Norderstedt. Das Herz von Abendblatt-Praktikantin Tabea Hartmann schlägt für Schalke 04. Warum die 20-Jährige dem Ruhrpott-Club die Daumen drückt.

Du bist Schalke-Fan? Wieso das denn?“ Ich weiß nicht, wie oft ich diese Frage schon gehört habe. Gerade in einem Umfeld, wo die meisten Leute Anhänger des HSV, des FC St. Pauli oder der Bayern sind. Meine Gegenfrage lautet dann oft: Wieso ist es so abwegig, Fan des Vereins mit den zweitmeisten Mitgliedern in Deutschland zu sein?

Bereits in jungen Jahren habe ich mit meinem Vater im Garten gekickt und saß mit meinen Eltern oft vor dem Fernseher, wenn ein Spiel übertragen wurde. Das erste Mal in einem Stadion war ich 2006 beim Spiel zwischen dem HSV und Bayern München, damals noch in der AOL Arena. Zu Hause in Hartenholm hat mein Vater meine kleine Schwester und mich zudem oft mit auf den Sportplatz genommen. Auch heute noch gehen wir gelegentlich zusammen dorthin.

Als ich zur Grundschule ging, bin ich mit meiner Familie öfters zu Spielen des HSV gefahren – meine Mutter ist nämlich ein großer Fan der Hamburger, mein Vater dagegen ist Bayern-Anhänger durch und durch.

„Weil es unser Leben ist“, lautet das Motto der Schalker Ultras.
„Weil es unser Leben ist“, lautet das Motto der Schalker Ultras. © hartmann | Tabea Hartmann

In der sechsten Klasse habe ich dann angefangen, mich für Schalke 04 zu interessieren, und Schuld daran sind vor allem die Cousins meiner Mutter, denn die kommen alle aus dem Münsterland! An die Saison 2010/11 kann ich mich besonders gut erinnern, denn da wurde S04 Pokalsieger durch einen 5:0-Sieg gegen den MSV Duisburg (bisher der einzige Titel, den ich miterlebt habe) und spielte in der Champions League. Unvergessen natürlich die beiden Siege im Achtelfinale gegen Inter Mailand. In der Saison schlug außerdem die große Stunde von Julian Draxler, einem Schalker Eigengewächs.

Seit 2015 ist die 20-Jährige Schalke-Mitglied

Auch wenn er heute in Frankreich bei Paris Saint-Germain unter Vertrag steht, ist er noch immer mein absoluter Lieblingsspieler.

Im Oktober 2011 habe ich mein Schalke dann das erste Mal live gesehen. Die Mannschaft um die Weltstars Raúl und Klaas-Jan Huntelaar gewann in Hamburg mit 2:1 – und ich war endgültig mit dem Schalke-Virus infiziert.

Nachdem ich im August 2015 – mittlerweile war ich Schalke-Mitglied geworden – für zehn Monate nach Svendborg in Dänemark gegangen bin, um dort mein Austauschjahr zu verbringen, sah ich die Königsblauen im Juli 2016 wieder. Die Schalker Knappen kamen zu einem Testspiel nach Kiel, das konnte ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Nach einem knappen 2:1-Sieg warteten meine Schwester und ich gut eine halbe Stunde vor dem Mannschaftsbus. Nachdem viele der Spieler direkt in den Bus eingestiegen waren, konnte ich immerhin ein Bild mit Franco di Santo ergattern.

Und dann war ich das erste Mal bei einem Spiel in der Schalker Veltins-Arena: Zu meinem 18. Geburtstag hatte ich von meiner Tante Karten für die Bundesligapartie gegen Werder Bremen geschenkt bekommen. Somit machte ich mich Anfang November 2016 mit meinem Vater auf den Weg ins 400 Kilometer entfernte Gelsenkirchen. Es war wirklich imponierend. Wenn vor dem Spiel 60.000 Schalker in der abgedunkelten Arena das Steigerlied singen, bekomme ich jedes Mal noch heute Gänsehaut. Dass die Bremer mit 3:1 geschlagen wurden, rundete den Tag perfekt ab.

Viele meiner Lehrer in Dänemark entdeckten im Laufe der Zeit meine Liebe zu S04. So haben meine Klassenkameraden in Geschichte gelernt, dass die größte Stadt im Ruhrgebiet die Stadt ist, „deren Namen Tabea nicht nennen wird“ (Dortmund).

