Norderstedt/Quickborn. Im Frühling hatte die letzte Anlage in Norderstedt geschlossen. Jetzt betreibt Hof in Quickborn wieder eine Milch-Tankstelle.

Patrick Lembke hat vor einigen Tagen zwei Schilder am Straßeneingang zum Hof Schatzschneider in Quickborn montiert. Folgt man den Pfeilen, landet man bei einer kleinen Holzhütte am Breedenmoorweg, in der sich die neue Milchtankstelle des Familienbetriebs befindet. „Herzlich Willkommen“, steht in Schönschrift auf einer Schiefertafel, daneben ist ein Herz gemalt. „Wir haben schon länger über diese Idee nachgedacht“, sagt Lembke, der in die Familie Schatzschneider eingeheiratet hat.

Die Neueröffnung passt zum landesweiten Trend: Immer mehr Bauern haben sich in den vergangenen Jahren eine eigene Milchtankstelle als zusätzliche Verdienstquelle angeschafft. Das Internetportal „milchtankstellen.de“ listet in Deutschland derzeit rund 240 Tankstellen. Allerdings verkündete die Hensing GmbH, ein Vermarkter der Geräte, auf derselben Homepage, dass der Vertrieb „aufgrund der von uns erkannten Marktsättigung“ ab sofort eingestellt werde.

Wer einen Euro einwirft, bekommt einen Liter Milch.
Wer einen Euro einwirft, bekommt einen Liter Milch. © Annabell Behrmann | Annabell Behrmann

Viele Milchbauern kämpfen um ihre Existenz – so wie Landwirt Sebastian Mecklenburg, der im Frühling dieses Jahres all seine Kühe verkauft und damit die letzte Milchtankstelle in Norderstedt dichtgemacht hat. Klar ist aber auch: Sein Betrieb musste nicht schließen, weil sich die Milchtankstelle nicht rentierte. Ganz im Gegenteil. 70 Leute pro Tag zapften bis zum Schluss bei Mecklenburg ihre frische Milch. 500 bis 600 Stammkunden sind es in der Woche gewesen. Vielmehr gab er auf, weil sich die Tierhaltung mit gerade einmal 35 Kühen nicht mehr lohnte. „Wir haben uns davon nicht abschrecken lassen“, sagt Lembke. Als Sebastian Mecklenburg aufgehört hat, wollte Lembke nicht zulassen, dass es keine Milchtankstelle mehr in Norderstedts unmittelbarer Nähe gibt – die nächsten liegen in Nahe und Kisdorf sowie in Bönningstedt und Borstel-Hohenraden.

Der 36-Jährige hat ein 15.000 Euro teures Gerät gekauft, in das maximal 150 Liter passen. Wirft ein Kunde einen Euro in den Schlitz, kommt ein frischer Liter Milch heraus. „Als Landwirt einen Liter für einen Euro in der Direktvermarktung umzusetzen, ist ein guter Gewinn“, sagt Patrick Lembke. Wenn die Meierei einmal am Tag mit einem Lkw die Milch der 80 Kühe auf dem Hof abholt, bekommt die Familie gerade einmal 34 Cent pro Liter. Nicht viel. Mit den niedrigen Milchpreisen haben die Landwirte schon seit Jahren zu kämpfen. Allerdings: Eine Milchtankstelle ist ein nettes Zusatzgeschäft, davon kann sich aber kein Betrieb am Leben halten.

Das weiß auch Lembke. „Von dem Ertrag können wir uns nicht finanzieren. Das wäre utopisch und muss jedem von vornherein klar sein“, sagt er. Der Norderstedter ist Werkzeugmechaniker, die Landwirtschaft lediglich sein Ausgleich. Vor zehn Jahren hat er angefangen, Bienen zu halten. Seitdem betreibt er eine Hobbyimkerei und vermarktet seinen eigenen Honig. Auch in der Milchtankstelle stehen Gläser in aus Holz nachempfundenen Bienenwaben – 500 Gramm kosten sechs Euro. Zum Hof, der sein Geld hauptsächlich als konventioneller Milchviehbetrieb verdient, gehören außerdem seit zwei Jahren 220 Hühner. Lembke: „Wir merken, dass die Leute zunehmend wissen wollen, woher ihre Lebensmittel kommen. Die Selbstvermarktung nimmt immer mehr zu.“

Auch Honig von der eigenen  Imkerei wird verkauft.
Auch Honig von der eigenen Imkerei wird verkauft. © Annabell Behrmann | Annabell Behrmann

In den ersten zwei Wochen haben sich die Kunden rund 15 bis 20 Liter pro Tag aus der Milchtankstelle, die dauerhaft läuft, gezapft. Umgerechnet entspricht das 15 bis 20 Euro. Im besten Fall sollen es einmal 50 Liter pro Tag werden. Dann wären die Landwirte zufrieden. „Es verhält sich wie überall im Verkauf – wenn sich etwas über einen längeren Zeitraum nicht lohnt, stellt man es halt wieder ein“, sagt Patrick Lembke. Aber: „Wir haben nicht vor, das Häuschen in den nächsten zwei Jahren wieder abzureißen. Dafür haben wir nicht so viel Arbeit investiert.“

Einer der großen Vorteile der Tankstelle: Die Kunden erhalten Rohmilch – sie ist weder abgekocht, noch homogenisiert oder pasteurisiert wie etwa im Discounter. Den Hof Schatzschneider gibt es schon seit dem Jahr 1860. Ursprünglich lag er an der Quickborner Straße in Norderstedt, doch 2001 wurde er ein paar Hundert Meter weiter in den Breedenmoorweg nach Quickborn umgesiedelt, weil auf dem alten Hofgelände an der Stadtgrenze ein großes Neubaugebiet entstehen sollte.

Nils Semmelhaack aus Friedrichsgabe hat den Bauernhof schon als kleiner Junge besucht. „Meine Eltern haben mich immer zum Milchholen geschickt“, sagt er. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert – nur, dass er inzwischen mit seinen eigenen Kindern Ben (6) und Mina (2) regelmäßig auf dem Fahrrad vorbeifährt und frische Milch aus der Tankstelle abzapft. „Ich finde es super, dem eigenen Nachwuchs zu zeigen, woher die Lebensmittel kommen. Es ist nicht wie im Supermarkt, wo man einfach die Milchtüte aus dem Regal nimmt.“