Norderstedt/Hamburg. Im Sankt Pauli Museum wurde der 20. Todestag des Schlagertexters und Wahl-Norderstedters mit Musik, Bader-Bingo und Ausstellung gefeiert.

Das Möbelstück macht nicht viel her. 50er-Jahre-Stil. Nichts Besonderes. So sah es in deutschen Zimmern aus. Das Stück war einmal eine Bar und stammt aus einem Norderstedter Haus. An ihr hängen viele Erinnerungen – wer hat sich nicht alles an sie gelehnt und getrunken: Caterina Valente, Peter Alexander, Charles Aznavour, Freddy Quinn, Dieter Thomas Heck – um nur ein paar zu nennen. Jetzt steht diese Bar im Sankt Pauli Museum an der Davidstraße noch einmal im Mittelpunkt des Interesses: Beim Bader-Abend zum 20. Todestag von Ernst Bader, dem Schlagertexter, der 45 seiner 85 Lebensjahre in Norderstedt verbrachte und bis zu seinem Tod im Jahre 1999 hier lebte.

Freddy Quinn mit seinem Freund und Texter Ernst Bader.
Freddy Quinn mit seinem Freund und Texter Ernst Bader. © HA | Knittermeier

Schlagerstars von einst stehen nun nicht mehr an diesem eher unscheinbaren Möbelstück. Dafür aber ein Paradiesvogel der besonderen Art: Günter Zint, Fotograf, Verleger, Autor, Archivar und Gründer des Museums. Zum „Hundehimmel im Sankt Pauli Museum“ hatte er geladen, um den 20. Todestages seines Freundes mit Schlagermusik, Bader-Bingo und Foto-Ausstellung zu feiern.

Warum Günter Zint, der viele seiner Fotos vor zwei Jahren unter dem Motto „Wilde Zeiten“ im Norderstedter Stadtmuseum zeigte? Und warum im Sankt Pauli Museum? Zint und Bader verband eine Freundschaft, die bis in das Jahr 1959 zurückreichte. Der Schlagertexter war Patenonkel von Zints vier Kindern und kräftiger Geldgeber für das Museum an der Davidstraße. Die späten Tantiemen von Bader-Songs wie „Heimweh“ oder „Der Junge von St. Pauli“ flossen direkt an das Museum. „Über eine halbe Million Mark hat Ernst Bader unserem Museum vermacht“, sagte Günter Zint. Denn hier, auf dem Kiez, hatte er in den 1950-ern als Alleinunterhalter den Sound der St.-Pauli-Bars Colibri und Trichter geprägt, bevor er vom Musikverleger Hans Sikorski als Werbechef eingestellt wurde.

In der Colibri-Bar war Ernst Bader für eine Tagesgage von fünf Mark nicht nur Musiker, sondern Mädchen für alles: Er schrieb Chansons und Sketche, legte den Apachentanz auf die Bühne, war bei Damenringkampfparodien dabei und präsentierte sein Programm „Was morgen erst die Zeitung bringt, am Abend schon Ernst Bader singt“. Die Nähe zu Hamburgs Vergnügungsviertel war bis zu seinem Tod gegeben – nicht zuletzt durch Günter Zint.

Unvergessen übrigens sein Auftritt in der Schmidtshow, die in den 90-er Jahren regelmäßig live aus dem Schmidt Theater im Fernsehen übertragen wurde: Ernst Bader reihte in dem Theater, dass nur wenige hundert Meter vom Sankt Pauli Museum entfernt steht, Anekdote an Anekdote und wurde eher zufällig zum Star des Abends. Die Zuschauer bogen sich vor lachen.

Zint mit einem Porträt Baders von St. Paulis Kultmaler Erwin Ross.
Zint mit einem Porträt Baders von St. Paulis Kultmaler Erwin Ross. © Frank Knittermeier | Frank Knittermeier

Viele dieser kleinen Geschichten erzählt Günter Zint während des Bader-Abends im Sankt Pauli Museum. Und erinnert daran, dass Ernst Bader durch seine Tätigkeit in der Schlagerbranche reich geworden ist, aber selbst keinen Wert auf Geld legte. Er habe sein sein Geld verschenkt, es in viele gemeinnützige Projekte gesteckt, Kinder und Jugendliche in der Dritten Welt adoptiert und finanziell unterstützt oder den Anti-Springer-Aktivisten eine Druckmaschine spendiert, damit sie bloß keine Steine mehr werfen.

„Eigentum ist Diebstahl, wenn man es nicht eilt“, sei Baders Motto gewesen. Weil er während des Krieges eine Zeit lang Hitler nachlief, habe er versucht, durch die Mitfinanzierung eines Krankenhauses in Israel sein schlechtes Gewissen zu beruhigen. „Ernst Bader hat Schnulzen geschrieben, das war ihm bewusst“, erzählte Günter Zint. „Aber er hat an die Lieder geglaubt.“ Weil er aktiv war, als Hits noch zu zeitlosen Evergreens wurden, fließen die Tantiemen noch heute. 1200 GEMA-Verträge liegen im Büro des Sankt-Pauli-Museums.

Noch birgt das Lebenswerk des ehemaligen Norderstedters Überraschungen. Im Museumsarchiv liegen seine Kriegstagebücher, in denen Bader in feinster Sütterlinschrift Erlebnisse notiert hat, dabei auch aufzeigt, wie er sich vom Anhänger zum Gegner Hitlers gewandelt hat und der Frage nachgeht, wie alles soweit kommen konnte.

Auch das Buch, in dem Ernst Bader über viele Jahre seine Träume notiert hat, liegt dort. Eva Decker, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Museums will sie transkribieren. „Das steht ganz oben auf meiner Projektliste.“ 20 Jahre nach seinen Tod hat Bader noch etwas zu sagen.

Wie sehr er zu Lebzeiten von Kollegen aus der Showbranche geschätzt wurde, geht aus einem Brief des kürzlich verstorbenen Sängers und Schauspielers Charles Aznavour hervor, der am Bader-Abend herumgereicht wurde. Für ihn hatte Bader unter anderem den deutschen Text des Liedes „Du lässt dich geh’n“ geschrieben.

„Ernst war ein zutiefst menschlicher Mann, ruhig besonnen, umgänglich“, schrieb der gebürtige Armenier Aznavour anlässlich des 100. Geburtstages von Ernst Bader im Jahre 2014. „Er liebte es zu arbeiten, er liebte die französische Sprache und er liebte seinen Hund – drei Dinge, die wir teilten.“

St. Pauli Museum, Davidstraße 17, Mo-Mi, 11.00-18.00; Do, 11.00-21.00; Fr, 11.00-23.00; Sa, 11.00-23.00; So, 11.00-18.00, Eintritt 5/4 Euro, sankt-pauli-museum.de