so richtig los. Und dann gleich ziemlich spektakulär: Der Hamburger Sportverein reiste mit Fußballgrößen wie Erwin Seeler, Frido Dörfel und Jupp Posipal an, um gegen den TuS Segeberg vor mehr als 3000 begeisterten Zuschauern ein Freundschaftsspiel auszutragen. 5:3 siegten die Hamburger, nachdem die Gastgeber zur Halbzeit noch 3:0 vorne gelegen hatten.
Platz ist wichtiger Ort für verschiedene Veranstaltungen
Warum kam der HSV nach Bad Segeberg? Nun, die Zeiten waren schlecht, die Fußballer waren noch längst keine Profis und mussten selbst sehen, dass sie für sich und ihre Familien genug zu essen hatten. „Die sind für zehn Zentner Kartoffeln und eine Wagenladung Brot hier angetreten“, weiß Hans-Werner Baurycza zu berichten. „Außerdem gab’s für jeden Spieler noch ein deftiges Mittagessen.“
Die Geschichte des Landesturnierplatzes, der Rennkoppel, ist also wechselvoll. Bis heute ist der Platz ein wichtiger Ort für alle möglichen Veranstaltungen. Und all das kann man von der Tribüne aus ungestört beobachten – auch wenn es regnet.