Kreis Segeberg. Viele Städte und Gemeinden in der Region reduzieren Öffnungszeiten oder die Angebote in öffentlichen Freibädern, weil Fachpersonal fehlt.
Das Dilemma ist greifbar. Schon auf den ersten Blick sieht der Besucher: Die Gemeinde Henstedt-Ulzburg gibt sich Mühe, das Naturbad Beckersberg attraktiv zu gestalten. Spiel- und Fitnessgeräte, Wasserbasketball, eine Schwimminsel, mehr Barrierefreiheit, all das zählte zum Investitionspaket für die Badesaison 2019. Wäre der Wasserpegel nicht so niedrig – eine Folge der Trockenheit in den vergangenen zwölf Monaten –, hätte man sogar eine neue Rutsche installiert. Trotz dieser auch finanziell aufwendigen Maßnahmen entschied sich die Verwaltung jedoch, den Betrieb einzuschränken. Es ging nicht anders. „Einer Badeaufsicht im Naturbad wurde während der Probezeit gekündigt“, sagte Bürgermeister Stefan Bauer kürzlich, ohne Gründe zu nennen.
Die Folge: An Montagen ist das Bad geschlossen, dienstags bis freitags erst ab 13 Uhr geöffnet, nur am Wochenende wie immer von 10 bis 19 Uhr. Das Frühschwimmen findet weiterhin statt (6 bis 8 Uhr). „Die Gemeinde hat sich die Entscheidung nicht leicht gemacht“, sagt Stefan Baron. Der 58-Jährige ist Einzelkämpfer, er ist der einzige Schwimmmeister, arbeitet sechs Tage die Woche. Immerhin: Ab einer Besucherzahl von 300 unterstützt ihn die DLRG.
Baron hat diesen Beruf gelernt, seit 1995 trägt er im Beckersbergbad die Verantwortung. Außerhalb der Saison arbeitet er als Hausmeister unter anderem im Bürgerhaus. Die Menschen im Ort kennen und mögen ihn. Wer am Strand und im Wasser das Sagen hat, genießt durchaus Respekt und Anerkennung. Doch beliebt ist der Job unter jungen Menschen nicht mehr. „Die haben keine Lust mehr dazu“, sagt Baron.
Philipp Goetzke, im Rathaus zuständig für Bildung, Jugend und Freizeit, verweist darauf, dass dies „kein Henstedt-Ulzburger, sondern ein bundesweites Problem“ sei. Der Bundesverband Deutscher Schwimmmeister spricht von 2500 fehlenden Fachkräften. Täglich, auch bei Regenwetter, im Bad sein, dazu vielleicht noch aufräumen, kleine handwerkliche Arbeiten übernehmen, das ist nicht für jeden ein Traumjob. „Wir sind an einer Nachbesetzung der Badeaufsicht interessiert“, so Goetzke. Aber zeitnah? Keine Chance. Über Initiativbewerbungen würde er sich jedoch sehr freuen.
In Norderstedt stand Christiane Scheulenburg am Freitag, 10. August, gegen 10 Uhr am Eingang des Arriba-Strandbades. Die Türen waren verschlossen, das morgendliche Schwimmen musste ausfallen. „Obwohl im Internet stand, das Bad sei ab 9 Uhr geöffnet. Und am Telefon erreichte man nur eine Bandansage“, schreibt Scheulenburg in einer Mail an das Abendblatt.