Zu Beginn der Saison 2017/18 musste dann erstmals die Schule dran glauben. War ich am Sonnabendnachmittag noch mit meinem Vater beim Auswärtsspiel in Bremen gewesen, fuhren wir drei Tage später am Dienstagabend nach Gelsenkirchen zum Spiel gegen die Bayern. Da es sich ja nicht lohnen würde, für einen Schultag je 160 Kilometer nach Dänemark hin- und zurückzufahren, blieb ich einfach zu Hause in Deutschland. Schalke ging nun mal vor!

Einen Monat später, am letzten Wochenende der Herbstferien, sollte Schalke zu Hause gegen Mainz 05 spielen. Aus Langeweile schaute ich nach Tickets, und siehe da, es gab tatsächlich noch eine Stehplatzkarte. Ohne zu zögern landete diese im Warenkorb, und ich erzählte meiner Mutter, dass ich am Freitag nach Gelsenkirchen fahren würde. „Wie jetzt? Ganz alleine?“ Sie war sichtlich geschockt. Aber was sollte ich denn machen, wenn sonst niemand mit mir fahren wollte? Und ganz alleine war man auf Schalke sowieso nie. „Tausend Freunde, die zusammenstehen“, heißt es im Vereinslied, und das beschreibt den Verein und seine Anhänger treffend. So stand ich das erste Mal in der Nordkurve, bis heute mein Lieblingsplatz in der Arena.

Bei einer Führung durfte Tabea auf dem Pressepodium Platz nehmen.
Bei einer Führung durfte Tabea auf dem Pressepodium Platz nehmen. © hartmann | Tabea Hartmann

Das emotionalste Spiel, das ich im Stadion gesehen habe, war das Pokalhalbfinale 2018 gegen Eintracht Frankfurt. Nachdem die Hessen eine Viertelstunde vor Schluss durch Luka Jovic in Führung gegangen waren, gaben die Schalker noch mal alles – auf dem Platz und auf den Rängen. In der Nachspielzeit dann der vermeintliche Ausgleich durch Franco di Santo. Aber das Tor zählte nicht – angeblich ein Handspiel. Die Enttäuschung war riesig.

Um vier Uhr morgens war ich wieder zurück in Hartenholm, ehe eine Stunde später der Wecker klingelte und ich mich auf den Weg nach Dänemark machen musste. Im Matheunterricht wäre ich dann fast eingeschlafen. Mein Lehrer konnte es kaum glauben, dass ich quasi gerade direkt von einem Schalke-Spiel kam. Er schüttelte auch mit dem Kopf, als ich ihm erzählte, dass ich mir am Knöchel ein Tattoo mit dem Schalke-Gründungsjahr 1904 sowie Schlägel und Eisen hatte stechen lassen. Aber wie sagte Klaas-Jan Huntelaar bei seiner Verabschiedung so schön: „Schalke ist so ein Verein, der geht unter deine Haut und der geht nie mehr weg.“

Im August 2018 überredete ich meine Eltern, mit mir zum Schalke-Tag, der Saisoneröffnung der Königsblauen, zu fahren. So machten wir uns am Sonntagmorgen auf den Weg in die „Stadt der tausend Feuer“. Neben zahlreichen Attraktionen, einem öffentlichen Training und vielem mehr, war das Highlight sicherlich die Autogrammstunde. Ich weiß nicht, wie lange ich anstand, bis ich endlich an der Reihe war. Aber es hat sich gelohnt, hatte ich doch Mark Uth, Amine Harit, Daniel Caligiuri, Benjamin Stambouli und Abdul Rahman Baba getroffen. Am Ende des Tages waren selbst meine Eltern als Nicht-Schalker von der Atmosphäre begeistert. Dass 100.000 Fans zur Saisoneröffnung kommen, gibt es wohl auch nur auf Schalke.

Jeder, der Fan eines Fußballvereins ist, muss sich wohl von Verwandten oder Bekannten anhören, wieso man sich das antut oder was daran so schlimm ist, wenn der Verein mal verliert. „Du kannst doch jetzt keine schlechte Laune haben, nur weil Schalke verloren hat“, musste ich mir letzte Saison häufig von meiner Mutter anhören. „Da kann ich nicht, da spielt Schalke“, musste sich dagegen meine Mutter häufig von mir anhören. Ich könne doch nicht alles um einen Fußballverein herum planen. Wahrscheinlich ist es für Außenstehende schwer zu verstehen, wieso man sich Woche für Woche ins Auto oder in die Bahn setzt, um seinen Verein vor Ort zu unterstützen oder zu Hause vor dem Fernseher mitfiebert.

