Norderstedt . Wer Stress abbauen und einmal zur Ruhe kommen will, der sollte spazieren gehen – am besten mit einem Esel. Bianca Bödeker hat es ausprobiert.

Von wegen störrisch. Völlig entspannt lässt Paul sich putzen, genießt das Streichen mit der Bürste übers Fell. Dann noch eine Runde Ohren kraulen und kuscheln. Das gefällt. Fröhlich wackelt der Esel mit seinen langen Lauschern. Klares Zeichen: Die Chemie zwischen uns stimmt, die Sympathieschiene ist aufgebaut. Da lassen sich dann auch ganz locker die Hufe auskratzen und der Halfter anlegen. Bevor wir beide uns mit Kathrin Rehders und Pauls Bruder Max auf den Weg machen. Bei der Norderstedter Landwirtin habe ich mich angemeldet zur geführten Eselwanderung. 90 Minuten durch die Glashütter Feldmark. Im Rhythmus der Esel. Das Ziel: mit dem Langohr die Langsamkeit zu entdecken.

Der erste Stopp erfolgt schon nach etwa 30 Metern. Paul schnuppert erst einmal eine Runde an frischen Pferdeäpfeln. Und äpfelt selbst noch mal drauf. Das Revier ist markiert, und weiter geht’s – vorbei am Rehdersschen Maisfeld. Das umschließt ein üppiger Blühstreifen. Diese Nahrungsquelle für Bienen ist der 28 Jahre alten, ausgebildeten Bauernhofpädagogin, die auf ihrem Glashütter Hof auch Honig aus eigener Ernte verkauft, nachhaltig wichtig.

Die tierischen Begleiter lassen den Alltag schnell vergessen

Paul und Max sind dagegen eher an den Eichenblättern, die rechts und links des Feldwegs wachsen, interessiert. Sie lassen es sich genüsslich schmecken. Unter dem wohlwollenden Blick der Landwirtin. Denn: „Die Eichenblätter sind gut für die Entgiftung “, sagt Kathrin Rehders.

Und unser Spaziergang ist gut für die Entschleunigung. Das merke ich schon nach wenigen Minuten. Wann bin ich eigentlich das letzte Mal geschlendert? Habe verträumt in den Himmel geschaut, aufmerksam dem Vogelgezwitscher gelauscht und mich genüsslich am Anblick der satten Natur gelabt? In unserer heutigen Zeit ist das doch schon fast ein Luxus.

Mein tierischer Begleiter lässt mich den Alltag sehr schnell vergessen. Der Dreizehnjährige pausiert da, wo es ihm passt. Entdeckt und beobachtet hier ein Eichhörnchen, da eine Schar Gänse. Dummer Esel? Weit gefehlt! „Der Esel ist schlau“, sagt Kathrin Rehders. Wittert er eine Bedrohung, peilt er zunächst die Lage, wägt ab und stellt sich, wenn nötig, furchtlos der Gefahr.

Und die droht uns jetzt – und zwar von oben. Eben noch von der Sonne gewärmt, schüttet es auf einmal wie aus Eimern. Dicke Tropfen suchen sich ihren Weg auf meiner Haut. Wie gut das tut. Wie frisch und klar die Luft duftet. Ich atme tief ein und aus – einfach herrlich. Das finden Paul und Max überhaupt nicht. Mit pitschnassem Fell laufen sie bedröppelt neben uns her, den Kopf gesenkt, aufmerksam die Wasserpfützen im Blick. Während ich durchnässt, fröstelnd und doch fröhlich mitten durch laufe (und damit nachhole, was ich als Kind nie durfte), machen die beiden Vierbeiner einen großen Bogen darum. Warum das so ist, erklärt Kathrin Rehders. Die Spiegelung irritiere die Tiere, die Wassertiefe sei für sie nicht einzuschätzen.

Dann wird plötzlich nicht mehr geschnuppert, geäpfelt oder gefressen. Der zielstrebige Zug an der Leine zeigt: Wir wollen jetzt wieder nach Hause. Auf dem Weg dorthin noch ein kleiner Zwischenstopp am Feldesrand, wo ein Reh mit zwei Kitzen wohnt. Und die Sonne kommt auch wieder raus. Wie gut die wärmenden Strahlen tun. Nach eineinhalb Stunden und rund vier Kilometern sind wir wieder auf dem Hof angekommen. Max und Paul freuen sich über ein Leckerli. Und ich mich über meine Auszeit vom Alltag – auf dem Weg zu mehr Gelassenheit. Schritt für Schritt.