Verkürzte Öffnungszeiten aus Personalmangel – ist das jetzt beim Arriba auch so weit? „Es ist auch für uns deutlich schwerer geworden, Bewerber für die Ausbildung zum Schwimmmeister zu finden“, sagt Stadtwerke-Sprecher Oliver Weiß. „Aber das Arriba bildet derzeit drei Mitarbeiter aus und ist noch gut besetzt. Schwieriger ist die Lage wohl eher im ländlichen Raum.“
Gleichwohl: Dass das Strandbad geschlossen bleibt, hat nicht nur mit der Witterung zu tun. „Wir müssen bei der Öffnung schon abwägen, ob wir das Personal dort an trüben Tagen für wenige Schwimmer einsetzen. Denn es fehlt uns dann im Erlebnisbad“, sagt Weiß. Damit also der durchgehende Betrieb im Strandbad gewährleistet werden könnte, müsste das Arriba mehr Leute einstellen. Das ist nicht nur mangels Bewerbern schwierig, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen. Das Arriba macht jährlich etwa 2 Millionen Euro Verlust – größer sollte das Defizit nicht werden, eher kleiner. Dass nun Christiane Scheulenburg und andere Stadtparksee-Fans vorschlagen, einen Verein aus Schwimmern zu gründen, dem dann ein Schlüssel zum Strandbad ausgehändigt werden könnte, ist für das Arriba nicht machbar. „Das geht versicherungstechnisch nicht. Wer früh oder an kühlen Tagen ohne Sonne schwimmen gehen will, muss sich leider einen anderen See suchen.“
Improvisieren mussten die Kommunalbetriebe (KBE), die für den Betrieb des Freibads in Ellerau zuständig sind, denn: „Unser Schwimmmeister, der in Vollzeit beschäftigt ist, ist leider längerfristig erkrankt und steht in dieser Saison nicht zur Verfügung“, sagt KBE-Prokuristin Elke Gerick. Mit vier Aushilfen wurde die Lücke geschlossen, sodass die Öffnungszeiten nicht eingeschränkt werden mussten. Sie würden bei gutem Wetter und regem Badebetrieb von der örtlichen DLRG und einem weiteren Mitarbeiter unterstützt, der sowohl für die Biogasanlage als auch im Schwimmbad eingesetzt werde. Er habe in diesem Jahr einen Großteil der Aufsichtszeiten übernommen. Dennoch sei es nicht möglich gewesen, Schwimmkurse anzubieten.
„Ein Mangel tritt auf, wenn ein Mitarbeiter länger erkrankt. Ein kleines Bad kann sich dafür kein doppeltes Personal leisten“, sagt Gerick. Große Freizeitbädern könnten Schwimmmeister ganzjährig beschäftigen. In vielen kleinen Freibädern hingegen würden Schwimmmeister nur für die Badesaison angestellt, im Winter müssten sie andere Jobs wahrnehmen.
„Außerdem wurden in den vergangenen 20 Jahren überwiegend Frauen ausgebildet, die wegen der unattraktiven Arbeitszeiten nicht im Beruf geblieben sind oder wegen der Kinder aufgehört haben“, sagt die Prokuristin. Vielfach würden nur Fachangestellte für Bäderbetriebe ausgebildet. Den Meister machten nur wenige. Die Arbeit werde auch nicht „gerade herausragend“ bezahlt.
Besser ist die Situation im Freibad Itzstedt. Betriebsleiter Johannes Schmidt und seine Frau Karen als Stellvertreterin sind Angestellte des Amtes und natürlich ein perfektes Team. „Und wir haben eine personell sehr gut aufgestellte DLRG-Ortsgruppe mit 18 bis 20 ausgebildeten Rettungsschwimmern“, sagt Bürgermeister Helmut Thran. „Das Amt bezahlt die Ausbildung und ein kleines Salär für die Rettungsschwimmer.“ Je nach Andrang ist es hier möglich, das Personal sogar relativ kurzfristig aufzustocken.
In der Holstentherme in Kaltenkirchen ist die Situation ebenfalls entspannt, von einem Fachkräftemangel ist dort nicht die Rede. Die Holstentherme biete ein attraktives Arbeitsplatzumfeld, mit anspruchsvollen Aufgaben, Weiterbildungen, sozialen Leistungen, Wertschätzung und Bindung an das Unternehmen. Die Fluktuationsrate sei gering, zudem bilde das Unternehmen aus.
Gerade an der Ausbildung von Nachwuchskräften hapere es in der Branche, sagt Hans-Peter Kalusok, Betriebsleiter der Roland-Oase in Bad Bramstedt. Er prüfe den verstärken Einsatz von Rettungsschwimmern anstelle von Schwimmmeistern.