Tabea ergatterte zur Saisoneröffnung 2018 ein Autogramm von Mark Uth.
Tabea ergatterte zur Saisoneröffnung 2018 ein Autogramm von Mark Uth. © hartmann | Tabea Hartmann

Gerade in der letzten Saison gab es allerdings oft Momente, in denen ich am liebsten die Fernbedienung gegen die Wand geworfen hätte, weil die Mannschaft schon wieder kein vernünftiges Spiel zustande gebracht hatte. „Willst du dir nicht lieber einen anderen Verein suchen, wenn Schalke immer verliert?“, schlug eine Freundin vor. Wenn es danach gehen würde, wären wir doch alle Fans von Bayern München. Niederlagen gehören nun mal zum Fußball dazu wie Bratwurst und Bier. Außerdem sagte Charly Neumann, ehemaliger Mannschaftsbetreuer der Schalker, einmal: „In schlechten Zeiten müsst ihr Schalker sein. In guten haben wir genug davon.“

Ich würde Schalke niemals gegen einen anderen Verein eintauschen wollen. Bereits wenn ich von der Autobahn aus die Flutlichtmasten des alten Parkstadions sieht, weiß ich, dass ich wieder zu Hause bin, und es fängt an zu kribbeln. Da ist es ganz egal, wie oft der Club einen enttäuscht, man muss einfach immer wieder hingehen. Was sind schon vier Stunden Fahrt, wenn ich anschließend in der Kurve stehen und meinen Verein unterstützen kann?

Mit der Zeit gewöhnt man sich auch an dieses ständige Auf und Ab. Allerdings hoffe ich doch immer wieder, dass sich vielleicht etwas ändert. Nach der Vizemeisterschaft 2017/18 zum Beispiel, hätte ich nie im Leben gedacht, dass wir in der folgenden Saison gegen den Abstieg spielen würden. Das war schon deprimierend. Eine Abwechslung zum trüben Bundesligaalltag stellte die Champions League dar, wo man sich fürs Achtelfinale qualifizieren konnte. Dort wartete niemand geringeres als das englische Top-Team von Manchester City. Eigentlich hatte ich keine großen Erwartungen, als ich mit meinem Vater beim Hinspiel ins Stadion ging. Aber insgeheim hoffte ich doch auf eine Sensation, waren wir in den vergangenen Jahren im europäischen Wettbewerb doch immer für eine Überraschung gut gewesen. So wäre es auch fast gekommen – bis zur Einwechslung von Leroy Sané, ausgebildet in der Schalker Knappenschmiede. Aber Schalke wäre nicht Schalke, wenn zumindest das Unentschieden über die Zeit gebracht werden könnte, und so wurde das Spiel in letzter Minute noch verloren. Das Rückspiel hingegen war eine einzige Katastrophe („City“ gewann 7:0) und eine gute Gelegenheit für alle Nicht-Schalker, sich über uns lustig zu machen. Generell ist es keine Seltenheit, dass ich mir dumme Sprüche anhören muss. Aber auch damit lernt man umzugehen.

Ich muss ehrlich sagen, ich war noch nie so erleichtert, dass endlich Sommerpause war, wie nach der vergangenen Saison. Mittlerweile bin ich aber froh, dass es wieder los geht. So ganz ohne Schalke ist es eben doch langweilig. Für die neue Saison wünsche ich mir, dass es besser läuft als im vergangenen Jahr. Von Europa will ich gar nicht sprechen, ein Platz im Mittelfeld wäre allerdings wünschenswert. Der 5:0-Sieg im Pokal gegen Regionalligist SV Drochtersen/Assel war schon mal ein guter Anfang. Auch auf das 0:0 in der Bundesliga gegen Borussia Mönchengladbach am vergangenen Wochenende lässt sich aufbauen.

Am Sonnabend werde ich mich mit meinem Vater und meiner Schwester wieder auf den Weg in den Ruhrpott machen, wenn zur Topspiel-Zeit um 18.30 Uhr das erste Heimspiel der Saison angepfiffen wird. Dass es gleich gegen die Bayern geht, kann sowohl von Vor- als auch von Nachteil sein, man wird sehen. Leider gab’s keine Karten mehr für die Nordkurve, sondern nur Sitzplatzkarten – ausgerechnet neben dem Bayern-Block. Aber was soll’s: Ich gehe natürlich davon aus, dass die Schalker gewinnen. Glück auf!