Heidmühlen. Die Jagdhündin ist darauf trainiert, mit der Afrikanischen Schweinepest infizierte Wildschweine aufzuspüren.

Wenn Angelika Jensen zur Hundeleine greift und die blaue Plastikbox einsteckt, weiß Carlotta sofort: Jetzt geht’s auf Wildschweinsuche. Die 15 Monate alte Hündin ist einer von fünf speziell ausgebildeten Jagdhunden in Schleswig-Holstein, die infizierte Schwarzkittel (kranke wie auch tote) aufspüren können. Seitdem weltweit die Afrikanische Schweinepest (ASP) ausgebrochen ist, gelten Wildschweine allerorts als gefährlich, denn die Seuche ist hochansteckend und wird bei Kontakt auch auf Hausschweine übertragen. Ein Horrorszenario für Schweinezuchtbetriebe, denn bisher gibt es keinen Impfstoff gegen die Krankheit.

Auf vier Kontinenten sind bereits mehrere Millionen Wildschweine und Schweine dem tödlichen Virus zum Opfer gefallen – auch in zehn europäischen Ländern. Zwar ist die Seuche noch nicht im Norden angekommen, aber vorsichtshalber zieht Dänemark zur Abwehr einen 70 Kilometer langen Zaun, während Schleswig-Holstein auf feinste Hundenasen zum Aufspüren der Seuchenträger setzt – wie die von Carlotta und vier weiteren Suchhunden.

Anforderungen an die Suchhunde sind sehr hoch

Der Segeberger Amtstierarzt Christof Heilkenbrinker hatte bei Kreishundewartin Heidi Fitzner angefragt, ob Hunde präventiv für einen möglichen Ernstfall trainiert werden könnten. „Das Thema interessierte mich sofort“, sagt Angelika Jensen aus Heidmühlen, die seit Jahrzehnten neben „normalen“ auch Jagdhunde zum Schutz von Pflanzen und Bäumen in Quarantänegebieten ausbildet. Die Anforderungen an die angehenden ASP-Suchhunde sind jedoch ungleich höher. „Normalerweise nehmen Hunde die Fährte mit dem DNA-Zielgeruch vom angeschossenen oder angefahrenen Tier auf. Da beides aber nicht zwangsläufig für ‚verseuchte‘ Wildschweine zutrifft, müssen die Hunde die Witterung aus der Luft aufnehmen“, erklärt die erfahrene Jägerin. Eine imponierende Meisterleistung der Hundenase, die mit 220 Millionen Riechzellen zehnmal mehr erschnuppern kann als der Mensch und Gerüche bis zu drei Kilometern ortet.

Vier Monate trainierten fünf Teams unter anderem im Segeberger Schwarzwildgatter und im Forst mit präparierten Wildschweinattrappen, denen frische, aufgetaute oder verwesende Schwartenteile umgebunden waren. Für die eineinhalbjährige Carlotta ist die Sucharbeit reiner Spaß, bei dem zum Abschluss ein schmackhafter Klacks Leberwurst heraus­springt. „Sie ist ein fröhlicher, sehr gehorsamer, junger Hund, der schnell lernt und akkurat beim Suchen, Anzeigen und Hinführen zum gefundenen Stück ist“, lobt Angelika Jensen die Spinone-Italiano-Hündin, eine der ältesten Vorstehhunderassen der Welt mit guten Jagdeigenschaften, die bereits auf Gemälden des 15. Jahrhunderts abgebildet wurden. Nach bestandenem Test ist Carlotta nun offiziell ASP-Suchhund, der im Ernstfall sogar bundesweit zum Einsatz käme – und das als Privatinitiative, denn Unterstützung und Gelder von staatlicher Seite gibt es nicht. Eine Stiftung, die nicht genannt werden möchte, hatte die Finanzierung der Hundeausbildung übernommen.

Zur Abwehr der Seuche ist Schleswig-Holstein Vorreiter, lediglich im Saarland gibt es ebenfalls eine private Suchhundestaffel – in allen anderen Bundesländern: Fehlanzeige. Und das, obwohl das Friedrich-Löffler-Institut die Gefahr für Deutschland als sehr hoch einstuft. Auf polnischer Seite sind 20 Kilometer und auf belgischer Seite 35 Kilometer jeweils von der Grenze entfernt Seuchengebiete ausgewiesen. Ein Ausbruch hätte nicht nur für deutsche Schweinezüchter fatale Folgen. „Die Fundstelle würde in einem Radius von 30 Kilometern zum Seuchengebiet mit vielen Verboten und einem Begehungsverbot. Für Spaziergänger und Pilzsammler wäre der Wald lange tabu“, betont Angelika Jensen.