Jersbek. Dort lagerte der Gutsherr früher auch Champagner. Das Denkmal im Kreis Stormarn ist größtenteils noch original erhalten.

Er versteckt sich hinter hohen Bäumen – und ist etwas ganz Besonderes. „Der Jersbeker Eiskeller ist in seiner Größe und Form einzigartig in Schleswig-Holstein“, sagt Gerd-Wilhelm Nuppenau. „Auch bundesweit dürfte es nicht viel Vergleichbares geben.“ Der frühere Bürgermeister kennt sich aus: Er hat sich intensiv mit der Geschichte des Eiskellers befasst, traute dort Hochzeitspaare und führt regelmäßig Besuchergruppen durch das Denkmal.

Gutsherr Bendix von Ahlefeldt (1678 –1557) war es, der nicht nur den Barockgarten anlegte, sondern 1736 auch den Naturkühlschrank bauen ließ. „Jedes Gut hatte damals einen Eiskeller, meistens waren es aber Gruben“, sagt Nuppenau. Das Gebäude in Jersbek steht dagegen auf einem Hügel. Ein Grund dafür ist offensichtlich der hohe Grundwasserspiegel.

Vom Hügel reicht der Blick über die von der Eiszeit geprägte Landschaft.
Vom Hügel reicht der Blick über die von der Eiszeit geprägte Landschaft. © Harald Klix | Harald Klix

Zunächst mauerten Arbeiter ausschließlich aus Feldsteinen einen Trichter, der unten drei und oben etwa sechs Meter breit ist. Diese Wände aus Findlingen sind bis zu zwei Meter dick. „Anschließend wurde der Hügel wohl mit Erde aus der Umgebung aufgeschüttet“, so Nuppenau. Oben schloss sich ein etwa 4,50 mal 4,50 Meter großer, fensterloser Vorraum an den Trichter an. „Fußboden und Wände aus Ziegeln sind original erhalten“, sagt Nuppenau. Ein offener Dachstuhl, der mit Reet abgedeckt wurde, komplettierte den Bau.

Etliche Details sorgten dafür, die Temperaturen dauerhaft niedrig zu halten. So ist die nach innen versetzte Holztür genau gen Norden ausgerichtet. Sie wurde nach dem Betreten sofort wieder geschlossen. Für etwas Licht sorgten vier Kerzen, die in Nischen standen.

Als Sonnenschutz dienten Linden und Kastanien, die abwechselnd rund um das Gebäude gepflanzt wurden. Die Bäume wurden mit Bedacht gewählt. „Kastanien bekommen ihre Blätter früher, bei Linden bleibt das Laub länger hängen“, sagt Nuppenau. So wurden gut drei Wochen Schatten gewonnen.

80.000 Kilogramm kamen jedes Jahr in den Eistrichter

Im Winter wurde der Trichter komplett mit Eis gefüllt – gut 80.000 Kilogramm passen hinein. Die Gutsarbeiter schnitten aus dem nahen Teich mit speziellen Sägen flache Platten heraus, schleppten sie den Hügel empor. Über Holzrutschen, die sich wie Schienen einer Modelleisenbahn zusammenstecken ließen, kam die gefrorene Fracht vorsichtig in den Schacht. Dort stapelten Männer die Platten, füllten die Lücken mit zerstoßenem Eis oder Schnee. „Erfahrungsgemäß hielt dieser Vorrat bis zum nächsten Winter“, so Nuppenau.

Original wie vor fast 300 Jahren: der fünf Meter tiefe Trichter aus Steinen.
Original wie vor fast 300 Jahren: der fünf Meter tiefe Trichter aus Steinen. © Harald Klix | Harald Klix

Hauptnutzer war die Meierei, die wegen der Herkunft der Betreiber auch Holländerei genannt wurde. „Die Holländer waren bekannt für ihre Expertise bei der Milchverarbeitung“, betont Nuppenau. Eiswasser kühlte die frisch gemolkene Milch schnell herunter, die dann weiterverarbeitet wurde. „Die leicht gesalzene Butter wurde in Hamburg verkauft, war in der Zeit des aufstrebenden Bürgertums sehr beliebt.“ Neben der Meierei nutzte die Adelsfamilie den Vorraum, in dem nie mehr als acht bis zehn Grad Celsius herrschten. Nuppenau: „Dort wurden zum Beispiel Säfte und Weine aufbewahrt, aber auch Champagner für rauschende Feste.“ Nach einer Jagd wurden große Fleischteile auch in Laken eingewickelt und direkt im Eistrichter eingefroren.

Bei Feiern überraschte der Gastgeber mit feinstem Speiseeis: In einem Holzgefäß mit kleingestampftem Eis kam ein Metallbehälter, in dem die Eiscreme mit Vanille oder Früchten gerührt wurde. „Dafür war die Kaltmamsell zuständig“, sagt Nuppenau, dessen Familie seit 1793 einen Hof in Jersbek besitzt. „Meine Großmutter hat im Hotel gearbeitet und das Eis genauso gemacht.“

Schließlich diente der Gefrierschacht noch dem Betrieb von „Eisschränken“ in den Häusern. Diese Geräte hatten doppelte und mit trockenem Torf isolierte Holzwände, die mit dem Eis aus dem Keller befüllt wurden.

Bis Mitte der 1950er-Jahre war der Eiskeller in Betrieb. „Es dauerte zehn Jahre, bis der Eisberg komplett weggeschmolzen war“, sagt Nuppenau. Im schneereichen Winter 1978/79 brach der Dachstuhl zusammen. Die Gemeinde pachtete die Ruine zum symbolischen Preis von einer Mark von der Familie von Bethmann Hollweg, um sie wieder aufzubauen. 1984 war es so weit. Die Freude währte nicht lange. Im Juli 1992 legten Brandstifter Feuer, das Reetdach musste erneuert werden. In der Silvesternacht 1996/97 brannte es erneut, die Flammen vernichteten den kompletten Dachstuhl. Auch die jahrhundertealten Bäume nahmen einen so großen Schaden, dass sie später gefällt werden mussten.

Mittlerweile haben die neuen Kastanien und Linden stattliche Höhen erreicht. Und sorgen dafür, dass der einzigartige Eiskeller wieder unscheinbar am Rand der Jersbeker Ortsdurchfahrt liegen kann.